NSA-Enthüllungsjournalist Greenwald an Hacker: "Die Macht liegt in Euren Händen"

Der Kampf um die Internetfreiheit werde vom Know-how und den Fähigkeiten der Hackergemeinde entschieden, unterstrich NSA-Enthüllungsreporter Glen Greenwald als Hauptredner auf dem 30. Chaos Communication Congress 30C3.

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Der Enthüllungsreporter und Vertraute des NSA-Whistleblowers Edward Snowden Glen Greenwald hielt, per Skype zugeschaltet, die Eröffnungsrede auf dem 30C3.

Der Kampf um die Internetfreiheit werde vor allem vom Know-how und den technischen Fähigkeiten der Hackergemeinde entschieden, unterstrich Glen Greenwald am Freitagabend als Hauptredner des 30. Chaos Communication Congress (30C3) in Hamburg. "Die Macht liegt in Euren Händen", erklärte der über Skype per Videoübertragung zugeschaltete Enthüllungsreporter und Vertraute des NSA-Whistleblowers Edward Snowden. Die Sicherheitsexperten und Tüftler müssten abwägen, ob sie mit ihren Talenten die Privatheit und den Datenschutz stärken oder Geheimdiensten und mit ihnen kooperierenden Firmen in die Hände spielen wollten.

Seine größte Hoffnung auf ernsthafte Hindernisse für den Überwachungsstaat "liegt in diesem Raum", wandte sich der Enthüllungsjournalist an die zahlreich versammelten Hacker im großen Saal des Kongresszentrums der Hansestadt. Diese sollten Grenzen austesten und ihrer Kreativität beim Entwickeln von Hard- und Software freien Lauf lassen.

Darüber hinaus ist es für Greenwald auch denkbar, dass Gerichte staatliche Überwachungsbefugnisse einschränken, von den Spitzelaktivitäten besonders betroffene Länder alternative Kommunikationsstrukturen entwickeln oder große Internetfirmen aus wirtschaftlichen Interessen ihre "Kollaboration mit dem Regime" in den USA infrage stellen. Am wichtigsten sei aber wohl der technische Selbstschutz der Nutzer, der die Kosten für die Massenbespitzelung erhöhe. An die Selbstreinigungskräfte staatlicher Instanzen etwa über Untersuchungsberichte glaube er nicht.

Greenwald freute sich in diesem Sinne darüber, dass vielen Internetanwendern sechs Monate nach dem Aufdecken zentraler Aspekte des Spionageskandals die Bedeutung von Verschlüsselungstechnik oder Anonymisierungswerkzeugen deutlicher geworden sei. Insgesamt sei die internationale Allianz für Bürgerrechte und für den Erhalt der Privatsphäre viel größer, als sie von direkt Beteiligten oft wahrgenommen werde. Er dankte insbesondere Whistleblowern wie Snowden oder Chelsea Manning für ihren aufopfernden Einsatz, da sie damit letztlich Kontrollaufgaben der Parlamente und der Presse mit übernommen hätten.

Die US-Regierung will laut dem in Brasilien lebenden Reporter im Fall Snowdens nur ein Ergebnis: den früheren NSA-Zuarbeiter für Jahrzehnte hinter die Gitter einer Isolationszelle bringen. Washington könne dem vorübergehend in Russland Asyl Genießenden kein normales Leben mehr erlaben, um nicht noch mehr Nachfolger zu ermutigen. Parallel führe das Hochschrauben der Geheimniskrämerei und die zunehmende staatliche Undurchsichtigkeit in den Vereinigten Staaten aber paradoxerweise dazu, dass noch mehr Alarmgeber ermutigt würden, gegen den hohen Grad an Machtmissbrauch vorzugehen.

Wie jüngst vor dem EU-Parlament machte Greenwald anderen Regierungen Vorwürfe, Empörung über die überbordenden Spitzeleien nur zu inszenieren und sich nicht für Snowden stark zu machen. Den "Mainstream-Journalismus" in den USA und Großbritannien geißelte er dafür, die Staatsautorität und Machtbefugnisse nicht zu hinterfragen. Der Autor, der inzwischen mit Geld des eBay-Gründers Pierre Omidyar ein neues Online-Medienunternehmen aufbaut, kündigte noch "viel mehr Berichte" über das Treiben westlicher Geheimdienste an: "Wir werden nicht auf Dokumenten sitzen bleiben, die einen gewissen Nachrichtenwert haben."

Auf Nachfrage versicherte Greenwald Bürger den Datenreisenden, dass auch er an "radikale Transparenz" und Wikileaks glaube. Das hinter der Enthüllungsplattform stehende Team habe Snowden bei seiner Flucht aus Hongkong maßgeblich geholfen. Es gebe aber verschiedene Strategien, Informationen öffentlich zu machen. Er und seine Mitstreiterin, die Dokumentarfilmerin Laura Poitras, hätten ihrer Quelle versprochen, etwa keine Details zu veröffentlichen, mit denen andere Staaten ihre Überwachungsfähigkeiten ausbauen könnten. Die Hacker zollten dem gelernten Rechtsanwalt nach einer knappen Stunde mit Standing Ovations Respekt. (jk)