Unglaubliche Ansagen

Ein Start-up aus Liechtenstein will eine Redoxflow-Batterie mit einer sagenhaften Energiedichte entwickelt haben. Ist das die Rettung für die Elektromobilität?

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Ein Start-up aus Liechtenstein will eine Redoxflow-Batterie mit einer sagenhaften Energiedichte entwickelt haben. Ist das die Rettung für die Elektromobilität?

Wenn etwas zu toll klingt, um wahr zu sein, sollte man zumindest in Erwägung ziehen, dass es einfach nicht wahr ist. Behauptet beispielsweise eine Firma, von der man noch nie gehört hat, plötzlich sämtliche Probleme der Elektromobilität gelöst zu haben, ist da schon eine gewisse Skepsis angezeigt. So meldet das Liechtensteiner Start-up NanoFlowcell die Entwicklung einer Redoxflow-Batterie mit einer sagenhaften Energiedichte von 600 Wh/kg entwickelt zu haben – das Vielfache eines Lithium-Ionen-Akkus. Zudem habe die Zelle eine Leistungsdichte von 6000 W/kg und einen Wirkungsgrad von 80 Prozent. 400 Liter des angeblich umweltfreundlichen Elektrolyts sollen einen Sportwagen namens Quant E zu einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern verhelfen.

Aktuelle Redoxflow-Zellen erreichen gerade mal eine Energiedichte von rund 50 Wh/kg. Deshalb kommen sie bisher vor allem stationär zum Einsatz. Die Werte, die NanoFlowcell verspricht, sind mithin eine unglaubliche Ansage. Robin Vanhaelst von der Ostfalia-Hochschule in Wolfsburg, der selber an Redoxflow-Zellen arbeitet, nennt die Daten „absolut utopisch“.

Unabhängige Belege für seine Behauptung liefert NanoFlowcell nicht. Sowohl für die Bosch Engineering GmbH, welche im Auftrag von NanoFlowcell die Autoelektronik entwickelt, als auch für den TÜV Saar, der einen Prototypen des Quant als Erprobungsfahrzeug zugelassen hat, ist die Energiequelle bisher nur als Black Box in Erscheinung getreten. „Analysen zu Leistungswerten und Messprotokollen liegen intern vor, werden aber geschützt“, schreibt mir die von NanoFlowcell beauftragte PR-Agentur. Welches Elektrolyt verwendet werde? Betriebsgeheimnis. Eine Peer-Reviewed-Veröffentlichung, Referenzen, unabhängige Messungen gar? Fehlanzeige.

Dafür wimmelt es im Pressematerial an Seltsamkeiten. So soll die Zelle 30 kW leisten, aber einen Sportwagen mit 480 kW und Fahrleistungen im Formel-1-Bereich antreiben. Der Pressesprecher erklärt die Differenz damit, dass die Zelle zunächst zwischengeschaltete Supercaps lädt, die dann ihre Energie an die Motoren abgeben. Doch wenn die Energiequelle nur 30 kW liefert, kann der Sportwagen dauerhaft im Schnitt auch nur mit 30 kW fahren – Supercaps hin oder her.

Hinter NanoFlowcell steht ein Musiker namens Nunzio La Vecchia. Gut, dass sich bei Google das „Recht auf Vergessen“ noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat. So findet man manch interessante Sache in den Archiven. 2009 hat La Vecchia beispielsweise schon einmal den Quant vorgestellt, eine E-Sportlimousine, die aber von einer Solarzelle angetrieben werden sollte, die – Überraschung! – alles in den Schatten stellt, was die etablierten Forscher in jahrelanger Arbeit in ihren Labors zustande gebracht haben. Auch hier wieder: keine unabhängigen Belege, aber reichlich Tamtam und große Pläne.

Um die angebliche Super-Solarzelle wurde es seitdem ruhig, bis auf ein gerichtliches Nachspiel: Eine Investorin fühlte sich von La Vecchia übers Ohr gehauen. Das Gericht wies ihre Klage ab – mit einer bemerkenswerten Begründung: „Wer als geschäftserfahrener Investor trotz der sich geradezu aufdrängenden Hinweise auf einen fehlenden Gegenwert dennoch einen Kauf vornimmt, ohne entsprechende Abklärungen zu tätigen, wird nicht in arglistiger Art und Weise getäuscht“, wie Spiegel Online und Basler Zeitung berichteten.

Heute sind die Belege für die Existenz einer Wunder-Flowzelle kein bisschen überzeugender. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, wie bereitwillig manche Medien von einer „Sensation“ sprechen oder NanoFlowcell einen „wichtigen Vorsprung“ attestieren. Die Bereitschaft, an einen Messias statt an harte, unglamouröse Forschungsarbeit zu glauben, ist offenbar groß. (grh)