Bundestag wählt Voßhoff zur Bundesdatenschutzbeauftragten – Zweifel an ihrer Eignung

Mit den Stimmen der großen Koalition hat der Bundestag die CDU-Rechtspolitikerin Andrea Voßhoff zur neuen Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gewählt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 97 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Mit den Stimmen der großen Koalition hat der Bundestag am Donnerstag erwartungsgemäß die CDU-Rechtspolitikerin Andrea Voßhoff zur neuen Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gewählt. Sie ist die erste Frau in diesem Amt. 403 Abgeordnete votierten für die im niedersächsischen Emsland geborene konservative Juristin, 151 gegen sie bei 31 Enthaltungen.

Voßhoff erklärte nach ihrer Wahl, sie empfinde die neue Aufgabe als "große Herausforderung". Es werde ihr vor allem darum gehen, den "Bürgerdatenschutz" im digitalen Zeitalter neu zu fassen und gegebenenfalls auch anzupassen. Dabei werde sie gegebenenfalls den "einen oder anderen Schwerpunkt anders setzen" als ihr Vorgänger Peter Schaar, der in den vergangenen zehn Jahren im Amt seinem Ruf als Bürgerrechtler meist treu geblieben war.

Voßhoff tritt so ein schweres Erbe an. Die 55-jährige Juristin hatte als Rechtsexpertin der CDU/CSU-Fraktion "eine schnelle und wirksame gesetzliche Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung" als "dringend notwendig" erachtet. Sie hatte sich unter anderem auch für heimliche Online-Durchsuchungen und Websperren ausgesprochen. Bei der Bundestagswahl im September verlor sie ihren Wahlkreis in Brandenburg an den SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier.

Kritik an ihrer Befähigung zu dem Amt "nehme ich entgegen", sagte Voßhoff. Ihre Ausbildung als Rechtsexpertin könne aber wohl "nicht von Nachteil sein". Die NSA-Affäre schätze sie als "großes Problem" ein, das vor allem auf internationaler Ebene zu lösen sei. Weiter wollte sie sich inhaltlich zunächst nicht zu möglichen Positionen äußern: Sie komme nun in eine Behörde mit qualifizierten Mitarbeitern, denen sie erst zuhören und von ihnen lernen wolle. Auch Gespräche mit anderen Fachleuten seien geplant.

Die Linksfraktion hatte zu Beginn der Sitzung beantragt, die Wahl von der Tagesordnung abzusetzen. "Wir brauchen eine neue Ära von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten", sagte der Fraktionsvize Jan Korte von der Oppositionsgruppe. Dem Bundesbeauftragten komme dabei Schlüsselstellung zu. Es sei daher besser, über die Fraktionsgrenzen hinweg zu schauen, "ob wir nicht gemeinsamen Kandidaten finden", der das wichtige Amt "fachlich ausfüllen kann". Auch müsse die Behörde endlich "völlig unabhängig" und aus dem Bundesinnenministerium herausgelöst werden.

Voßhoff sei zwar eine "integre Person", führte Korte aus. Sie habe aber mehrere, teils vom Bundesverfassungsgericht kassierte Überwachungsgesetze unterstützt und dafür plädiert, die Befugnisse der Geheimdienste auszuweiten.

Für die Grünen konstatierte Britta Haßelmann, dass auch ihrer Fraktion der Personalvorschlag nicht passe: "Wir fragen uns, was Frau Voßhoff für den Datenschutz qualifizieren soll." Die seit Montag vakante Stelle dürfe aber nicht länger unbesetzt bleiben. Durch den NSA-Skandal müsse höchste Priorität haben, die Datenschutzrechte zu wahren. Als "peinlich" bezeichnete es die Oppositionspolitikerin, dass Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Schaar nicht kommissarisch im Amt gelassen habe.

"Wir müssen sprachfähig sein über einen Datenschutzbeauftragten", befand auch Christine Lambrecht im Namen der SPD-Fraktion. Sie zeigte sich überzeugt, dass die neue Beauftragte "politisch unabhängig agieren" werde; dafür müsse sie nicht parteilos sein. Michael Grosse-Bröhmer von der CDU/CSU-Fraktion, die Voßhoff ins Spiel gebracht hatte, verteidige die neue Amtsinhaberin als "sehr renommierte Kollegin". Sie habe bereits unter Beweis gestellt, "dass sie auch datenschutzrechtlich in der Lage ist, nüchtern zu analysieren". Es handle sich um eine "gute und richtige Kandidatin für dieses Amt".

Von Bürgerrechtsorganisationen hatte es vorab scharfe Proteste gegen die Personalie gehagelt. Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) zeigte sich "entsetzt" über den Vorstoß. Datenschutz sei der großen Koalition offenbar so unwichtig, dass das Amt "zur Versorgung einer erfolglosen Parteipolitikerin und Ex-Hinterbänklerin herhalten" müsse. Die SPD müsse sich fragen lassen, wieso sie einer Kandidatin zugestimmt habe, "für die Grundrechte im Internet verzichtbar scheinen".

Für den Verein DigitalCourage demonstriert große Koalition mit der Entscheidung ihren Unwillen, die NSA-Affäre ernst zu nehmen. Gerade bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen "brauchen wir niemanden, der Regierungsentscheidungen abnickt, sondern eine wirksame Kontrollinstanz für den Datenschutz".

Der auf Internetrecht spezialisierte Anwalt und Blogger Thomas Stadler monierte, dass Schwarz-Rot "ganz gezielt nicht nach jemand mit Fachwissen Ausschau gehalten" habe. Man wolle auf diesem Posten offenbar einen "unbequemen Mahner und Kritiker" wie Schaar vermeiden. Stattdessen werde die Position "mit einer fachfremden, aber dafür zuverlässigen Parteisoldatin" besetzt. Auch so werde "für eine weitere Erosion der Bürgerrechte" gesorgt.

Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert hatte es vorab gegenüber dem rbb als "irritierend" empfunden, dass Voßhoff sich in der Vergangenheit nicht engagiert gezeigt habe in Sachen Datenschutz und sogar eher dagegen Position bezogen habe: "Aber ich würde ihr da alle Chancen geben, sich als Grundrechtsverteidigerin zu profilieren." (anw)