Polizeigewerkschaft warnt vor Beschluss des BKA-Gesetzes

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert Nachbesserungen am überarbeiteten Entwurf für heimliche Online-Durchsuchungen, da das Vorhaben sonst vor dem Bundesverfassungsgericht "keine Chance" habe.

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Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat eindringlich Nachbesserungen am überarbeiteten Entwurf der großen Koalition für die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) gefordert. Das jetzige Papier berücksichtige die Einwendungen nicht ausreichend. Vor allem wegen den halbgaren Kompromissen bei der heimlichen Online-Durchsuchung habe das Vorhaben vor dem Bundesverfassungsgericht "keine Chance", prophezeite der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Damit werde sich das Gesetz in eine lange Reihe von Sicherheitsgesetzen stellen, die in Karlsruhe gescheitert sind oder korrigiert wurden. Dies habe fatale Auswirkungen auf das Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung.

Hauptkritikpunkt der DPolG ist die "BKA-Selbstkontrolle" bei der Prüfung, ob mithilfe des Bundestrojaners abgegriffene Inhalte den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren. Es sei "alles andere als ausreichend", betonte Wendt, dass außer den im Regierungsentwurf vorgesehenen zwei BKA-Beamten nun noch der Datenschutzbeauftragte der Polizeibehörde hinzugezogen werden soll. Die Bundesregierung müsse, wenn sie die von der DPolG geforderte rechtsstaatlich einwandfreie Grundlage für den verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme ermöglichen wolle, ausreichend Planstellen für Richter schaffen, die Ergebnisse einer Maßnahme unmittelbar begutachten.

Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hingegen haben Union und SPD im neuen Gesetzentwurf "ausreichend Vorkehrungen getroffen", sodass die "notwendigen polizeilichen Mittel zur Terrorismusbekämpfung rechtsstaatlich vertretbar sind". Auch Klaus Jansen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) meint, dass die gefundene Lösung Deutschland "als Demokratie weiter bestehen lässt". Auf die Klagen gegen das Gesetz, die neben dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) inzwischen auch die Grünen unter Führung ihrer Fraktionschefin Renate Künast angekündigt haben, blickt Jansen gelassen, da das Bundesverfassungsgericht in seinen jüngsten Entscheidungen zu dem Themenbereich immer wieder die grundsätzlich Wehrhaftigkeit des Staates unterstrichen habe. "Sicherheitsvorsorge" habe sieben Jahren nach den Anschlägen am 11. September 2001 "eine andere Dimension erlangt".

Die Kritik an der Einigung der Koalition reißt derweil nicht ab: Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern haben auf ihrer 76. Konferenz in Bonn erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz geäußert. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar räumte zwar ein, dass es in der jüngsten Fassung der Koalition Verbesserungen gebe. Dennoch bleibe die Kritik an dem Vorstoß im Grundsatz bestehen: "Wir sind nicht überzeugt, dass diese Fülle neuer Befugnisse für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus wirklich erforderlich ist." Es gebe nach wie vor Zweifel, dass der Kernbereichsschutz in dem Gesetzentwurf angemessen berücksichtigt sei. Zuvor hatte der Deutsche Presserat bemängelt, dass Berufsgeheimnisträger durch die Vorschriften nicht hinreichend geschützt seien. Der Polizei werde die Möglichkeit eröffnet, entgegen dem Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten die Herausgabe von Recherchematerial zu verlangen.

Die innenpolitischen Sprecher von Union und SPD, Hans-Peter Uhl und Dieter Wiefelspütz, räumen in ihrem im Internet aufgetauchten Kompromisspapier (PDF-Datei) vor allem der Begründung des Verzichts auf eine richterliche Anordnung heimlicher Online-Durchsuchungen bei "Gefahr im Verzug" großen Raum ein. Auf sechs Seiten konstruieren sie vier Fallkonstellationen, in denen Eile geboten und der BKA-Chef über den sofortigen Einsatz der "Remote Forensic Software" entscheiden können müsse. Dies komme etwa in Frage, wenn nach einer erfolgten Maßnahme kurzfristig wieder eine Online-Durchsuchung dringend erforderlich sei und sich dabei etwa bei der Reparatur eines PC, während eines Kneipenbesuchs oder einem Aufenthalt auf einer Autobahnraststätte ein "kurzzeitiger Zugriff" auf das zu untersuchende Gerät zum Aufspielen des Spionageprogramms außerhalb der Wohnung ergebe.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (ad)