Allein unter Maschinen

Roboter erobern unseren Alltag. Nirgendwo ist die Entwicklung weiter gediehen als in Japan. Unser Autor hat sich in ihre Hände begeben. Hier schildert er einen fiktiven Tagesablauf – mit Modellen, die es heute schon gibt.

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Lesezeit: 23 Min.
Von
  • Martin Kölling
  • Will Knight
Inhaltsverzeichnis

Roboter erobern unseren Alltag. Nirgendwo ist die Entwicklung weiter gediehen als in Japan. Unser Autor hat sich in ihre Hände begeben. Hier schildert er einen fiktiven Tagesablauf – mit Modellen, die es heute schon gibt.

Mein Tag mit den Robotern beginnt – wie sollte es anders sein – im Bett. Das Beste daran: Ich muss nicht einmal aufstehen, weil ich ein Transformer-Bett von Panasonic habe, das sich selbsttätig in einen Elektrorollstuhl verwandeln kann. Per Knopfdruck, doch mein Modell hört auch aufs Wort.

Ich: "Roboterbett."
Bett: "Was wünschen Sie?"
Ich: "Bitte werde zum Rollstuhl."
Bett: "Okay. Sind Sie bereit?"
Ich: "Ja."

Ein Teil der zweigeteilten Matratze richtet sich im Rücken hoch und winkelt die Beine an. Das dauert ein bisschen, die Bewegungen sind mir eine Spur zu rücksichtsvoll. Aber es ist ziemlich bequem. Dann fährt das Rollstuhlmodul seitlich aus dem Bett heraus und bewegt mich in eine angenehme Sitzposition.

Eigentlich hat Panasonic das Modell als Krankenbett entwickelt, um bettlägerigen Patienten mehr Selbstständigkeit zu geben. Gelähmte, Alte oder anderweitig demobilisierte Patienten sollen ohne fremde Hilfe wieder am täglichen Leben teilnehmen können. Der erste Prototyp war noch etwas unpraktisch, weil der Rollstuhlteil aufwendig aus der Mitte des Bettes ausscherte. Die Mechanik benötigte viel Platz und war teuer. Bei dem neuen Modell koppelt sich eine Hälfte des Bettes einfach ab, um sich in den Rollstuhl zu verwandeln. Inzwischen ist der Bett-Rollstuhl-Hybrid marktreif.

Ich surre Richtung Frühstückstisch. Zum Glück hat meine Wohnung weder Stufen noch Türschwellen. Im Vorbeifahren rufe ich noch meinem Roboterstaubsauger Cocorobo ein Ohaiyo Gozaimasu (Guten Morgen!) zu, was der mit einer quietschigen Kleinkindstimme wie aus einem Animationsfilm erwidert.

Meinen fiktiven Tag mit den Maschinen habe ich Japans langer Tradition als Industrieroboter-Nation zu verdanken. Nirgendwo wurden die Fabriken derart radikal automatisiert wie im Land der aufgehenden Sonne. Doch dank der Verspieltheit japanischer Ingenieure, die sich auch vor Ideen nicht scheuen, die in Deutschland den Ausschluss aus der Ingenieurszunft bedeuten würden, macht die Robotik vor nahezu keinem Bereich des täglichen Lebens halt. Hinter den Spielereien steckt natürlich ein ernsthafter Geschäftsplan. Japanische Unternehmen wollen Roboter auf den Markt bringen, die in der Nähe des Menschen arbeiten, ihm sogar zur Hand gehen können.

Frühstücken

Der Roboterdiener SmartPal VII beispielsweise kann auch unter Tischen oder aus unteren Regalen Objekte auflesen und bringen. Und in der Küche wartet ein kräftiger zweiarmiger Montageroboter des Herstellers Yaskawa. Er kann mir Okonomiyaki (japanische Pfannkuchen) auf der heißen Platte brutzeln. Zielsicher holt er sich den Teig mit der Kelle, gießt ihn aus und packt das Gemüse darauf. Dann wendet er mein Frühstück mit Pfannenhebern, gießt die Gewürzsoße darüber, stäubt grünen Tang obendrauf und verziert alles mit Mayonnaise. Das Kunststück ist aber noch nicht alles.

