Drohnen-Angriffe, gezielte Tötungen und Verschleppungen: Was nach der Folter kommt

Folter ist moralisch verwerflich. Und: Durch Folter gewonnene Information ist unzuverlässig. Trotzdem dient diese als Grundlage für Handlungen. Darunter auch Drohnenangriffe und illegale Hinrichtungen. Unter Umständen sogar als Anlass für Kriege.

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US-Kampfdrohne MQ1-Predator

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Inhaltsverzeichnis

Der Bericht des US-Senats über die von der CIA eingesetzte Folter hat deutlich gezeigt: Staatliche Folter ist nicht bloß eine humanitäre Schande und Missachtung der eigenen Identität als Mensch; sie ergibt auch innerhalb des Systems Geheimdienst wenig Sinn. Denn die dabei gewonnenen "Erkenntnisse" sind kaum brauchbar. Trotzdem werden sie weitergeleitet und mit anderen Angaben vermischt. Mit grausamen Folgen.

Denn dieses Gemisch dient als Grundlage für Entscheidungen aller Art. Das muss nicht gleich ein Krieg sein. Es kann auch die Verschleppung Unschuldiger in ein Lager auf einer fremden Insel sein. Oder ein Drohneneinsatz in Vorderasien, Kollateralschaden nicht ausgeschlossen. Oder illegale Hinrichtungen im fernen Afrika.

Al Jazeera berichtet über hunderte "außergerichtliche Hinrichtungen" durch die kenianische Polizei. Auch das ist keine Neuigkeit, 2009 wurde dazu ein UN-Bericht veröffentlicht. Doch nun zeigt Al Jazeera Interviews mit vier Männern, die aktiv tötende Polizisten sein sollen. Sie geben ihre Attentate freimütig zu, ja sind sogar stolz darauf. Auch so mancher kenianische Forenposter begrüßt die Morde.

Die Polizei tötet laut Bericht aus unterschiedlichen Motiven: Politische Säuberungen, Selbstjustiz, Rache und so weiter. Das vom Emir von Katar finanzierte Medium Al Jazeera konzentriert sich auf jene fast 500 Mordopfer, die offiziell als terrorverdächtig gelten. Grundlage für ihre "Elimination" sollen Angaben westlicher Geheimdienste gewesen sein.

"Sobald sie uns die Informationen geben, wissen sie, was sie uns gesagt haben", sagt einer der unkenntlich gemachten Informanten in Al Jazeeras Video, "(Wenn sie sagen) 'Herr Sowieso' ist in diese und jene Aktivitäten verwickelt, ist er morgen nicht mehr da. Wir haben gearbeitet. Absolut: Der Bericht, den Sie uns gegeben haben, wurde bearbeitet."

Als Quellen der geheimdienstlichen Informationen werden namentlich Israel und Großbritannien genannt. Israel ist ebenfalls dafür bekannt, mit Agenten Jagd auf einzelne Feinde zu machen. Und Großbritannien ist eines der "Five Eyes": Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und die Vereinigten Staaten von Amerika arbeiten bei der Spionage eng zusammen und teilen ihre Daten miteinander.

In diesem gemeinsamen Topf land(et)en wohl auch Angaben, die durch Folter gewonnen wurden. Und die Folterknechte werden eher selten betonen, wie unbrauchbar die von ihnen beigebrachten Informationen sind. Ein Schreibtischtäter auf einem anderen Kontinent wird sich dann schwer tun, die Lage richtig zu beurteilen.

Natürlich müssen die Angaben Al Jazeeras wegen seiner Finanzierung durch Katar, das sich immer wieder des Verdachts der Unterstützung islamistischer Terroristen ausgesetzt sieht, mit Vorsicht genossen werden. Von offiziellen Stellen gibt es entweder keinen Kommentar oder Dementis.

Aber ganz grundsätzlich gilt: Je geringer die Qualität von Information ist, desto schlechter wird auch die Qualität der daraus gezogenen Schlussfolgerungen sein. Folterungen hier, Tötungen dort können daher nicht als von einander unabhängige Elemente des Systems Nachrichtendienst gesehen werden. Denn sie hängen an derselben Kette aus Informationsgewinnung und -verarbeitung.

Deswegen ergeben Folterverhöre schon innerhalb des Systems Geheimdienst wenig Sinn. Die Falschen zu töten oder einzusperren schafft keine Sicherheit, sondern bringt nur neue Feinde hervor. Die ethische Dimension haben wir dabei noch gar nicht gestreift. (ds)