Die Große Koalition und die NSA-Affäre: "Schland-Netz", Verschlüsselung, IT-Sicherheitsgesetz

Die Arbeitsgruppe Inneres und Recht von CDU/CSU und SPD möchte sicherstellen, dass europäische Provider ihre Verbindungen zumindest in der EU verschlüsseln und Daten national oder europäisch routen. Der Einsatz von Staatstrojanern soll präzisiert werden.

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Die Arbeitsgruppe Inneres und Recht im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD möchte sicherstellen, dass europäische Provider ihre Kommunikationsverbindungen zumindest in der EU sicher verschlüsseln. Zudem sollen Telekommunikationsanbieter mit Sitz in einem Mitgliedsstaat ihre Daten nicht mehr an ausländische Nachrichtendienste weiterleiten dürfen.

Dies sind zwei Forderungen aus dem heise online vorliegenden Ergebnispapier des Gremiums vom Mittwoch, mit dem die geplante große Koalition "Konsequenzen aus der NSA-Affäre" ziehen will.

Konservative und Sozialdemokraten wollen überdies für eine europäische Cyber-Sicherheitsstrategie eintreten und "Maßnahmen zur Rückgewinnung der technologischen Souveränität ergreifen. In diesem Zusammenhang begrüßten sie auch die derzeit unter den Stichworten "Schland-" oder "Schengen-Netz" kontrovers diskutierten "Angebote eines nationalen beziehungsweise europäischen Routings".

Schaffen wollen die möglichen Koalitionäre zudem ein IT-Sicherheitsgesetz mit "verbindlichen Mindestanforderungen" für kritische Infrastrukturen. Damit einhergehen soll eine Pflicht zur Meldung "erheblicher IT-Sicherheitsvorfälle", was Branchenverbände wie der Bitkom ablehnen. Zur Wahrung der digitalen Souveränität sei der Einsatz national entwickelter IT-Sicherheitstechnologien bei den Bürgern zu fördern.

International streben die Gesprächspartner ein "Völkerrecht des Netzes" an, "damit die Grundrechte auch in der digitalen Welt gelten". So soll das Recht auf Privatsphäre, das im UN-Pakt für bürgerliche und politische Rechte garantiert ist, an die Bedürfnisse des digitalen Zeitalters angepasst werden. Bei den Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wollen die drei Parteien auf ein "hohes Datenschutzniveau" achten.

Ferner halten die Innen- und Rechtspolitiker fest, dass die geplante EU-Datenschutzverordnung "zügig weiter verhandelt und schnell verabschiedet werden muss", um europaweit ein einheitliches Niveau zum Sichern der Privatsphäre der Bürger zu garantieren. Die einschlägigen strengen deutschen Standards gerade auch beim Datenaustausch zwischen Bürgern und Behörden seien dabei zu bewahren. Die Grundsätze der Zweckbindung, der Datensparsamkeit und -sicherheit, der Einwilligungsvorbehalt, das Recht auf Löschen und auf Datenportabilität müssen mit der Verordnung ebenfalls aufrecht erhalten bleiben.

Um die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr effektiver zu gestalten, sollen die rechtlichen Vorschriften für den Einsatz von Staatstrojanern im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung "rechtsstaatlich präzisiert" werden. Damit möchten die Innenexperten "unter anderem" das Bundeskriminalamt (BKA) bei seiner Aufgabenerfüllung unterstützen. Der Trojanereinsatz durch andere Polizeibehörden ist noch heftiger umstritten. Nach wie vor keine Einigung erzielen konnten die Verhandlungsführer in der Frage der Neueinführung der Vorratsdatenspeicherung, die in der "Großen Runde" weiter behandelt werden soll.

Allgemein möchte die Runde das Strafrecht an das digitale Zeitalter anpassen, "Schutzlücken" schließen und die bisher verstreut geregelten "datenbezogenen" einschlägigen Vorschriften systematisieren. "Wir verbessern den strafrechtlichen Schutz vor Beleidigungen in sozialen Netzwerken und Internetforen (Cybermobbing)" heißt es weiter, "da die Folgen für die vor einer nahezu unbegrenzten Öffentlichkeit diffamierten Opfer besonders gravierend sind". Eine zentrale Meldestelle für Phishing und ähnliche Delikte soll die Prävention verbessern und Ermittlungen erleichtern.

Die umkämpfte Passage zum Urheberrecht und zur Providerhaftung hat die Gruppe noch leicht verändert. Recht offen hält sie zunächst fest, dass zum effektiveren Schutz von Markeninhabern, Urhebern und anderen Kreativen im Netz der Ausbau "verbindlicher europäischer und internationaler Vereinbarungen" angestrebt werden sollen.

Als wesentlichen Beitrag zum Schutz der Verbraucher und zum Eindämmen massenhafter Rechtsverletzungen sehen Union und SPD die Diensteanbieter im Internet "stärker in der Verantwortung". Sie wollen die Rechtsdurchsetzung insbesondere auch gegenüber Plattformen verbessern, "deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut". Solche Diensteanbieter sollen sich "nicht länger auf das Haftungsprivileg, das sie als sogenannte Hostprovider genießen, zurückziehen können und insbesondere keine Werbeeinnahmen mehr erhalten".

Im Kampf gegen Urheberrechtsverstöße wollen die Partner auch "die Medienkompetenz der Internetnutzer stärken und sie besser in die Lage versetzen, zwischen legalen und illegalen Angeboten im Netz zu unterscheiden". Ob Provider etwa durch das Versenden von Warnhinweisen dabei mithelfen sollen, lässt der Satz offen.

Die potenziellen Koalitionäre wollen zudem die kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften ausbauen. Verhandlungen und Streitigkeiten über die Höhe der Privatkopievergütung sollen "schneller, effizienter und einfacher" gestaltet und eine "Hinterlegungspflicht für gesetzliche Vergütungsansprüche" eingeführt werden. Um die Position des Urhebers zu verbessern und Kreativen eine angemessene Vergütung zu ermöglichen, bedürfe es auch einer Überarbeitung des Urhebervertragsrechts. (jk)