EU-Parlament begräbt vorerst Forderung nach Netzsperren bei Copyright-Verstößen

Der umstrittene Bericht des Sozialisten Manuel Medina Ortega zur "Harmonisierung des Urheberrechts" mit seiner Forderung netzseitiger Filter ist laut der Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net vom Tisch.

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Das EU-Parlament bleibt vorerst bei seiner wiederholt vorgebrachten Missbilligung von Internetsperren im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen. So ist der umstrittene Bericht des Sozialisten Manuel Medina Ortega zur "Harmonisierung des Urheberrechts" laut der Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net vom Tisch. Der Report sprach sich gemäß seiner letzten Fassung aus dem federführenden Rechtsausschusses für den Aufbau eines Systems zur "abgestuften Erwiderung" auf Copyright-Verstöße bis hin zum Kappen von Netzverbindungen ("3 Strikes") und den Einsatz netzseitiger Filter zur Unterscheidung "zwischen legalen und raubkopierten Produkten" im Internet aus.

Anfang Februar hatte die Präsidentenkonferenz des Parlaments mit den Stimmen von Konservativen und Sozialisten überraschend noch beschlossen, dass der Bericht ohne Änderungsmöglichkeiten und weitere Aussprache durchs Plenum geschleust werden sollte. Nach den Protesten oppositioneller Abgeordneter, von Sozialisten vor allem aus Frankreich sowie SPD-Politikern, Verbraucherschützern und zahlreicher Bürger liegt das gesamte Vorhaben aber jetzt auf Eis. Da der spanische Berichterstatter nicht mehr zu den Neuwahlen der europäischen Volksvertreter antritt, dürfte damit das endgültige Aus für den Bericht in seiner derzeitigen Form besiegelt sein.

Jérémie Zimmermann, Mitgründer von La Quadrature du Net, feiert die Beerdigung des Vorstoßes als Erfolg "tausender E-Mails und Telefonanrufe" besorgter Nutzer bei den Parlamentariern. Dies sei ein Beweis dafür, dass eine gut informierte Bürgerschaft mehr erreichen könne als "kleine, obskure Lobbygruppen der Industrie". Die Zurückweisung des Berichts werfe ein gutes Licht auf eine künftige politische Linie, in der das Urheberrecht als Mittel zur Förderung von Künstlern und zur Ausschöpfung des enormen Potenzials des Internets für die Kultur betrachtet werde. Der Medina-Report selbst sei dagegen ein Beispiel dafür gewesen, mit welchen "absurden" Ansätzen die Unterhaltungsindustrie das Copyright gegen die digitale Technik und ihre eigenen Kunden einsetzen wolle.

Am morgigen Dienstag gehen derweil die Verhandlungen über den Einbau von Klauseln zum Urheberrechtsschutz in die Neufassung des Telecom-Pakets im sogenannten Trilog-Verfahren zwischen Parlament, EU-Rat und -Kommission in die entscheidende Runde. Mit im Zentrum der Debatte steht die Wiedereinführung zweier Änderungsanträge der Abgeordneten aus der 1. Lesung des Vorhabens, den die Regierungsvertreter aus ihrer gemeinsamen Position kurzerhand gestrichen hatten. So wollten die Parlamentarier mit dem Korrekturvorschlag 166 gewährleisten, dass notwendige "Einschränkungen des Rechts der Nutzer auf Zugang zu Inhalten, Diensten und Anwendungen" nur im Einklang mit den "Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, Wirksamkeit und Abschreckung" möglich sind. Mit dem Änderungsantrag 138 drängten sie zugleich darauf, dass "Eingriffe in die Rechte und Freiheiten der Endnutzer" nur nach Einschaltung der Justizbehörden erfolgen dürften. (Stefan Krempl) / (anw)