Horror-Thriller "Alien: Isolation" bricht mit Spielekonventionen

Selten hat ein Horror-Adventure Spielern einen solchen Schrecken eingejagt wie Alien Isolation. Dabei ist auf der Raumstation nur ein einzelner Xenomorph auf der Pirsch.

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Wenn das Alien so nah kommt, ist es meistens schon zu spät.

(Bild: Sega)

Sega veröffentlicht heute das Videospiel Alien: Isolation für Windows-Rechner und Konsolen von Sony und Microsoft. Nach dem Desaster des Vorgängers "Aliens: Colonial Marines" vom Entwickler Gearbox wählte der neue Entwickler Creative Assembly einen anderen Ansatz. Statt auf wildes Geballere setzt Alien Isolation auf Schleichtouren durch eine düstere Raumstation. Auf dieser sucht Ripleys Tochter Amanda nach dem Flugschreiber des verschollenen Raumschiffs ihrer Mutter. Diese konnte im 1979 erschienen ersten Teil der Film-Serie als (Vorsicht Spoiler:) einzige Überlebende vom Raumschiff Nostromo fliehen.

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Wie im ersten Film genügt auch Alien Isolation ein einziges Exemplar des Xenomorphs, um den Spieler, der das Geschehen aus der Ego-Perspektive erlebt, in Angst und Schrecken zu versetzen. Denn das Alien gehorcht einer unberechenbaren KI, die (bis auf wenige Schlüsselereignisse) keinen vorgegebenen Skripten folgt. Es kann in einem Bereich, den man gerade noch für sicher gehalten hat, urplötzlich auftauchen. Mehr als einmal freute ich mich, den patrouillierenden Cyborg-Wachen entkommen zu sein, als sich plötzlich der lange Schwanz des Alien um mich schlängelte und meinen virtuellen Unterleib durchbohrte. Dann heißt es vom letzten Speicherpunkt neu zu starten. Diese Lochkarten-Terminals wurden an strategisch wichtigen Punkten auf dem Schiff verteilt. Ihr Abstand ist genau richtig zwischen den Spielabschnitten platziert, und da das Alien bei jedem Durchgang an anderer Stelle auftauchen kann, werden selbst Wiederholungen nie langweilig.

Waffentechnisch hat Amanda dem Alien nichts entgegenzusetzen. Sie kann allenfalls mit herumliegenden Schrotteilen improvisieren und Lautsprecher mit Klebeband zusammenflicken, die dann das Alien für einige Sekunden ablenken. Selbst ein Flammenwerfer, den sie im späteren Verlauf findet, verscheucht das außerirdische Reptil nur kurz. Also horcht und schaut man immer wieder auf seinen Bewegungs-Melder und verschwindet schnell in einen der Schränke. Dann kann man nur noch durch die Schlitze lugen und muss sich ganz auf die Geräusche konzentrieren, bis die Luft wieder rein ist. Wenn man Pech hat, hört einen das Alien atmen und bricht die Tür auf. Sicher ist man nirgends.

Nicht nur vor dem Alien ist Amanda auf der Flucht. Sie muss auch Cyborg-Wachen austricksen, deren Patrouillen allerdings besser auszurechnen sind.

(Bild: Sega)

Die Sound-Kulisse ist den Machern hervorragend gelungen. Sie ist keineswegs brachial, sondern hüllt den Spieler in eine atemberaubende Atmosphäre. Auf Surround-Anlagen oder mit Kopfhörern kann man die dumpfen Klettergeräusche von allen Seiten hören, sodass man denkt, das Alien krabbelt tatsächlich durch einen Schacht in der Wand.

Auch grafisch haben die Designer eine authentische Umgebung erschaffen. Ganz wie im alten Film scheinen auch die Rechner an Bord der Raumstation aus den 70ern zu stammen. Sie funktionieren mit Lochkarten und geben ihre Texte auf grün leuchtenden Röhrenbildschirmen aus. Die Station wirkt dadurch deutlich realer als Umgebungen in anderen Science-Fiction-Spielen, die alles mit High-Tech vollpfropfen und antiseptisch glänzen lassen. Hinzu kommen beeindruckende Licht- und Nebel-Effekte, Unschärfe-Filter und grobes Filmkorn, die den Retro-Stil weiter verstärken.

Das detailverliebte Retro-Design der Rechner auf dem Raumschiff unterstützt die authentische Wirkung der Umgebung.

(Bild: Sega)

Nicht ganz so filmreif sind allerdings die Gesichter der übrigen Figuren. Sie wirken vergleichsweise steif und schauen die eigene Spielfigur in Dialogsequenzen nicht an. Ihre Lippen bewegen sich zudem nicht synchron zu ihren Stimmen, was ihre apathische Wirkung noch verstärkt. Bei den wacheschiebenden Cyborgs wirken die starren Gesichtszüge mit den funkelnden Augen hingen sehr bedrohlich.

Mit seinem Konzept, auf Action und Geballere zu verzichten und den Spieler nahezu über die gesamte Spielzeit von 15 bis 20 Stunden (je nachdem, welchen Schwierigkeitsgrad man wählt und wie forsch man sich bewegt) permanent unter Spannung zu setzen und nie in Sicherheit zu wiegen, schwimmt Alien Isolation gegen den allgemeinen Trend zu immer einfacher konsumierbaren Action-Spektakeln. Selbst wenn man hier eigentlich nichts macht, sondern nur still im virtuellen Schrank hockt und sich vor dem Alien versteckt, rast der Puls wie wild. Kaum ein Spiel zuvor konnte eine solch intensive Atmosphäre aufbauen, da verzeiht man ihm die wenigen Unzulänglichkeiten leicht. Sega ist hier ein wichtiger Meilenstein des Horror-Genres gelungen, der spielerisches Neuland markiert und den vergurkten Vorgänger vergessen lässt.

Anmerkung: Getestet wurde die PS4-Version des Spiels, dessen Grafik dem Videoclip entspricht. Die Varianten für die alte Konsolengeneration (PS3/Xbox 360) rendern die Grafik in einer geringeren Auflösung und zeigen Texturen nicht so detailliert, was der Atmosphäre einen Dämpfer verpasst. Das fällt vor allem bei den Texten auf den Monitorbildschirmen der Raumstation auf, die schlechter zu lesen sind. Die von uns bemängelte Asynchronität von den deutschen Sprechern und Lippenbewegungen ist nach dem ersten von Sega veröffentlichten Patch noch immer vorhanden. (hag)