Jein der großen Koalition zu Reform des Telemediengesetzes

Vertreter von Schwarz-Rot gestanden bei einer Debatte im Bundestag zwar ein, dass vor allem die Haftungsregeln für Online-Anbieter dringend überarbeitet werden müssten, lehnten entsprechende Anträge der Opposition aber ab

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Die große Koalition will sich bei der vielfach geforderten Novellierung des umstrittenen Telemediengesetzes (TMG) weiter Zeit lassen. Vertreter von Schwarz-Rot gestanden bei einer Debatte im Bundestag am gestrigen Donnerstag zwar ein, dass vor allem die Haftungsregeln für Online-Anbieter dringend überarbeitet werden müssten, sie wiesen entsprechende Anträge von FDP, Grünen und den Linken (PDF-Datei) aber zunächst ab. Es sei an der Zeit, das "zentrale Gesetz für die Internetwirtschaft" zu überarbeiten, brachte Martina Krogmann von der CDU die Haltung der Koalition auf den Punkt. Dabei müssten die bei der Verabschiedung mit Rücksicht auf Brüssel bewusst offen gelassenen Lücken geschlossen werden. Es sei nun klar, dass eine Reform der E-Commerce-Richtlinie vom Tisch sei und so "von EU-Ebene nichts kommt".

Das bei der Diskussion personell nicht vertretene Wirtschaftsministerium arbeitet Krogmann zufolge aber nach langem Zögern inzwischen "mit Hochdruck an der Überarbeitung des Telemediengesetzes". Dem wolle die Koalition derzeit nicht mit einem eigenen Entwurf vorgreifen. Handlungsbedarf sah die Unionspolitikerin vor allem bei den Haftungsregeln und den "Verantwortlichkeiten im Internet für Inhalte, die von Dritten eingestellt werden". Dies betreffe Zugangsanbieter, aber auch Forenbetreiber, Online-Auktionshäuser, Suchmaschinenbetreiber oder Anbieter von Hyperlinks.

Krogmann monierte weiter, dass sich mittlerweile eine Rechtsprechung etabliert habe, "die widersprüchlich und für die Unternehmen daher schwer zu kalkulieren ist. Es herrscht also Rechtsunsicherheit". Konkret bezog sie sich auf Urteile, die den Betreibern von Internetauktionen eine "zumutbare Prüfung" angebotener Artikel wie Luxusuhren auferlegen. Die Anbieter dürften aber "nicht mit unerfüllbaren, unpraktikablen und unverhältnismäßigen Verantwortungsregeln belastet werden". So müsse es bei den Zugangsanbietern bei der Linie bleiben, dass sie übertragene Daten nicht kontrollieren müssen. Zudem sei sicherzustellen, "dass es auch bei den Hostprovidern keine generellen Vorabprüfungen gibt". Gleiches müsse für Suchmaschinenbetreiber gelten. Auch dürfe es keine Pflicht beim Setzen von Links geben, ständig auf den verwiesenen Seiten nach dem Rechten zu sehen.

Überzogen seien aber die Forderungen der Linken und der Grünen zum Datenschutz, insbesondere zum uneingeschränkten Koppelungsverbot. Dabei gehe es darum, dass etwa ein kostenloser Dienst nicht mit einem Einverständnis für den Empfang von Werbemails verknüpft werden darf. Dies würde für Krogmann aber bedeuten, "dass wir im Netz bald keine kostenlosen Angebote mehr haben". Zudem verwies sie auf das Prinzip der Vertragsfreiheit. Es werde niemand gezwungen, Dienste zu nutzen und dafür persönliche Daten freizugeben.

Hans-Joachim Otto von der FDP mahnte: "Wenn jetzt von der Bundesregierung keine Änderungen vorgelegt werden, dann wird in dieser Legislaturperiode nichts mehr passieren." Die Konsequenzen wären "katastrophal", da die gesamte Informations- und Telekommunikationsbranche einem "erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit ausgesetzt ist". Einige Betreiber hätten sich etwa gezwungen gesehen, Kommentarfunktionen gleich ganz abzuschalten. Onlineportale wie heise.de seien gezwungen, die in dortigen Foren pro Monat rund 200.000 eingehenden Kommentare zu kontrollieren. Dies bedeute auch eine "nicht hinnehmbare Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit". Der Liberale erinnerte die Koalition an ihre Zusage, die offenen Punkte "zeitnah und umgehend" in Angriff zu nehmen. Ferner müsse auch die zerklüftete Aufsichts- und Regulierungslandschaft über die Medien hierzulande neu geordnet werden.

"Sie lassen Tausende Betreiber und Betreiberinnen von Webseiten, Blogs, Foren und anderen Onlinediensten bei der Frage der Haftung allein", mahnte auch Lothar Bisky von den Linken die Koalition zur Eile. Das bisherige Telemediengesetz sei hinsichtlich der Rechtssicherheit das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Auch der Datenschutz komme zu kurz. Die Linksfraktion poche hier etwa auf ein explizites "Recht auf Anonymität im Internet".

Für die Grünen bemängelte Nicole Maisch, dass im Gesetz schon eine Definition dessen fehle, was überhaupt ein Telemedium sei. Unklar bleibe etwa, ob ein Online-Magazin mit dem Angebote von Videoclips Rundfunk betreibe. Zudem habe das Gesetz zu Verschlechterungen beim Datenschutz geführt, in dem es etwa eine "unbegrenzte" Herausgabe von Bestandsdaten für die Gefahrenabwehr im Bereich der polizeilichen Vorbeugung und zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum zulasse. Auch der Verbraucherschutz sei mangelhaft, etwa bei den Möglichkeiten zur Verfolgung von Spammern.

Klaus Barthel von der SPD warnte vor Schnellschüssen und konnte keine Gefahren für eine Doppelregulierung bei Telemedien, Telekommunikation und Rundfunk erkennen. Auch bei den verwirrenden Informationspflichten der Anbieter sehe seine Fraktion wenig Änderungsanforderungen. Das TMG habe sich "im Großen und Ganzen bewährt". Handlungsbedarf bestehe aber bei Fragen der Verantwortung und Haftung von Diensteanbietern. Letztlich stimmte der Bundestag die Anträge der Oppositionsparteien mit der Mehrheit der großen Koalition nieder, auch wenn Barthel die Übernahme einiger Punkte daraus in die Regierungspläne in Aussicht stellte. (Stefan Krempl) / (jk)