Netzneutralität: Bremsen US-Provider Netflix aus?

In den Netzen von Verizon und Comcast ist in letzter Zeit zu beobachten, dass die durchschnittliche Bandbreite für Videostreams von Netflix schwindet. Beide Provider sind erklärte Gegner der Netzneutralität. Zufall?

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In den USA sorgt derzeit ein beobachteter Tempoabfall bei Netflix-Streams an Anschlüssen der Netzbetreiber Verizon und Comcast für neuen Zunder in der Debatte um Netzneutralität. Beide Unternehmen bieten neben einem Internetzugang auch TV-Programme an, beide waren vor Gericht erfolgreich gegen Neutralitätsauflagen der US-Regulierungsbehörde. Man darf annehmen, dass ihnen Netzneutralität und Netflix ein Dorn im Auge ist.

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Für die wichtigsten Provider veröffentlicht Netflix seit November 2012 jeden Monat die Durchschnittsbandbreiten, mit denen die Streams beim Kunden ankommen. Für den US-Markt listet Netflix 17 Provider auf. Google Fiber liegt deutlich vorne und legt weiter zu. Im Januar ist Verizon DSL mit nur 0,97 Mbit/s erstmals Letzter. Die 17 ISP zeigen im Verlauf unterschiedlich starke Schwankungen. Auffallend ist, dass die Streams bei acht ISP in den vergangenen drei Monaten deutlich langsamer geworden sind. Bei Comcast ist die von Netflix ermittelte Durchschnittsbandbreite für Netflix-Streams von 2,07 Mbit/s im Oktober 2013 auf 1,51 Mbit/s im Januar gefallen.

Die Messwerte beruhen auf enormen Datenmengen. Der Sandvine Report mit Daten von September 2013 listet Netflix als größten Verkehrsverursacher Nordamerikas. Zu Spitzenzeiten sollen 31,6 Prozent des Downloadstreams an ortsfesten Internetzugängen auf Netflix entfallen. Rechnet man noch die 18,7 Prozent von YouTube hinzu, waren nur zwei Webangebote für mehr als 50 Prozent des gesamten Downstreams verantwortlich.

Im Januar schneiden Comcast und Verizon nicht besonders gut ab.

(Bild: Screenshot/Netflix)

Die von Netflix veröffentlichten Provider-Werte Daten sind also wahrscheinlich repräsentativ. Umstritten ist, was diese Daten, die nicht von unabhängiger Seite überprüft wurden, aussagen. Manche vermuten, dass die Provider Netflix willentlich ausbremsen. Zur Untermauerung dieser These werden einzelne Berichte über angebliche Eingeständnisse vom Support der Provider oder wundersame Temposteigerungen bei Zwischenschaltung eines VPN herangezogen. Andere verweisen auf steigende Nutzerzahlen in den USA, wo es seit Ende September Videos in höherer Auflösung ("Super HD") sowie in 3D gibt. Das bedeutet deutliche gestiegene Datenmengen, die Netflix ins Netz pumpt.

Genau die mit solchen Aufrüstungen verbundenen Kosten sind ja das Kernargument der Netzneutralitätsgegner. Sie wollen, dass Netflix, YouTube & Co dafür bezahlen. Der Sandvine-Report scheint übrigens darauf hinzudeuten, dass Netflix vorwiegend anderen Verkehr ersetzt. Denn die absoluten Datenmengen pro Anschluss waren im September 2013 minimal geringer als im ersten Halbjahr. Super HD- und 3D-Videos werden in dem Bericht allerdings kaum erfasst, das Angebot wurde erst zum Ende der Erhebungszeitraums flächendeckend ausgerollt.

Vom US-Magazin Ars Technica um eine Stellungnahme gebeten hat sich Verizon zwar wortreich geäußert, ohne allerdings eine absichtliche Tempodrosselung zu dementieren. Solch beredtes Schweigen ist Wasser auf die Mühlen jener, die Verizon Absicht unterstellen. Comcast schweigt ganz.

So mancher Endkunde wüsste gerne, welcher ISP wie die Datenströme beeinflusst. Und Anbieter wie Netflix könnten anhand technischer Details ihre Dienste besser anpassen. Die Gegner der Netzneutralität wollen diese Informationen aber gerade nicht herausrücken. Die US-Regulierungsbehörde FCC versucht nun erneut, die ISP zu Transparenz zu zwingen. Bislang ist das aber nicht gelungen. Also bleibt vielen Nutzern nur die Feststellung, dass ihre Verbindungen langsamer geworden sind. Warum auch immer. (vbr)