Google: Autonome Autos werden sich blitzartig durchsetzen

Roboter-Fahrzeuge werden "überraschend schnell kommen wie das iPhone", meint Brad Templeton von der Singularity University. In mehreren Ländern sei der Kampf um die Vorherrschaft bei selbstfahrenden Autos ausgebrochen.

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Von
  • Stefan Krempl

Autonomes Fahren ist reif für den "Apollo-Moment", meint der US-Unternehmer Brad Templeton, der auch Direktor der Singularity University ist. Es sei an der Zeit, selbstfahrende Autos im großen Stil "zum Laufen zu bringen", ähnlich wie das Projekt zur Mondlandung. Fortschritte in der Sensoren- und Computertechnik machten diesen Schritt möglich, betonte der Berater des Google-Teams für Roboter-Fahrzeuge am Montag auf der Digitalkonferenz Next in Berlin. Er ist sich sicher, selbstfahrende Vehikel schon bald "täglich auf den Straßen zu sehen".

Als Kernelement autonomer Autos bezeichnete Templeton die radarähnliche Lidar-Technik, die ständig Laserstrahlen aussende und ein "echtes 3D-Bild der Umgebung" erstelle. GPS werde dagegen nicht direkt fürs Fahren genutzt, sondern nur für eine ungefähre Ortsbestimmung. In vielen Autos zählten das automatische Spur- und Abstandhalten sowie Einparken bereits zu erschwinglichen Funktionen.

Volvo will den Weg zum autonomen Fahrzeug mit Magneten in der Fahrbahn ebnen.

(Bild: Volvo)

Für Templeton steht außer Zweifel, dass selbstfahrende Wagen schon bald genauso blitzartig einschlagen wie Apples iPhone. Eine neue Straßeninfrastruktur hält er dafür nicht für nötig. Die Mobilfunknetzwerke reichten aus, um die Fahrzeuge mit allen erforderlichen Informationen von außen zu versorgen, eine "intelligente Straße" müsse nicht gebaut werden. Ausgangsbasis für alle bisherigen Wettbewerbe in diesem Bereich und auch für Google sei immer gewesen, dass die Autos selbst schlau sein und die bestehenden Wege nutzen können müssten. Dies sei eine ähnliche Voraussetzung wie beim Internet, das im Kern auch ein "dummes" Netzwerk sei.

Für autonome Fahrzeuge sprechen Templeton zufolge viele Vorteile: "Roboter trinken nicht", nannte Templeton einen davon. Jedes Jahr würden weltweit 1,2 Millionen Leute bei Autounfällen getötet. Viele davon seien auf Trunkenheit am Steuer zurückzuführen. Zudem ermöglichten Roboter-Autos einen Wandel des gesamten Verkehrswesen, der viel Energie einsparen könne. Autonome Fahrzeuge seien "grüner als die heutigen öffentlichen Nahverkehrssysteme", schätzt Templeton, der auch Vorstandsmitglied der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) ist. Da Roboter die Antriebsart egal sei, komme zum einen die E-Mobilität stärker ins Spiel. Auch werde Carsharing und das Mieten von Autos auf Abruf durch die wie Taxis im Straßenverkehr mitschwimmenden Robovehikel gefördert.

Mögliche Haftungsfragen bei Zusammenstößen und andere rechtliche Herausforderungen sieht Templeton nicht als große Hindernisse an. Anwälte könnten sich daran eventuell hochziehen, für die Gesellschaft sei dieser Aspekt aber nicht entscheidend. Heute zahle eine Versicherungsfirma einen Schaden; die Ausgaben würden mittelfristig im System wieder auf alle Fahrer verteilt. Werde einem Hersteller die Schuld zugewiesen, werde dieser aufgrund erforderlicher Nachbesserungen die Kosten für einen Autotyp erhöhen und so ebenfalls eine ganze Käufergruppe zur Kasse bitten. Diese Aufteilung bleibe immer so ähnlich erhalten, auch wenn alle gewönnen, falls autonome Fahrzeuge insgesamt weniger Unfälle bauten.

Die Regulierungswut von Regierungen in den USA oder in Europa könnte Templeton zufolge den Siegeszug stärker behindern. In diesem Fall übernähmen aber Länder wie Singapur, China, Indien, Israel oder Japan nur zu gern die Führung, sodass der Wettbewerb schärfer werde und Politikern Zugeständnisse abringe.

Auf Nachteile wie längere Fahrten im selbstgesteuerten Auto, mögliche Softwarefehler oder Sicherheitsgefahren durch IT-Angriffe ging Templeton nur kurz ein. Dass Netzkonzerne wie Google, die autonome Fahrzeuge bereits in den normalen Straßenverkehr schicken, über die eingebauten Sensoren nur Daten sammeln wollten, erscheint ihm nicht als hauptsächlicher Motivationsgrund für die Entwicklung. Ein Trostpflaster in dieser Hinsicht sei zudem, dass per Lidar zumindest keine Gesichtserkennung möglich sei. Zudem sei es möglich und wünschenswert, die Technik von Anfang an datenschutzfreundlich zu gestalten.

(mfz)