Der Live-Stream von der North West 200 macht neidisch

Besser im Nordwesten

Warum haben wir keine BBC? Wahrscheinlich, weil wir das ganze Konzept "Coolness" nicht verstehen. Während also Vauxhall den Markennamen mit der North West 200 boostet, parkt Opel einmal um, aber nur virtuell im Kopf

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Weil ich 2011 persönlich vor Ort bei der North West 200 war, verwende ich heimlich meine eigenen Bilder von damals. Merkt ja keiner. Außer Hauptsponsor Vauxhall. 9 Bilder
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Am Wochenende habe ich etwas gesehen, das mich in bester Heftig.co-Manier sehr betroffen gemacht hat, obwohl es mein Leben letztendlich doch nicht ändern wird: Den Live-Stream des irischen Roadracing-Events "North West 200" von der BBC. Der Live-Stream ist toll. Die BBC hat jedes Jahr einen Helikopter oben in der Luft und zwei Männer mit Mikrofonen in einem kleinen Kabuff unten am Grandstand. Der Heli hat eine Gyro-stabilisierte Tele-Kamera, die essenziell für die Zuschauer unten ist, die deren Aufnahmen auf großen Schirmen (oder im Live-Stream) sehen. Denn die Strecke der NW200 ist grob betrachtet ein Dreieck. Die Rennen bestehen also aus kurzen Ausbremsmanövern und hektischem Liniensortieren vor den engen Stellen und langen Windschattenduellen auf den noch längeren Geraden.

Die Geraden sind so lang, dass selbst die Superbikes mit über 200 PS am Hinterrad sich entweder im Windschatten ansaugen oder von eben so einem Ansauger gnadenlos durchgereicht werden. Alte 80er- oder 125er-Piloten kriegen Pipi inne Augen vor lauter Rührung, wenn sie das sehen. Und dann geht es bei diesen Straßenrennen ja um nichts. Außer ums Gewinnen. Also geht es eigentlich doch um alles. Die Brüder William und Michael Dunlop kämpften gegeneinander, als ginge es um ihr Leben oder gegen die Engländer. Später berühren sich James Cowton und Ryan Farquhar bei einem Überholmanöver auf einer Geraden, was zu einem ausgedehnten Schlagabtausch per Ellenbogen bei über 250 km/h führt, den (ich denk mir das nicht aus) der alte Hase Jeremy McWilliams nutzte, um sich an den beiden Kampfhähnen vorbeizusaugen, alles wie in Irland üblich im strömenden Regen! Wenn ich Fingernägel kauen würde, hätte ich nach diesem Samstag keine mehr.

Aber wir haben halt keine BBC

Warum also betrübt mich dieser Event? Aus einem Mediengrund: Weil wir in Deutschland keine BBC haben. Die BBC zeigt immer wieder, dass ein höchst bürokratisches Staatsorgan trotz aller Widrigkeiten immer wieder das Beste in der Medienwelt tut. Ich meine: Die North West 200 ist kein staatstragend riesiges Event wie Fußball, den fast jeder im Land sehen will. Sie ist ein kleines, lokales Juwel, eins für eine spezielle Zielgruppe. Keine Ahnung, in welcher Form es die NW200 ins Fernsehen schaffte, aber ein Live-Stream ist das, wonach wir nischigen Rennsport-Fans seit Ewigkeiten fragen. Wir wollen ja nur das Rennen sehen. Wir müssen unsere Vorlieben gar nicht per Rundfunk jedem anderen aufs Auge drücken, wie es andere, genauso absurde Sportarten gern tun. Nur: Einen Live-Stream an einem deutschen Motorrad-Event wird es auch die nächsten 50 Jahren nicht geben. Schon gar nicht von den Öffentlich-Rechtlichen. Bis die irgendwas außer Fußball live übertragen, was irgendjemand außer Fußballfreunden live sehen will, ist die Hölle längst drei Mal überfroren.

Jedes Jahr seit der technischen Machbarkeit schaue ich mir die Seiten der "Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft" (die heißt wirklich so dämlich) an, ob es eine Übertragung für Fans gibt. Jedes Jahr ist das umsonst. Jedes Jahr ist das obendrein frustrierend, denn die Rennen der IDM werden per Kamera aufgezeichnet. Am Geld liegt es also nicht. Das streng geheime Material darf nur offenbar keiner sehen. Wenn der Prakti irgendwann Zeit zum Schneiden hat, gibt es auf Youtube eine Zusammenfassung. Das ist aber der Geheimhaltung kaum schädlich, denn dann hat schon jeder vergessen, dass es da ein IDM-Rennen gab. Demnächst werden alle vergessen, dass es eine deutsche Motorradmeisterschaft gibt.