Der Motoman SDA10, von Yaskawas Ingenieuren liebevoll Yaskawa-kun (Yaskawachen) getauft, kann auch Softeiscreme in Waffeln lassen, Erdbeersoße als Garnierung inklusive. Zur Volksbelustigung darf er sich nun in einem 3,3 Quadratmeter großen Imbiss als Eisverkäufer verdingen. Der 2007 eingeführte Geselle besitzt sieben Gelenke und ist damit ähnlich beweglich wie ein zweiarmiger Mensch. Nur wirklich flexibel einsetzen kann ich ihn nicht. Der Roboter kann entweder Pfannkuchen oder Eis machen. Ich müsste ihn also zwischen Hauptgericht und Nachspeise aufwendig umrüsten. Zudem müssen die Zutaten an den einprogrammierten Stellen stehen, sonst greift die Hand ins Leere. Einen weiteren Nachteil finde ich nicht ganz so schlimm: Ich kann nicht mehr in die Küche – Yaskawa-kun würde keine Rücksicht auf mich nehmen. Ursprünglich entwickelt wurde er schließlich, um in der Fertigung Schrauben anzuziehen oder Bauteile einzusetzen. Damit er nicht mehr so grob wirkt und die Küche nicht an eine Fabrikhalle erinnert, montierten die Ingenieure Yaskawa lediglich eine Kopfattrappe auf den Rumpf.

Aber warum sollte ich auch in die Küche gehen? Für den Transport von Yaskawa-kuns Kochkunst an meinen Tisch sorgt ein alter Bekannter der Robotik, der humanoide Roboter Asimo des Auto- und Motorradherstellers Honda. Er ist vielleicht der älteste Humanoide, an dem noch entwickelt wird. Bereits 1980 begann Honda die Roboterforschung, um in einer Krise die Ingenieure zu motivieren. Seit dem Jahr 2000 entzückt er nun die Menschen mit seinem niedlichen Aussehen und seinen Tricks. Mit seinem großen Visier, den zwei Kameraaugen dahinter und dem Batteriepack auf dem Rücken sieht der 130 Zentimeter große Geselle aus wie ein kleiner Kindergartenastronaut. Dies sei die richtige Größe für einen Partnerroboter, meinen die Entwickler. Klein genug, um nicht bedrohlich zu wirken – aber groß genug, um einem im Haushalt zur Hand zu gehen. Aber wie bei vielen neuen Mitbewohnern muss ich erst mein Apartment ein wenig auf ihn abstimmen: Um Pfannkuchen zu transportieren, braucht er beispielsweise ein Spezialtablett, das mit Grifflöchern versehen ist.

Zielsicher greift er mit seinen fünf Fingern das Tablett mit dem Okonomiyaki. Er dreht sich um, stapft um die Kurve, weicht meinem Rollstuhl und Cocorobo aus, der an der Wand zum Stromtanken angedockt hat, und balanciert mein Frühstück auf den Tisch. Dann greift er sich die Flasche Orangensaft, öffnet den Schraubverschluss und gießt sie in einen Pappbecher, um mir zu zeigen, wie empfindsam seine Hände zupacken können. Ich bin etwas angespannt, aber tatsächlich verschüttet Asimo nichts. Seine Leistung feiert er noch mit einem Freudenhüpfer. "Danke, Asimo", sage ich.

Er blickt mich an, hält den Kopf schräg und scheint fast zu lächeln. Inzwischen kann er sich zehn Gesichter merken und Stimmen von Geräuschen unterscheiden. Auch einige Gesten erkennt er. Ich strecke ihm die Hand entgegen. Er schüttelt sie. Höflichkeit ist schließlich wichtig, will man sich als Maschine in das Leben der Menschen einschmeicheln. Wer will, kann mit ihm sogar joggen gehen, das Modell aus dem Jahr 2011 läuft bis zu neun Kilometer pro Stunde schnell.

Aufräumen

Asimo kann auch Geschirr abräumen und in die Spüle bringen, insofern ich es ihm aufs Tablett stelle. Nach einer Stunde Arbeit geht seine Energie zur Neige, meine maschinelle Haushaltshilfe muss wieder an die Steckdose. In der Küche nimmt derweil ein Roboterarm von Panasonic sachte das Geschirr auf, um es vorsichtig in den Geschirrspüler zu stellen. Für eine Maschine ist das selbst heute noch eine Herausforderung.

Sie muss nicht nur die verschiedenen Sorten Geschirr wahrnehmen, sondern sie auch nach Plan greifen: Erst die Tasse und dann den Teller, auf dem sie steht, nicht andersherum. Außerdem muss er sie nach Größe geordnet in die Spülmaschine einräumen. Das dauert. Und die Spülmaschine anstellen kann er auch nicht. Ob sich der Entwickleraufwand für eine derart überschaubare Tätigkeit lohnt, scheinen selbst Japans Ingenieure zu bezweifeln: Bislang hat Panasonic von dem Modell nur einen Prototyp gebaut. Manche Lösungen sind einfach komplizierter als das Problem, das sie beheben sollen.