EU-Rat liebäugelt mit Internetsperren bei Urheberrechtsverstößen

Die federführende Arbeitsgruppe des Ministerrates hat unter Führung der französischen Präsidentschaft einen Kompromissvorschlag für die Novelle der Universaldienstrichtlinie vorgelegt, der eine Änderung des Parlaments unterschlägt.

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Frankreich versucht im EU-Rat weiter, bei Urheberrechtsverletzungen die Weichen für das umkämpfte Modell der "abgestuften Antwort" mit Internetsperren für Wiederholungstäter zu stellen. So hat die für Telekommunikation und Informationsgesellschaft zuständige Arbeitsgruppe des Ministerrates unter Leitung der französischen Präsidentschaft jetzt ein Kompromisspapier (PDF-Datei) für die Novelle der Universaldienstrichtlinie im Rahmen der Reform des Telecom-Pakets vorgelegt. Das Papier unterschlägt eine entscheidenden, vom EU-Parlament abgesegnete Änderung, welche die Möglichkeit von Internetsperren bei Urheberrechtsverstößen einschränkt.

Im Kompromissvorschlag der Arbeitsgruppe fehlt konkret der von den Abgeordneten angenommene Änderungsantrag 166 für einen neuen Artikel 32a der Universaldienstrichtlinie, wie die Rechtsexpertin Monica Horten bemerkt hat. Laut der konsolidierten Fassung der Korrekturen des Parlaments sollten die Mitgliedsstaaten damit sicherstellen, dass notwendige "Einschränkungen des Rechts der Nutzer auf Zugang zu Inhalten, Diensten und Anwendungen" nur aufgrund geeigneter Maßnahmen im Einklang mit den "Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, Wirksamkeit und Abschreckung" erfolgen. Entsprechende Schritte dürfen nach Ansicht der Abgeordneten nicht die Entwicklung der Informationsgesellschaft behindern und nicht bürgerliche Grundrechte wie auf Achtung der Privatsphäre oder "faires Verhalten" verletzen.

Dazu kommen nach der Analyse Hortens noch eine Reihe weiterer Änderungen im Text, die in die Richtung der von der französischen Regierung geforderten Lösung mit Netzsperren laufen. So soll dem Papier zufolge auch die vom Parlament beschlossene Erstattung von Kosten für Internetprovider entfallen, die ihnen bei der von den Abgeordneten gewünschten "Kooperation" mit der Unterhaltungsindustrie zur Förderung "rechtmäßiger Inhalte" etwa über das Aussenden von E-Mails oder Briefen entstünden.

Zugleich macht der Vorschlag deutlich, dass die Franzosen das Richtlinienpaket im Schnellverfahren noch unter ihrer bis Ende des Jahres dauernden Ratsführung verabschieden wollen. Die Verabschiedung einer offiziellen Gegenposition des Ministergremiums zu den Beschlüssen der Volksvertreter in erster Beratung und eine darauf folgende 2. Lesung soll verhindert werden. Stattdessen bevorzugt Frankreich eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen zwischen Rat und Parlament und eine damit einhergehende deutliche Abkürzung des Gesetzgebungsverfahrens.

Noch aus steht ein Kompromisspapier für die ergänzende Rahmenrichtlinie für den Telekommunikationssektor. Darin haben die Abgeordneten mit Änderungsantrag 138 dafür gestimmt, dass "Eingriffe in die Rechte und Freiheiten der Endnutzer" nur nach Einschaltung der Justizbehörden und folglich mit richterlicher Genehmigung erfolgen dürfen. Gegen diese Klausel hatte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy vor Kurzem unter Missachtung der normalen demokratischen Entscheidungsfindung in Brüssel vergeblich bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt.

Inzwischen haben französische Regierungsvertreter die Passage aber für vereinbar mit dem eigenen Vorhaben für Verwarnungen und Internetsperren erklärt. Die Bundesregierung steht dem Modell aus Paris dagegen reserviert gegenüber und hat ihre Bedenken in Brüssel zum Ausdruck gebracht. Auch Ungarn, Irland, Österreich und Ungarn sehen den Ansatz der "abgestuften Erwiderung" auf Rechtsverletzungen skeptisch. (Stefan Krempl) / (vbr)