MWC

Die Tops und Flops des Mobile World Congress

Vom Anti-Abhörphone bis zum Spionage-Dienst, vom Achtkernprozessor bis zur Stilberatung für Nerds oder schweigenden Mobilfunkbetreibern, der Heise-Crew ist auf dem MWC wenig entgangen, aber viel aufgefallen. Ein ungeschminktes Fazit.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Benjamin Benz
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Nach fünf Messetagen, rund 90 Online-Meldungen und viel zu wenig Schlaf ist die MWC-Crew von c't, heise online und Techstage wieder im Verlag eingetrudelt. Bevor wir sie aber ins Wochenende entlassen, wollten wir von den Kollegen noch wissen, was ihnen ganz persönlich gut oder auch gar nicht gefallen hat.

Smartphone-Tester Achim Barczok hat bei Microsoft, Samsung, Sony und Co. wenig Spannendes gefunden. Interessanter findet er die Neuheiten der kleinen Hersteller – auch wenn vieles davon leider nie den Markt erblicken wird.

Die E-Ink-Rückseite des neuen Yotaphone sieht deutlich eleganter als beim Vorgänger aus.

Top: Das Yotaphone 2 löst das Versprechen seines Vorgängers ein: Auf der modern gestalteten, dunkelgrauen Rückseite stellt das E-Ink-Display Twitter-Streams und Fotos so gut dar, dass man sie für aufgedruckt halten könnte – Wechselcover ade. Dazu kommt ein tolles AMOLED-Display auf der Vorderseite.

Flop: Windows Phone. Kein einziges neues Windows Phone auf dem MWC, selbst die zukünftige Microsoft-Tochter Nokia zeigte lieber Android-Smartphones. Microsoft kündigte zwar wolkig ein paar neue Partnerschaften mit Herstellern an, etwas Handfestes hatte das Unternehmen aber nicht im Gepäck. Der Pressevertreter eines Smartphone-Herstellers sagte uns hinter vorgehaltener Hand sogar, er wäre überrascht gewesen, auf den Folien von Microsoft aufzutauchen. Auch vom kommenden Software-Update sind keine Überraschungen zu erwarten: Windows Phone 8.1 holt nicht zu den anderen Betriebssystemen auf.

Für Lutz Labs aus dem Mobilressort der c't hat der MWC vor allem gezeigt, dass man nicht mehr zu Smartphones aus der Spitzengruppe greifen muss, wenn man lediglich einen zuverlässigen Begleiter für den Alltag sucht.

Top: Geräte ab 200 Euro reichen für die meisten Anwendungen völlig aus. Sie haben ausreichend Speicher, häufig schon einen Quad-Core-Prozessor und HD-Displays. Mehr kann gerne, muss aber nicht.

Flop: Beschämend ist es für die allermeisten Hersteller hingegen, dass sie nicht auf die NSA-Affäre reagieren. Lediglich Blackphone bringt ein Smartphone, das eine abhörsichere Kommunikation erlaubt – der Rest protzt weiter mit Megahertz und Gigabyte oder rennt dem Fitness-Trend hinterher.

Hannes Czerulla, ebenfalls im Mobilressort von c't zu hause, wollte auf dem MWC endlich die Kontrolle über die Datenschleuder Smartphone zurückbekommen, musste aber eine bittere Pille schlucken.

Beim Blackphone soll die verschlüsselter Kommunikation sicher vor den Augen und Ohren Dritter sein. Das dafür entwickelte PrivatOS ist ein Android-Derivat.

Top: Mit dem Blackphone tut endlich eine Firma – zusammen meinem PGP-Entwickler – etwas gegen die totale Überwachung von NSA und Co.: Der Nutzer soll wieder bestimmen können, welche Daten wohin gehen und welche Apps sie auslesen können.

Flop: Vom Blackphone gab es allerdings nur ein Beta-Gerät zu sehen, das äußerlich noch nicht dem Serienprodukt entspricht. Schlimmer noch: Abhörsicherers Telefonieren geht nur über einen kostenpflichtigen Service der Firma Silent Circle – dem Unternehmen des Mitentwicklers und PGP-Erfinders Paul Zimmermann. Beim Blackphone sind zwei Jahre inklusive, danach werden 120 US-Dollar pro Jahr fällig. Der ebenfalls zum Sicherheitkonzept gehörende Backup-Dienst SpiderOak kostet sogar das Vierfache und damit mehr als die meisten Privatkunden für ein neues Gerät ausgeben.

Benjamin Benz aus dem Hardware-Ressort von c't hat bei den Chipherstellern geschaut, was in der nächsten Smartphone-Generation so stecken wird und schmunzelt über die Hektik, die nach Apples 64-Bit-Vorstoß dort ausgebrochen ist.

Am A80 OptimusBoard von Allwinner können Linux-Entwickler Erfahrungen mit ARMs Big-Little-Technik sammeln.

Top: Egal, ob Achtkerner für Smartphones wirklich sinvoll sind, oder ob der Mobilwelt mit einem hastig aus Standard-Kernen von ARM zusammengeschusterten 64-Bit-Chip gedient ist, es kommt endlich wieder Bewegung in die Prozessorwelt. Die interessantesten Chips kommen aber erst im Sommer. Bis dahin dürfen Linux-Entwickler und Bastler schon mal an der neue Big-Little-Betriebsart HMP üben.

