re:publica: Asyl for Snowden!

Die Macher der Internetkonferenz, die dieses Jahr rund 8000 Besucher erwarten, wollen den NSA-Whistleblower Edward Snowden in Deutschland geschützt wissen und solidarisieren sich mit inhaftierten Bloggern in Asien und Afrika.

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"Wir wollen Asyl für Snowden!" Mit dieser Forderung nach einem sicheren Zufluchtsort für den NSA-Whistleblower in Deutschland erhielt re:publica-Mitorganisator Markus Beckedahl lautstarken Beifall zur Eröffnung der Netzkonferenz am Dienstag in Berlin. Snowden habe sehr viel Zivilcourage gezeigt und darauf verwiesen, dass außer Kontrolle geratene Geheimdienste weltweit Menschenrechte verletzen.

(Bild: Stefan Krempl)

Snowden sei der "wichtigste Zeuge" für die Aufklärung des NSA-Skandals, warb der Netzpolitik-Blogger für eine Befragung des IT-Experten im Bundestags-Untersuchungsausschuss. Die Bundesregierung lehnt dies ab, da sie das "Staatswohl" gefährdet sieht. Beckedahl hielt dem entgegen: "Unser Staatswohl sind unsere Grundrechte, die müssen geschützt werden."

Beckedahl warf der Regierung vor, den Kopf in den Sand zu stecken: "Kriminell agierende Geheimdienste ohne demokratische Kontrolle" überwachten das Internet und schafften "Unsicherheit im Namen der Sicherheit". Auf dem dreitägigen Treffen solle daher die Diskussion über "technische und politische Lösungswege" im Vordergrund stehen, um das Internet aus den Händen der Überwacher zu entreißen und die Grundrechte online durchzusetzen.

re:publica 2014 (6 Bilder)

Um lange Schlangen schon bei der Bändchenausgabe zu vermeiden, hatten die Veranstalter schon am Vorabend Akkreditierungen vorgenommen.
(Bild: Stefan Krempl)

Björn Böhning (SPD), Chef der Berliner Senatskanzlei, bekundete ebenfalls, dass sich die Netzgemeinde das Internet "zurückholen" müsse. Berlin sei der richtige Ort, um über die Zukunft des Netzes, seine Gefahren, aber auch seine Geschäftsmöglichkeiten zu diskutieren. Vor allem müsse es dabei darum gehen, "wie wir die Freiheit des Internets erhalten können". Das Netz sei vor Überwachung staatlicher oder wirtschaftlicher Natur zu schützen. Technische Ansätze wie ein nationales Routing, wie sie etwa die Deutsche Telekom ins Spiel gebracht haben, bezeichnete der SPD-Politiker als unvereinbar mit der Idee des internationalen Kommunikationsnetzes.

Andreas Gebhard von der Agentur Newthinking, die die re:publica zusammen mit den Spreeblick-Bloggern organisiert, hatte vorab dafür geworben, Online- und Offline-Aktivismus stärker zu verbinden: "Raus aus der Filter Bubble, rein in die Gesellschaft", müsse der Slogan lauten. Die Veranstalter solidarisierten sich zum Auftakt zudem mit mehreren inhaftierten Bloggern in Südostasien und Afrika und baten um Unterschriften für Petitionen für deren Freilassung.

Beispiele für subversiven Medienaktivismus präsentierte die US-Kommunikationsguerilla Yes Men, die zugleich eine Art Online-Singlebörse für die Suche nach Mitstreitern als "smartes Netzwerk" in Form eines "Action Switchboard" vorstellten. Die Verwandlungskünstler führten unter anderem ihren jüngsten Streich vor, mit dem sie auf einer "Homeland-Security"-Konferenz in Washington vor Militärs und Vertretern der Verteidigungsindustrie Einblick in den "geheimen Regierungsplan" einer Umstellung der USA auf hundert Prozent erneuerbare Energien bis 2030 gaben und dafür wider Erwarten viel Beifall ernteten.

Auf der achten re:publica, die längst ihren ursprünglichen Charme eines familiären Bloggertreffens verloren hat, sollen dieses Jahr in der "Station-Berlin" auf 30.000 Quadratmetern zahlreiche Vorträge, Diskussionen und Workshops parallel stattfinden und gleichzeitig die Toiletten nicht überlaufen. Frauen halten rund 40 Prozent der Reden.

Die Macher erwarten "vorsichtig geschätzt 8000 Besucher". Im Gegensatz zu den Vorjahren dürfen Zaungäste erstmals nicht in den Innenhof des Geländes. Dieses Jahr hat sich die Internetmesse nämlich auch noch das Medienboard Berlin-Brandenburg mit einer "Media Convention" an Bord geholt.

Dem Tagungsmotto "Into the Wild" entzieht sich auch die zu erstehende Nahrungspalette nicht: Sie bietet neben der üblichen Konferenzkost einen Stand mit "Insektenleckereien" wie Skorpionlutschern, getrockneten Heuschrecken und frittierten Mehlwürmern. (anw)