Kommunen sehen Bundesprojekt für sichere Bürger-E-Mail skeptisch [Update]

Auf einem Forum des Bundesverbands deutscher Internet-Portale bezeichneten Experten das Vorhaben der Bundesregierung, einen De-Mail-Dienst nebst Bürgerportalen aufzubauen, als überflüssig und international nicht kompatibel.

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Experten aus den Kommunen haben das Vorhaben der Bundesregierung, einen De-Mail-Dienst für den sicheren E-Post-Verkehr nebst Bürgerportalen aufzubauen, als überflüssig und international nicht kompatibel bezeichnet. Die Sache "ist nicht so ganz durchdacht", befürchtete Gisela Schwellach aus der Finanzverwaltung der Stadt Bremen auf einem Forum des Bundesverbands deutscher Internet-Portale (BDIP) am gestrigen Montag im Roten Rathaus in Berlin. Für die Verwaltung wäre es schwierig, eine weitere entsprechende Infrastruktur neben dem Ende 2004 gestarteten "Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach" (EGVP) aufzubauen. Die Fortentwicklung des in den Ämtern häufig eingesetzten OSCI-Standards (Online Services Computer Interface), der Datenstrukturen auf Basis von XML und SOAP für Fachverfahren beschreibt, biete zudem bereits die Möglichkeit zum verschlüsselten E-Mail- und Dokumentenversand auch über gängige Mail-Adressen.

Laut Pablo Menzinis, E-Government-Fachmann beim Branchenverand Bitkom, bereitet das Bundesinnenministerium gerade einen Gesetzentwurf für das von Anfang an von Querelen begleitete De-Mail-Projekt vor. Die sichere Mailvariante solle wie ein Einschreibeservice funktionieren und auch einen geschützten Zugang zu öffentlichen Dokumenten, einen Safe für eigene im Behördenverkehr wichtige Dateien sowie einen elektronischen Aktenordner enthalten. Zudem solle sie auch zur Identifizierung und zur Altersverifikation im Netz dienen, wobei eine Anmeldung über den umstrittenen geplanten elektronischen Personalausweis, das Post-Ident-Verfahren oder persönlich bei öffentlichen Stellen erfolgen könne. Noch unklar sei, ob der Zugriff über eine Web-Applikation oder den privaten E-Mail-Client erfolge. Das Innenministerium rechne mit Einsparungen vor allem für die Wirtschaft von bis zu vier Milliarden Euro innerhalb weniger Jahre. Konkret habe vor allem die Versicherungswirtschaft Interesse bekundet.

Ralf Armbruster aus der Stuttgarter Kommunalverwaltung betonte wie seine Kollegin aus Bremen, dass die Regierung wohl aufs falsche Pferd setze: "E-Mail ist langfristig nicht die Lösung." Zum einen würden die Bürger "gar nicht so viele" elektronische Mitteilungen mit den Behörden austauschen. Der Trend gehe zudem in Richtung webbasierter Verfahren, die mit Verschlüsselungszertifikaten arbeiten.

In den Kommunen wird laut Schwellach derzeit auch schon massiv am Aufbau von zentralen Registern für den sicheren elektronischen Verwaltungsverkehr gearbeitet. Ein Prototyp für das EGVP sei derzeit in Nordrhein-Westfalen in Betrieb. Er basiere auf Zertifikaten und erlaube den Versand von Nachrichten wie eine normale Mail an die Verwaltung. Ähnlich arbeite das in Bremen entwickelte Governikus-System, für das sich alle Bundesländer mit Ausnahme Baden-Württembergs entschieden hätten. Dazu komme das Deutsche Verwaltungsdiensteverzeichnis (DVDV), über das momentan etwa die Rückbestätigung von Meldedaten der 5300 einschlägigen Behörden mit einem millionenfachen Mailversand erfolge.

Die mit dem EGVP und Governikus bestehenden Infrastrukturen für den verschlüsselten Nachrichten- und Dokumentenaustausch will Bremen auch nutzen, um den von der EU-Dienstleistungsrichtlinie geforderten einheitlichen Ansprechpartner etwa für die Anmeldung eines Gewerbes durch Unternehmer aus anderen Mitgliedsstaaten umzusetzen. Dafür brauche es kein ganz neues Verfahren, meinte Schwellach. Vielmehr könnten die vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten "in einen gemeinsamen Workflow" gegossen und mit Elementen zur Prozesssteuerung ergänzt werden. Mit Hilfe von Metadaten seien dabei etwa die verantwortlichen Behördenstellen gleich in einen Antrags- und Informationsservice einzutragen und so die konkreten behördlichen Ansprechpartner leicht zu ermitteln.

Die Verwaltungsexpertin wunderte sich zudem, dass just das Bundeswirtschaftsministerium die in der wenige Wochen alten Blaupause zur Umsetzung der EU-Vorgaben gestellten Anforderungen an die elektronische Verarbeitung von Anfragen an die Behörden als zu hoch bezeichnet habe und so offensichtlich eine Schmalspur-Lösung mit Faxversand bevorzuge.

Zugleich zeigte sich Schwellach zuversichtlich, dass die Version 2.0 von OSCI Ende des Jahres fertiggestellt wird. Damit könne die internationale Interoperabiltät des Nachrichtenprotokolls gewährleistet werden. "Wir arbeiten dabei eng mit Frankreich und Dänemark zusammen", erklärte die Vertreterin der Hansestadt. Die entstehende Sicherheits- und Kommunikationsarchitektur werde dann aber auch mit vergleichbaren Projekten etwa in Großbritannien kompatibel sein.

[Update]

Schwellach ist neben ihrer Tätigkeit in der Finanzverwaltung auch im Aufsichtsrat der bremen online services GmbH vertreten, die OSCI mit entwickelt hat und auch an der Pflege des EGVP maßgeblich beteiligt ist.

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(Stefan Krempl) / (jo)