Europäischer Datenschutztag: "Verschlüsselung ist nicht tot"

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern sucht auf einer Tagung nach Möglichkeiten zum "menschenrechtlichen Einhegen der Nachrichtendienste in Zeiten von Big Data". Die Kontrolleure wollen den Instrumentenkoffer nachjustieren.

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Johannes Caspar, der neue Vorsitzende der Konferenz der staatlichen Datenschützer in Deutschland, hat eine "Entgrenzung der Überwachung" durch Geheimdienste und Wirtschaft kritisiert. Seit den ersten auf den NSA-Whistleblower Edward Snowden zurückgehenden Enthüllungen im Sommer 2013 sei klar, dass sich westliche Dienste über das System demokratischer Kontrolle gestellt hätten und ihre im großen Stil
gesammelten Informationen untereinander austauschten, erklärte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte am Dienstag im Vorfeld der zentralen Veranstaltung zum 8.Europäischen Datenschutztag unter dem Motto "Big Data für Bond 2.0" in Berlin.

Datenschützer diskutierten Auswege aus der allumfassenden Überwachung.

(Bild: Stefan Krempl)

Die Situation werde verschärft durch die Tatsache, dass Internetkonzerne ungehemmt Nutzerdaten sammelten und die Schlapphüte auch dieses gigantische Datenreservoir anzapften. "Wir müssen dem etwas entgegenstellen, wenn wir nicht unsere rechtsstaatlichen Mechanismen im Bereich der Kommunikation verspielen wollen", gab Caspar als Parole aus. Es gehe um die Aufrechterhaltung der "digitalen Grundrechte". Zu diesen gehöre es, sich informieren und kommunizieren zu können, "ohne dass man anlasslos und unverhältnismäßig ausspioniert wird".

Datensauger an die Kandare nehmen

Den Datenschützern selbst sind freilich weitgehend die Hände gebunden. "Wir können nur beraten und mahnen", räumte der Hamburger ein. Seine Bremer Kollegin Imke Sommer sieht aber die Chancen gut für eine politische Koalition, die Geheimdienste stärker an die Kandare nehmen möchte. Den Schulterschluss könne man etwa über den Aufhänger hinbekommen, dass mit den von staatlichen Aufklärern gesammelten Informationen auch Wirtschaftsspionage im großen Stil betrieben werde.

Generell muss laut Sommer die Frage lauten: "Wer darf welche Datenberge anhäufen und wer darf sie nutzen?" Rückenwind verspürt die Bremerin etwa durch die starken Zweifel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), ob Verbindungs- und Standortdaten aus der Telekommunikation überhaupt zur Terrorismusbekämpfung geeignet sind. In den USA habe sich zudem herausgestellt, dass die NSA mit ihrer massiven Netzüberwachung keinen einzigen Anschlag habe verhindern können.

In der Wirtschaft müssten ferner stärkere internationale Abkommen her, um den Datenfluss zwischen Unternehmen zu begrenzen, unterstrich Caspar. Der Safe-Harbor-Vertrag sei dringend in diesem Sinne zu überarbeiten. Für die datenhungrigen Online-Dienste von Facebook, Google und Co wünscht sich der Experte Alternativangebote, die eventuell öffentliche Rundfunkanbieter mit Gebührengeldern aufbauen und dabei den Informationsgehalt in den Vordergrund stellen sollten. Eine Nutzerverfolgung sei dabei auszuschließen.

Verschlüsselung für die Zivilgesellschaft

Marit Hansen, stellvertretende Landesbeauftragte für den Datenschutz Schleswig-Holstein, lenkte den Fokus auf technische Ansätze zum Sichern der Privatsphäre. Das Netz könne etwa nicht mehr demokratische Beteiligungschancen bieten, wenn gleichzeitig ein großer Datenstaubsauger an alle Informationen herankomme. "Verschlüsselung ist nicht tot", warb sie dafür, kryptographische Schutzverfahren endlich im großen Stil "mit Leben zu füllen". Dabei sollte der öffentliche Sektor in Europa genauso zum Vorreiter werden wie etwa beim Einsatz von Anonymisierungssoftware.

"Was wir an Verschlüsselungsmöglichkeiten haben, ist bestenfalls als rudimentär zu bezeichnen", gab der ORF-Autor Erich Möchel dagegen zu bedenken. Das Internet sei in seinen Ursprüngen vom Militär entwickelt worden, für die Allgemeinheit seien entscheidende Sicherheitsebenen aber nie eingezogen worden, monierte der Österreicher. Man müsse sich nun vor Augen stellen, dass die Zivilgesellschaft auf dieser schlechten Ausgangsbasis nun online über die NSA und ihre Partner von einem Komplex "mit militärischen Mitteln" angegriffen werde. Mit im Boot säßen dabei private Vertragsfirmen wie Booz Allen Hamilton oder der Computer Sciences Corporation (CSC), die von früheren Geheimdienstmitarbeitern unterwandert seien und die die Regierung hierzulande trotzdem als Berater engagiere.

Parallel machte Möchel in Deutschland "die feinste Ansammlung von Open-Source-Technikern in der ganzen Welt" aus. Die von diesen entwickelten Programme und Systeme müssten mit etwas staatlicher Unterstützung "nur weiterentwickelt und angepasst werden". Dann stünde eine Maschine zur Verfügung, "die einem mittlerem militärischem Sicherheitsgrad entspreche" und Attacken besser standhalte. Bislang gelte aber offenbar auch für Berlin noch die Weisheit: "Der Weg in die Datensklaverei ist mit Bequemlichkeit asphaltiert."

Die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff hat sich parallel besorgt gezeigt, dass die hohen europäischen, grundrechtlich gebotenen Datenschutzstandards "durch die Tätigkeit ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland und Europa unterlaufen werden können". Dies sei vor allem deshalb problematisch, als es für den Einzelnen bislang keine angemessenen Möglichkeiten gebe, sich einer gegen unrechtmäßige Überwachung wehren zu können, sagte die CDU-Politikerin dem Tagesspiegel. (axk)