Flop: Drahtloses Laden. Von der feierlich gelobten Interoperabilität der diversen Ladetechniken war kaum etwas zu sehen. Schlimmer noch: Keine einzige der uns vorgeführten Demos funktionierte zuverlässig. Mal ging es noch nicht einmal mit allen ausgestellten Geräten, mal war die Ladeschale abgestürzt und brauchte einen Reset, oder das Laden klappte nur bei sehr genauer Platzierung des Smartphones.

Unser Softwerker Andre Kramer hat die Hallen nicht nur nach Apps, sondern auch nach trendigen Gimmicks durchkämmt und ist dabei auf Styling-Sünden und -Trends bei und für Hippster-Nerds gestoßen.

Flop: Nach einem langen Messetag ist der eigene Akku leer, der einer Google Glass noch viel früher. Trotzdem rannten etliche Leute den ganzen Tag mit einem toten Gerät herum, dabei ist das Ding allenfalls in der Welt der Zahnhygiene oder des Hochglanz-Office-Stockfotos ästhetisch.

WeOn Glasses baut Bluetooth-Module, LEDs und Buzzer in Designerbrillen ein.

Top: WeON GLasses enthalten einen Buzzer und eine LED, die in verschiedenen Farben über eingehende SMS, E-Mail, Facebook-Nachrichten und anderes informieren. Die Elektronik ist in eine normale Brille eingebaut -- stylisch, funktional und mit Understatement statt plumpes Auftrumpfen mit leerem Akku.

Jo Bager hat sich im App-Universum umgesehen und nach interessanten Geschäftsideen gefahndet. Er findet es bedenklich, dass die Branche offenbar noch nicht genug Lehren aus dem NSA-Skandal gezogen hat.

Flop: Nach dem NSA-Skandal hätte man eigentlich davon ausgehen müssen, dass das Thema Datenschutz und -Sicherheit einen hohen Stellenwert auf der Messe erhält. Stattdessen gab es überall Armbänder, Smart-Watches und andere Gadgets, um noch mehr Daten ins Netz zu blasen. Den Vogel abgeschossen hat ein Ausrüster für Mobilfunkunternehmen, der die Carrier befähigt, in den Daten ihrer Kunden NSA-artiges Data Mining zu betreiben.

Die iPad-App Samplr manipuliert Wellenformen nach einem visuellen Konzept mit Wischgesten.

Top: Als wäre die Messe nicht selbst schon spannend genug, wird sie auch noch von einer Reihe interessanter Satellitenveranstaltungen begleitet. Dazu zählen die Mobile Premier Awards für neue App-Ideen. Neu hinzugekommen ist die Startup-Veranstaltung Four Years From Now, die einen Wettbewerb, eine kleine Ausstellung und eine hochkarätig besetze Konferenz vereint.

Volker Briegleb aus der Nachrichtenzeintral von heise online hat beim MWC-Kongress gelauscht. Zu den Stargästen zählten in diesem Jahr zwei junge Gründer, die hier vor ein paar Jahren noch vom Hof gejagt worden wären.

Unbezahlbar: Die eisige Stille in einem Konferenzsaal voller Mobilfunker, als Jan Koum einen Sprachdienst für WhatsApp ankündigt.

Leider ein Flop: Windows Phone. Keine neuen Smartphones weit und breit, nur ein bisschen was zu gesenkten Hardware-Anforderungen bei 8.1 und ein paar neuen Hersteller--Partnern. Immerhin darf man so die Hoffnung haben, auf dem MWC 2015 wieder ein paar Windows Phones zu sehen. Vielleicht spart sich Microsoft seine Munition aber auch für die Entwicklerkonferenz Build im April.

Während der Smartphone-Markt in den letzten beiden Jahren hauptsächlich vom etwas langweiligem "Schneller, Größer, Mehr" dominiert wurde, scheinen sich die Hersteller langsam wieder zu trauen, diesen Pfad zu verlassen, finden die Kollegen von TechStage.

Mit einem Fingerabdrucksensor und einem Deal mit Paypal soll das Galaxy S5 mobiles Bezahlen salonfähig machen.

Top: Neue Technologien erhalten Einzug – etwa ein Bildsensor mit Autofokus und ein Fingerabdruck fürs Bezahlsystem beim Galaxy S5. Es gibt Experimente mit neuen Formfaktoren (Huawei-Smartwatch mit herausnehmbaren Bluetooth-Headset) und es passiert viel bei der Software (Energiesparmodi).

Flop: Nokia-Smartphones mit Android sind leider nicht als farbenfrohe Alternative zu den bekannten Modellen von Samsung, HTC & Co., sondern als Billig-Smartphones für Schwellenländer gedacht.

Eine Zusammenfassung des Mobile World Congress finden Sie außer in den Abschlussberichten auf heise online (Messe-Highlights 2014: Phones, Phablets und acht Kerne, Alles wird vernetzt: Der Mobile World Congress 2014 schließt) in einem ausführlichen Bericht in der kommenden Ausgabe von c't. Bis dahin bereiten sich Hannover und heise online erst einmal auf die CeBIT vor, und die MWC-Crew versucht, etwas Schlaf nachzuholen.

Allerdings dürfen wir uns leider noch nicht mit der smarten Zahnbürste von Oral B bettfertig machen. Schade, denn auf deren Zahnputztipps per Bluetooth sind wir alle schon gespannt.

MWC 2014 - Smartphones und Tablets (10 Bilder)

Wasserdicht

Samsungs neues Spitzenmodell Galaxy S5 ist jetzt gegen Feuchtigkeit geschützt. (Bild: heise online/acb)

(bbe)