Wirtschaftsminister hat Gesetzentwurf zu Kinderporno-Sperren schon fertig

Noch am Tag des Kabinettsbeschlusses von Eckpunkten zu einer gesetzlichen Regelung für die Blockade kinderpornographischer Webseiten hat Wirtschaftsminister zu Guttenberg bereits einen Entwurf zur Änderung des Telemedienrechts zur Hand.

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Die Union macht weiter Dampf bei der geplanten Blockade kinderpornographischer Webseiten: Noch am Tag des Kabinettsbeschlusses von Eckpunkten zu einer gesetzlichen Regelung für die vor allem von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) geforderten Blockaden hat Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nach eigenen Angaben bereits einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) den anderen Ressorts vorgelegt. Der CSU-Politiker drückte seine "feste Überzeugung" aus, dass eine entsprechende Novellierung noch in dieser Legislaturperiode möglich sei. Er wolle mit dem Vorstoß aber auch die Initiative ergreifen, um die Verhandlungen über Verträge mit Providern zu "freiwilligen" Blockaden auf sichere Füße zu stellen.

Ein Sprecher von Hansenet wies derweil gegenüber heise online die Behauptung von der Leyens zurück, dass der Zugangsanbieter kurz vor Vertragsabschluss stehe: "Die Diskussionen sind noch nicht abgeschlossen." Es gebe noch zwei bis drei ernsthafte Knackpunkte zu klären. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher der Deutschen Telekom.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hartmut Koschyk, vertrat im Gegensatz zu Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) mit zu Guttenberg die Meinung, dass kein Spezialgesetz für die Verpflichtung aller Provider nötig sei. Eine Änderung des Telemediengesetzes sei ausreichend. Der medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Börnsen, und der Justiziar der Union, Günter Krings, begrüßten zudem im Vorfeld einer aktuellen Stunde zur Bekämpfung von Kinderpornographie im Parlament am Donnerstag, dass das Eckpunktepapier auf rechtliche Spitzfindigkeiten verzichte und den einzig vertretbaren Weg weise: "Im Internet haben die Schänder keinen Platz." Auch im Cyberspace habe die Freiheit ihre Grenzen, hinterfragten sie zugleich indirekt einen auf Kinderpornographie begrenzten Ansatz: Auch Rassismus und Gewaltverherrlichung, Volksverhetzung oder Nazi-Propaganda dürften im Netz nicht geduldet werden.

Zweifel an der Wirksamkeit einer Sperrung von Internetseiten mit Kinderpornographie hat dagegen der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech angemeldet. Der CDU-Politiker äußerte die Vermutung, dass gesetzliche Verbote wenig ausrichten könnten. Er brachte stattdessen internationale Standards zu einem Vorgehen gegen Kinderpornographie ins Spiel. Rechs hessischer Kollege Volker Bouffier (CDU) befürwortete den Kabinettsbeschluss.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat mittlerweile einen Beschluss (PDF-Datei) "für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung im Internet" gefasst. Damit setzt sie sich für eine zügige Umsetzung von Zugangserschwernissen zu ausländischen Kinderporno-Seiten ein, um "den sich ausbreitenden kommerziellen Markt" zu stören. Zugleich drängt sie aber auf eine klare gesetzliche Grundlage, zu der sie einen eigenen Fraktionsentwurf vorlegen will. Bevor diese Norm in Kraft trete, wollen sich die Sozialdemokraten auch mit einer "untergesetzliche Lösung" etwa auf Vertragsbasis anfreunden. Eine solche müsste aber "ebenfalls verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen".

Die Grünen forderten ebenfalls "eine saubere gesetzliche Lösung" und bezeichneten die Absprachen mit den Zugangsanbietern über schnelle Sperrungen als "dubiose Vereinbarungen". Die Linksfraktion kritisierte das geplante Gesetz als "Einfallstor für die nationale Zensur des Internets". Wer den Dschungel der Kinderpornographie roden wolle, müsse die Bäume fällen und nicht nur das Unterholz auslichten.

Der Dresdner Datenschutzrechtler Andreas Pfitzmann bezeichnete im Einklang mit einer Vielzahl von bereits im Bundestag gehörten Experten die Pläne von der Leyens als "weitestgehend wirkungslos". Wer wirklich an Kinderpornographie kommen wolle "und nicht mal aus Versehen auf eine Seite tappt", werde trotz der Sperren weiterhin vollen Zugriff auf solche Inhalte haben, sagte er im rbb-Sender Radio Eins. "Die Ressourcen, die gebunden werden durch diese technisch völlig unsinnige Diskussion, sind eine Riesen-Verschwendung." Sebastian von Bomhard, Vorstand des Münchner Providers Spacenet, verwies auf die große Gefahr, dass die Blockaden bald etwa auch gegen Bombenbau-Anleitungen oder Glücksspiele eingesetzt werden könnten: "Zensur wird wieder salonfähig."

Scharf kritisierte ferner der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG) in einer Mitteilung (PDF-Datei) das geplante Vorgehen: Aus anderen Ländern mit Filterlisten gegen Kinderpornographie sei bekannt, dass fast alle gesperrten Seiten aus USA, Kanada, Australien und Europa einschließlich Deutschland kämen. Die Bundesregierung müsse sich daher fragen, ob alles unternommen werde, das Übel an der Wurzel zu packen. In der Mehrheit würden die Sperrlisten zudem rechtmäßige Angebote enthalten. Es gehe folglich um die Etablierung eines "umfangreichen Filter-Systems für beliebige Inhalte" und damit verknüpfte tiefe Eingriffe in die Grundrechte. Der Sicherheitsexperte Christoph Fischer bezeichnete den Kabinettsbeschluss im "Tagesspiegel" als "wilden Aktionismus, der mehr schadet als er nützt". Die größte Gefahr sei, dass die schwarze Liste in Umlauf gerate und in der Szene wie ein Bookmark-Verzeichnis getauscht werde.

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(Stefan Krempl) / (pmz)