Bundestagsfraktionen sehen sich durch Anhörung zum BKA-Gesetz bestätigt

Innenpolitiker der großen Koalition halten nach der Einbeziehung von Sachverständigen "Präzisierungen" für nötig, während die Opposition die Rücknahme des Entwurfs forderte und notfalls erneut in Karlsruhe klagen will.

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Innenpolitiker der großen Koalition halten nach dem Anhörungsmarathon zur Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) "Präzisierungen" für nötig. Der "gute Entwurf" der Bundesregierung müsse noch verfeinert werden, erklärte Dieter Wiefelspütz, innenpolischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Um aus der Vorlage ein "gutes Gesetz" zu machen, seien an mehreren Punkten wie dem Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung, der Benachrichtigungspflicht von überwachten Personen oder beim innerstaatlichen Transfer der gewonnenen Daten noch Feinjustierungen vorzunehmen.

Für Wiefelpütz' Kollegen bei der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl, hat sich gezeigt, dass "die überzogene Kritik am BKA-Gesetzentwurf haltlos ist". Eine andere Kontrolle des Kernbereichsschutzes sei aber denkbar. Zudem signalisierte der CSU-Politiker Entgegenkommen bei der vielfach geforderten Evaluation neuer geplanter Befugnisse wie heimlicher Online-Durchsuchungen oder der Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Bei der Befristung höre "der Spaß" jedoch auf. Schließlich lasse sich auch der internationale Terrorismus nicht befristen.

Die Koalitionsvertreter wollen sich nun in den nächsten Tagen zusammensetzen, um die Ergebnisse der Sachverständigenrunde zu sortieren und zügig den weiteren Ablauf zu besprechen. Wiefelspütz rechnet mit einer "Punktlandung" in zeitlicher Hinsicht, mit der das BKA-Gesetz bereits Anfang 2009 in Kraft treten könne.

FDP, Grüne und die Linke forderten die Koalition auf, den Entwurf zur Ausweitung der Kompetenzen des BKA zur Terrorismusbekämpfung zurückzuziehen. Nach Ansicht von FDP-Innenpolitiker Max Stadler werden die vorgeschlagenen Befugnisse zur Rasterfahndung, Wohnraumüberwachung oder für Online-Razzien nicht gebraucht. Die Landeskriminalämter hätten schon "aufgrund der bestehenden Gesetze hervorragende Arbeit geleistet". Er fürchte aber, "dass die große Koalition unbelehrbar sein wird. Dann werde wieder einmal das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zurückführen müssen.

"Nach überwiegender Meinung der Sachverständigen missachtet der Gesetzentwurf den Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung mithin die unantastbare Menschenwürde", ergänzte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz. Eine Regierung, die das Grundgesetz gering schätze, verspiele das Vertrauen der Menschen.

Auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer unterstrich das Vorhaben der Oppositionspartei, gegebenenfalls Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einzulegen. Der Gesetzentwurf sei "so nicht verfassungsmäßig". Für die Innenexpertin der Linken, Ulla Jelpke, haben die Sachverständigen "so zahlreiche Bedenken gegen die beabsichtige Ausweitung der BKA-Befugnisse erhoben, dass es unmöglich ein 'Weiter so' geben darf". Das Vorhaben drohe die Bürgerrechte massiv zu beschädigen. Das gelte vor allem für die Aufweichung des Informantenschutzes und die verdeckte Online-Durchsuchung.

In den Bundesländern stieß die Anhörung ebenfalls auf ein geteiltes Echo. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) appellierte an die Bundesregierung, die BKA-Reform zu korrigieren. Dass Strafverteidiger umfassend vor staatlicher Überwachung geschützt würden, Journalisten und Rechtsanwälte aber nur eingeschränkt, sei ein sachlich unbegründetes "Zweiklassenrecht". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wolle eine "allmächtige Bundespolizei" schaffen. "Wir brauchen aber keine Mammutbehörde, sondern eine zukunftsfähige Länderpolizei mit regionalen und lokalen Bezügen." Laut Wolf würden die Präventivbefugnisse des BKA mit der Ausforschung informationstechnischer Systeme – die der Liberale in NRW als Erstes vorantrieb und damit vor dem Bundesverfassungsgericht Schiffbruch erlitt – sowie mit der präventiven Telefonüberwachung so erweitert, dass das Trennungsprinzip zwischen Geheimdiensten und Polizei "weitgehend aufgehoben wird".

Dem niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann reichen die geplanten Befugnisse dagegen nicht aus. "Es ist eine klare Regelung nötig, damit BKA-Beamte auch heimlich die Wohnung betreten dürfen", befand der CDU-Politiker. Dies gelte insbesondere für die technische Vorbereitung der heimlichen Online-Durchsuchung, aber auch bei anderen Ermittlungsarten. Er kündigte an, den verdeckten Zugriff auf IT-Systeme im Landespolizeigesetz verankern zu wollen.

Die Gewerkschaft der Polizei warb um einen Vertrauensvorschuss für die vorgesehene engere Zusammenarbeit von BKA und Landespolizeien im Bereich der Gefahrenabwehr in der Öffentlichkeit. Die Ermittler würden ihre Instrumente gezielt einsetzen, um Bürger vor Terroranschlägen zu schützen. Er habe durchaus Verständnis für bestehende Ängste in der Bevölkerung. Kritikern, die der Polizei bei jeder Gelegenheit Datensammelwut unterstellten, sei jedoch vehement zu widersprechen.

Medienverbände und Bürgerrechtsorganisationen hielten an ihrer Kritik fest. Der Entwurf entziehe in der Tat Journalisten den Schutz, "den sie bei ihren Recherchen unbedingt brauchen", monierte der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Michael Konken. Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung befürchtete, dass "der Bundestag nur an Details herumdoktert, aber nicht die grundsätzlichen Fragen zum Trennungsgebot und zum Kernbereichsschutz deutlich und kritisch behandelt". Er rief die Bürger auf, am 11. Oktober in Berlin gegen den "Überwachungswahn" zu demonstrieren.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)