Bayern bringt Entwurf zu heimlichen Online-Durchsuchungen in den Bundesrat ein

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) hat ihr Vorhaben zur bundesweiten Ausforschung von IT-Systemen auch zur Verfolgung schwerer Straftaten in der Länderkammer als "letztes Mittel" im Kampf gegen gefährliche Verbrecher angepriesen.

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Bayerns Justizministerin Beate Merk hat ihren Gesetzesentwurf (PDF-Datei) für bundesweite heimliche Online-Durchsuchungen auch zur Verfolgung schwerer Straftaten im Bundesrat als "letztes Mittel" im Kampf gegen gefährliche Übeltäter angepriesen. "Unsere Strafverfolgungsbehörden sind längst nicht mehr in der Lage, bei der Bekämpfung terroristischer Straftaten und schwerster Delikte der organisierten Kriminalität mit den technischen Raffinessen der Verbrecher Schritt zu halten", sagte die CSU-Politikerin bei der Einbringung des Vorhabens in die Länderkammer am heutigen Freitag. Dies sei ein "Unding", zumal das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Zulässigkeit der Ausforschung von IT-Systemen zu Zwecken der Strafverfolgung anerkennt habe.

Damit habe der Gesetzgeber zwar nicht "quasi einen Freifahrschein in die Hand bekommen", räumte Merk ein. Im Gegenteil: Verdeckte Online-Durchsuchungen würden mit dem Vorstoß "nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich", nämlich "beim konkreten Verdacht bestimmter schwerwiegender Delikte, nur als letztes Mittel und nur auf richterliche Anordnung". Unter diesen Bedingungen sei das heftig umkämpfte Mittel aber erforderlich, "um mit gefährlichen Straftätern Schritt halten zu können".

Den zahlreichen Kritikern der geplanten Maßnahme auch im eingeschränkten Bereich der Terrorismusabwehr durch das Bundeskriminalamt (BKA) hielt die Ministerin entgegen: "Wer hier diskutiert, als gäbe es gebe keine Bedrohung, wer suggeriert, dass Computer unschuldiger Bürger flächendeckend überwacht würden, behauptet die Unwahrheit. Er verteidigt unseren Rechtsstaat nicht etwa, sondern schwächt ihn, und zwar mit völlig aus der Luft gegriffenen Szenarien."

Laut dem bayerischen Gesetzesantrag sollen Online-Durchsuchungen in der Strafprozessordnung (StPO) verankert und zur Bekämpfung besonders schwerer Straftaten herangezogen werden. Der Straftatenkatalog ist analog zum großen Lauschangriff angelegt. Im entsprechenden Paragraphen 100 c StPO geht es nicht nur um Verbrechen gegen Leib, Leben, Freiheit, den Bestand des Staates oder die menschliche Existenz. Darüber hinaus sind dort etwa auch Verbreitung, Erwerb und Besitz von Kinderpornographie, die Bildung krimineller Vereinigungen, Geldfälschung oder Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz angeführt.

Im Einklang mit dem umstrittenen Sonderweg, den Bayern bei Online-Razzien im präventiven Bereich der Terrorismusabwehr sowohl im Polizei- als auch im Verfassungsschutzgesetz festschreiben will, sollen die Fahnder auch für Netzbespitzelung zur Strafverfolgung für die Installation der benötigten Spionage-Software in Wohnungen Verdächtiger eindringen dürfen. Bei der Einigung im Bund zum Ausspähen von IT-Systemen im Entwurf zur Novelle des BKA-Gesetzes ist diese laut Bayern "notwendige Begleitmaßnahme" mit Verweis auf das vom Bundesverfassungsgericht begründete neue Grundrecht auf digitale Privatsphäre ausdrücklich ausgeschlossen worden. Der bayerische Entwurf weist zwar auf einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff an diesem Punkt hin. Weiter heißt es aber nur pauschal in der Begründung, dass dessen Bedeutung "berücksichtigt wird".

Darüber hinaus will der Freistaat auch den Einsatz technischer Mittel gestatten, um "spezifische Kennungen" zur Vorbereitung eines verdeckten Zugriffs auf IT-Systeme sowie den Standort eines entsprechenden Gerätes zu ermitteln. In der Begründung verweist der Entwurf etwa auf die Verwendung von "WLAN-Catchern" zur Bestimmung oder Lokalisierung von Systemen unter strengen Voraussetzungen. Dabei dürften bei Unvermeidbarkeit "aus technischen Gründen" auch Daten Dritter erhoben werden, die aber unverzüglich wieder zu löschen seien.

Das Vorhaben enthält ferner einen Absatz zum vorgesehenen Schutz des von Karlsruhe geforderten Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Informationen aus der Intimsphäre sollen demnach nicht verwertet werden dürfen mit der Ausnahme, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, "dass diese Daten dem Zweck der Herbeiführung eines Erhebungsverbots dienen sollen".

Aufzeichnungen über unverwertbare Erkenntnisse seien unverzüglich zu löschen oder im Zweifelsfall dem für die Anordnung zuständigen Gericht vorzulegen, heißt es weiter. Für die generelle Durchsicht der Daten halten die Bayern einen Richter nicht für nötig. Vielmehr seien die Regeln analog zu beschlagnahmten Daten bei einer konventionellen Durchsuchung anwendbar. Demnach steht Prüfung der ausgespähten Bits und Bytes der Staatsanwaltschaft und auf deren Anordnung hin der Polizei selbst zu.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)