Bush-Regierung stellte NSA-Lauschprogramm über die US-Verfassung

Die Obama-Administration hat eine Reihe bislang geheimer Dokumente der Vorgängerregierung veröffentlicht, denen zufolge diese unter anderem das verbriefte Schutzrecht für US-Bürger vor staatlichen Übergriffen nicht auf das Militär bezog.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 120 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.

Die neue US-Regierung unter Barack Obama hat eine Reihe bislang geheim gehaltener Dokumente der Vorgängeradministration aus den Jahren 2001 bis 2003 über Befugnisse staatlicher Stellen im "Krieg" gegen Al-Qaida und den islamistischen Terrorismus veröffentlicht. Es handelt sich dabei um Analysen des rechtswissenschaftlichen Dienstes (Office of Legal Counsel) des US-Justizministeriums. Teil des freigegebenen Materials ist eine Studie (PDF-Datei) vom Oktober 2001 für den damaligen Ressortchef Alberto Gonzales und den früheren US-Präsidenten George W. Bush zu den Einsatzmöglichkeiten des Militärs zur Bekämpfung terroristischer Aktivitäten. Tenor der 37-seitigen Untersuchung ist es, dass militärische Operationen gegen Terroristen nicht dem Grundrechtsschutz der US-Verfassung unterlägen.

Solange bewaffnete Kräfte eine militärische Funktion ausüben, heißt es in der Schlussfolgerung der erst im Oktober 2008 in Regierungskreisen hinterfragten Einschätzung, müssten sie die Beschränkungen des 4. Zusatzartikels zur Verfassung nicht im Auge behalten. Es geht darin um das verbriefte Schutzrecht für US-Bürger vor staatlichen Übergriffen etwa in Form von Hausdurchsuchungen oder Beschlagnahmungen. Sollten Gerichte zu der entgegen gesetzten Auffassung kommen, dass der Zusatzartikel doch greife, wären die meisten Militäroperationen laut der Analyse gegen Mitglieder von Terrornetzwerken und US-Bürger trotzdem durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerechtfertigt und damit rechtmäßig. Die militärischen Einsätze dürften dabei ausdrücklich auch "elektronische Überwachungsmethoden" umfassen, die "mächtiger und ausgefeilter" sind als die den Strafverfolgern offen stehenden Mittel.

Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) oder die American Civil Liberties Union (ACLU) sehen damit ihre Befürchtungen bestätigt, dass sich die US-Regierung unter Bush Blanko-Schecks für Eigenermächtigung ausgefertigt und ihre Überwachungsaktivitäten über die Verfassung gestellt habe. Dies beziehe sich vor allem auf das umstrittene, auf Richtergenehmigungen verzichtende Lauschprogramm der National Security Agency (NSA), da der technische US-Geheimdienst dem Pentagon untergeordnet sei. Schon 2006 läuteten bei der EFF etwa die Alarmglocken, als das Justizministerium öffentlich erklärte, dass es sich beim Abhören der Kommunikation "des Feindes" ohne richterliche Anordnung in bewaffneten Konflikten um ein klassisches Beispiel für den verfassungsgemäßen Einsatz militärischer Gewalt zur Bekämpfung des Terrorismus handele. (Stefan Krempl) / (pmz)