Verordnung zur Pflichtablieferung von Netzpublikationen tritt in Kraft

Die Anweisung regelt auf Basis des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek, welche "unkörperlichen Werke" archiviert werden müssen; ausgenommen sind etwa "lediglich privaten Zwecken dienende Websites".

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Die Bundesregierung hat in der aktuellen Ausgabe des Bundesgesetzblattes vom heutigen Mittwoch die umstrittene Verordnung (PDF-Datei) über die Pflichtablieferung von Medienwerken an die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) veröffentlicht. Mit der Verkündung tritt die im Mai 2007 publik gewordene Anweisung bereits morgen in Kraft. Sie regelt auf Basis des seit seiner Verabschiedung 2006 für Unruhe sorgenden Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG), welche Netzpublikationen bei der DNB quasi als "Pflichtexemplar" elektronisch eingereicht und für die Archivierung freigegeben werden müssen.

Laut dem DNBG sind neben Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und anderen physikalischen Medienträgern auch "unkörperliche", in "öffentlichen Netzen dargestellte" Medienwerke bei der Nationalbibliothek abzuliefern. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, riskiert nach einer Abmahnung eine Geldstrafe bis zu 10.000 Euro. Ziel der Verordnung ist es, die gesetzliche Regelung auf ein handhabbares Maß einzuschränken. Prinzipiell steht es der DNB demnach offen, auf die Zulieferung oder elektronische Abholung einzelner Netzpublikationen zu verzichten, wenn diese in unterschiedlichen technischen Ausführungen erscheinen. Anheim steht es ihr auch elektronische Medien auszuklammern, deren Sammlung oder Archivierung "nur mit beträchtlichem Aufwand" möglich wäre.

Prinzipiell schließt die Verordnung etwa "lediglich privaten Zwecken dienende Websites" aus. Was genau darunter fällt, ist unklar. Die DNB strebt nach eigenen Angaben an, die Archivierung auch auf "originär dem Web" entsprungene Publikationsformen wie Blogs, Wikis oder Foren nach und nach auszudehnen. In einem Frage-Antwort-Verzeichnis listet die Einrichtung bislang aber nur pauschal "elektronische Zeitschriften, E-Books, Hochschulprüfungsarbeiten, Digitalisate, Musikdateien oder auch Webseiten und dynamische Applikationen" auf. Eine Definition öffentlicher oder privater Werke fehlt. Weiter ist nachzulesen, dass die Entwicklung geeigneter Verfahren für den Massenbetrieb der Sammlung, Erschließung und Archivierung von Netzpublikationen "stufenweise" erfolge. Solange diese noch nicht abschließend zur Verfügung stünden, würde die DNB "keine Ordnungswidrigkeitsverfahren anstrengen".

Generell soll die Anlieferung möglichst per FTP und bevorzugt als PDF erfolgen. Bilder, andere Darstellungselemente sowie "Software und Werkzeuge, die in physischer oder in elektronischer Form erkennbar zu den ablieferungspflichtigen Netzpublikationen gehören", sind aber ebenfalls betroffen. Dies gilt vor allem für "nicht marktübliche Hilfsmittel", ohne die ein Lesen der digitalen Werke im Offline-Modus nicht möglich ist.

Weitere Ausnahmen gelten für zeitlich befristete Vorab- oder Demoversionen, sofern sie nach Erscheinen der endgültigen Publikation wieder vom Netz genommen werden. Kein öffentliches Archivierungsinteresse besteht laut der Anweisung zudem an "selbständig veröffentlichten Betriebssystemen" oder "nicht sachbezogenen Anwenderprogrammen", Nutzerwerkzeugen für bestimmte Internetdienste sowie Arbeits- und Verfahrensbeschreibungen. Außen vor bleiben sollen zudem E-Mail-Newsletter ohne Webarchiv, Bestandsverzeichnisse und aus Rundfunkproduktionen abgeleitete Publikationen im Internet, soweit sie nicht von einem Dritten veröffentlicht werden, sowie "inhaltlich unveränderte Spiegelungen" bereits abgegebener elektronischer Werke. Der Branchenverband Bitkom kritisierte den Verordnungsentwurf voriges Jahr vor allem wegen der damit nicht ausgeräumten Rechtsunsicherheit scharf und sieht auch jetzt noch zahlreiche offene Fragen mit dem gigantischen Vorhaben zur Inhaltesammlung verknüpft. (Stefan Krempl) / (pmz)