Bundesregierung beharrt auf heimlichen Online-Durchsuchungen

Das Bundeskabinett hat seinen umstrittenen Entwurf für die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt verabschiedet. Vor allem in der SPD-Bundestagsfraktion gibt es weiter Vorbehalte gegen einen Teil der neuen Befugnisse.

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Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch den umstrittenen Entwurf für die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) verabschiedet. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bezeichnete das Vorhaben als zentrales Instrument zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Bei der Terrorabwehr sei die vorherige Aufklärung entscheidend, sagte der CDU-Politiker auf einer Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung am Dienstag in Berlin. Es gehe nicht darum, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Vielmehr handle es sich um "ultima ratio"-Maßnahmen zur Verhinderung von Anschlägen. Insgesamt zeigte sich Schäuble erleichtert: "Nach langer Debatte haben wir nun endlich einen abgestimmten Regierungsentwurf vorliegen."

Der Innenminister wies darauf hin, dass terroristische Gewalttäter ihre Informationen häufig nur verschlüsselt austauschten. Deshalb würden die Ermittler des BKA mehr Befugnisse etwa im Rahmen der besonders umkämpften heimlichen Online-Durchsuchung benötigen. Andernfalls "würden wir zulassen, dass es sichere Rückzugsräume für Terroristen gibt", warnte Schäuble. Der Kabinettsentwurf orientiere sich in vielen Punkten an den polizeilichen Kompetenzen, die sich in den Ländern bereits bewährt hätten. Die vorgeschlagene Regelung beachte zudem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Ausforschung informationstechnischer Systeme. So seien etwa ein Richtervorbehalt und strenge Protokollierungsregelungen vorgesehen.

Der Kabinettsentwurf stutzt gegenüber dem Referentenpapier, auf das sich Schäuble und seine SPD-Kollegin aus dem Justizressort, Brigitte Zypries, Mitte April geeinigt hatten, den neu geplanten "großen Spähangriff" etwas zurecht. Die optische Wohnraumüberwachung mit Mini-Kameras soll sich nun nicht mehr auch gegen Kontakt- und Begleitpersonen Verdächtiger richten dürfen. Im Gegenzug zu der Entschärfung plant das Kabinett, den großen Lauschangriff auszuweiten. Dem Entwurf nach soll sich nun eben die akustische Wohnraumüberwachung auch auf Kontakt- und Begleitpersonen eines "Gefährders" beziehen können.

Generell ist nach wie vor vorgesehen, dass sich der Einsatz von Abhörwanzen oder Kameras auch gegen Wohnungen Dritter wenden kann. Voraussetzung soll sein, dass sich der Verdächtige dort aufhält und die Maßnahmen in seinen vier Wänden allein nicht zur Abwehr der ausgemachten dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person beziehungsweise Sachen von bedeutendem Wert führen würden. Im Rahmen dieser Überwachung von Wohnungen Unverdächtiger dürfen dem Vorhaben nach weiterhin auch "andere Personen" betroffen werden, wenn dies "unvermeidbar" ist.

In der SPD gibt es weiter Bedenken gegen den Regierungsvorschlag, der nun an den Bundesrat und ans Parlament zur Beratung weitergeleitet wird. Der Kabinettsentwurf "könnte theoretisch bedeuten, dass jede Wohnung beobachtet werden dürfte, wo sich ein Verdächtiger mal zufälligerweise aufhalten sollte", sagte der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Sebastian Edathy, im ZDF. Auch mit der Regelung zum Einsatz des "Bundestrojaners" ist der SPD-Politiker noch nicht einverstanden.

Schäuble und Zypries hatten sich hier vorab darauf verständigt, dass Fahnder entgegen den Forderungen der Union und des BKA nicht in Wohnungen eindringen dürfen, um die Spionage-Software auf Zielrechnern Verdächtiger zu installieren. "Es ist unzureichend, dass Schäuble nach einer Online-Durchsuchung nur zwei BKA-Beamte prüfen lassen will, ob der Kernbereich privater Lebensgestaltung eines Verdächtigen tangiert wird", sagte Edathy der "Welt". Ein Richter oder ein Vertreter des Bundesdatenschutzbeauftragten sollte die Prüfung vornehmen.

Der SPD-Politiker forderte generell mehr Augenmaß in der Sicherheitspolitik. "Wir wollen keinen Schnüffelstaat haben", erklärte Edathy. Er wünsche sich einen Staat, "der nicht mit dem Vorschlaghammer, sondern sozusagen zielgenau mit der Pinzette dort vorgeht", wo die Sicherheitslage es erfordere Man brauche eine Balance zwischen den Sicherheitsinteressen des Staates und dem Schutz bürgerlicher Freiheitsrechte. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion, Norbert Röttgen, appellierte dagegen an die SPD, das geplante Gesetz nicht weiter zu behindern.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)