Fire Phone: Amazons Smartphone bricht mit Erfolgskonzept

Dem Fire Phone fehlt, was Amazons E-Book-Reader und Tablets erfolgreich gemacht hat: ein günstiger Preis, der zum Spontankauf verleitet. Der 3D-Effekt dürfte nicht ausreichen, um die Massen zu überzeugen, kommentiert c't-Redakteur Christian Wölbert.

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Ein Kommentar von Christian Wölbert

Christian Wölbert schreibt für c't über IT-Politik, E-Government, Verbraucherschutz und Umweltthemen.

Das Fire Phone bricht mit dem Erfolgsrezept von Amazons bisherigen Gadgets: Die Kindle-Reader und Fire-Tablets sind mit Preisen ab 49 bzw. 99 Euro so günstig, dass viele Kunden reflexartig zugreifen, die Geräte einfach mal bestellen und es sich nach und nach im Amazon-Universum bequem machen. Genau dazu – es sich im Amazon-Universum bequem machen – soll das Fire Phone mit seinen Amazon-Apps eigentlich auch verleiten. Es kostet jedoch mit 650 US-Dollar zu viel für einen Spontankauf: Highend statt Schnäppchen. Mit einem Killerfeature hätte es trotz des hohen Preises einen Kaufreflex auslösen können – doch eine solche Innovation fehlt dem Smartphone.

Die Technik hinter der "dynamischen Perspektive" ist zwar beeindruckend, und der Effekt sieht den ersten Eindrücken der US-Journalisten zufolge auch sehr schick aus. Aber es handelt sich eher um ein Gimmick als um eine Erfindung, die das Leben leichter macht. Die Dinge-Erkennungs-App Firefly mag im Alltag ein wenig Zeit sparen, vor allem in den USA, wo viel mehr bei Amazon gekauft wird als in Europa. Für die meisten Nutzer ist das kein Killerfeature.

Apple und Samsung schaffen es zwar auch nicht mehr jedes Jahr, das Rad neu zu erfinden. Das haben sie als Marktführer auch weniger nötig als der Neuling Amazon. Sie bieten ausgereifte Hardware, mit Bedienkonzepten, an die ihre Kunden gewöhnt sind, und die größte App-Auswahl. Also Gesamtpakete ohne echte Schwächen.

In Amazons App Store hingegen landen viele spannende Apps später als bei der Konkurrenz. Fitnesstracker, Spiele, Navi-Apps – unterwegs wollen Smartphone-Nutzer unendlich viel mehr tun als Einkaufen, und dafür wollen sie die gerade angesagten Apps. Außerdem haben sich die Menschen, die 650 Dollar für ein Handy ausgeben, schon an das Bedienkonzept und die Cloud-Dienste von iOS und Android gewöhnt. Umsteigen fällt da schwer.

650 US-Dollar sind 300 Dollar mehr als Googles günstigstes Nexus 5 kostet, das eine höhere Display-Auflösung bietet. Es kann sein, dass Amazon trotzdem nichts oder nur wenig am Verkauf des Fire verdient. Aber niemand weiß, wie teuer das Augenerfassungssystem mit vier Kameras wirklich ist. Und letztlich interessiert das den Kunden wenig. Vielleicht hätte Amazon die dynamische Perspektive einfach weglassen sollen. Mit einem Fire Phone für 200 bis 300 Dollar hätte Jeff Bezos zumindest Smartphone-Neulinge und Umsteiger anlocken können; für Spontankäufer hätte es auch noch ein wenig billiger sein dürfen.

Amazon Fire Phone (4 Bilder)

Auf dem Startbilschirm des Fire Phone befindet sich das "Karussell", mit dem man durch Apps scrollt.

(cwo)