Videoüberwachung in Österreich bald ohne Genehmigung erlaubt

Die österreichische Bundesregierung plant eine Novelle des Datenschutzgesetzes mit teilweise gravierenden Änderungen. So soll etwa für die meisten Videoüberwachungsanlagen keine Genehmigung mehr erforderlich sein.

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Die österreichische Bundesregierung plant eine umfassende Novelle des Datenschutzgesetzes, das noch aus dem Jahr 2000 stammt (DSG 2000). Wesentliche Änderungen sind die Aufhebung der Genehmigungspflicht für Videoüberwachungsanlagen und die Einführung von Datenschutzbeauftragten in Betrieben. Nach wie vor nicht vorgesehen ist die von der EU-Kommission geforderte Unabhängigkeit der Datenschutzkommission. Ein diesbezügliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich läuft seit Mitte 2005. Die Gesetzesnovelle ist noch bis 21. Mai in Begutachtung, wobei jedermann per E-Mail an begutachtungsverfahren@parlament.gv.at Stellung nehmen kann.

Die Zahl der Videoüberwachungsanlagen in Österreich wird im sechsstelligen Bereich angesiedelt. Jede einzelne müsste vor Inbetriebnahme eigentlich von der Datenschutzkommission genehmigt werden, tatsächlich wurden aber nur von einigen wenigen Unternehmen Genehmigungen überhaupt beantragt. In Zukunft soll in den meisten Fällen keine Genehmigung mehr erforderlich sein. Übrig bleibt lediglich eine Meldepflicht von Überwachungsanlagen, mit denen Bilder digital aufgezeichnet werden. Sie sollen in einer Datenbank erfasst werden. Für von staatlichen Einrichtungen betriebene Anlagen soll es rechtliche Grundlagen in eigenen Gesetzen geben.

Die aufgezeichneten Bilder sind nach spätestens 48 Stunden zu löschen, sofern sie nicht, etwa im Rahmen einer Anzeige, an Behörden übermittelt werden. Die Datenschutzkommission kann auf Antrag längere Speicherzeiten genehmigen. "Mit einer Videoüberwachung gewonnene Daten von Betroffenen dürfen nicht automationsunterstützt mit anderen Bilddaten abgeglichen und nicht nach sensiblen Daten als Auswahlkriterium durchsucht werden", schränkt der zukünftige Paragraph 50a Abs 6 die Verwendung der Bilder ein.

Die Betreiber der Anlagen sollen den überwachten Bereich kennzeichnen, so dass Betroffene ausweichen können. Die Kennzeichnung soll jedoch entfallen, wenn sie ein unverhältnismäßig hoher Aufwand wäre oder wenn durch sie die Gewinnung von Beweisen vereitelt würde. Wer aufgenommen wurde, soll ein Auskunftsrecht bekommen. Ihm steht eine Kopie der Aufnahme zu, sofern dem nicht "überwiegende berechtigte Interessen Dritter" entgegenstehen. Die genaue Bedeutung dieser Einschränkung ist offen; möglicherweise könnte die Herausgabe der Aufnahme auch verweigert werden, wenn irgendeine dritte Person auf dem Bild zu sehen ist. Die Auskunft muss jedem Bürger auf Wunsch einmal pro Jahr kostenlos erteilt werden.

Neu eingeführt werden Datenschutzbeauftragte, die in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern eine entsprechende Funktion erhalten müssen. Sie sollen die Einhaltung des DSG im Betrieb überwachen und die Arbeitnehmer sowie den Betriebsinhaber in Datenschutzbelangen beraten. Eine dahingehende Ausbildung ist nicht verpflichtend, jedoch sind den Datenschutzbeauftragten pro Jahr 20 Stunden an Arbeitszeit zum Erwerb von Fachkenntnissen zur Verfügung zu stellen. Die Datenschutzbeauftragten genießen im Rahmen ihrer Tätigkeit Kündigungsschutz.

Abgeschafft werden soll der Anspruch auf Datenschutz für juristische Personen, das sind etwa Unternehmen, Vereine und rechtsfähige Vermögensmassen wie Stiftungen. Sie sollen sich künftig nur noch auf den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen berufen können. Schutz von personenbezogenen Daten wird es nur noch für natürliche Personen (Menschen) geben. Damit verbunden ist auch, dass nur natürliche Personen die Rechte auf Auskunftserteilung, Richtigstellung und Löschung von Daten in Anspruch nehmen können. Die Regierung begründet diese Einschränkung mit einem entsprechenden "europaweiten Trend".

Gelockert werden soll der Datenschutz in Notfällen. Bereits bisher waren Eingriffe in den Datenschutz erlaubt, wenn dies im "lebenswichtigen Interesse des Betroffenen" war. Nun sollen personenbezogene Daten auch dann offengelegt werden können, wenn es um lebenswichtige Interessen anderer Personen als des Betroffenen geht. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen durch Informationsweitergabe Leben gerettet werden könnten.

Politisch brisant ist die vorgesehene Klarstellung, dass die Übermittlung von Daten an das Parlament oder einen Landtag im Rahmen deren Kontrolltägigkeit keine Datenschutzverletzung darstellt. Dies betrifft insbesondere offizielle Anfragen sowie Aktenübermittlungen an Untersuchungsausschüsse. In verschiedenen Fällen hatten Minister Auskünfte verweigert und sich dabei auf den Datenschutz berufen. Diese "Ausrede" soll nicht mehr gelten, weil eine Information der Volksvertreter juristisch gesehen auch dann keine Datenschutzverletzung darstellt, wenn dabei personenbezogene Daten veröffentlicht werden.

Veränderungen gibt es auch beim Datenverarbeitungsregister (DVR), in das alle Datenverarbeitungen eingetragen werden müssen. In Zukunft entfällt in den meisten Fällen die inhaltliche Prüfung der Registrierung durch die Datenschutzkommission. Gleichzeitig sollen Eintragungen nur noch auf elektronischem Weg mit der Bürgerkarte erfolgen. Kritiker sehen darin einen Versuch der Regierung, die Verbreitung der Bürgerkarte mit Druck zu erhöhen. Bislang wird die Bürgerkarte in Österreich kaum angenommen und eingesetzt. (Daniel AJ Sokolov) / (pmz)