LiMux: Neuer Wirbel um Linux in München

Ein Ausfall des städtischen Mailservers übers Wochenende hat den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) aufgebracht. Der Boulevard sieht LiMux damit vor dem Aus. Eine Sprecherin des Rathauschefs weist dies zurück.

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Linux-Betriebssystem für Kommunen

(Bild: dpa, Peter Kneffel)

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Im Büro des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD) herrscht dicke Luft: "Dass der Mailserver der Stadt München tagelang nicht erreichbar ist, kann ich nicht akzeptieren ", zitiert die Abendzeitung (AZ) den Sozialdemokraten. "Da muss es technische Möglichkeiten geben, das zu verhindern." Außer ihm seien 33.000 Mitarbeiter betroffen gewesen, teils hätten sie ihren Unmut ihm gegenüber per SMS Luft gemacht.

Das Projekt Linux in München (LiMux) stehe angesichts der Wut des Rathauschefs nun endgültig vor dem Aus, schreibt die AZ: Die Panne schieße den Pinguin ab. Reiter selbst erklärte dem Boulevardblatt, dass die Stadt jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag in die IT investiere: "Da kann ich mit der zweitbesten Lösung nicht zufrieden sein."

Die Rathausführung bemüht sich nun, die Fakten zurechtzurücken. Das Zitat sei aus dem Kontext gerissen worden, erläuterte OB-Sprecherin Petra Leimer-Kastan gegenüber heise online. Reiter wisse natürlich, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Desktop-System LiMux und den Servern gebe, auch wenn diese ebenfalls unter Linux liefen. Sämtliche Gerüchte stimmten nicht, dass sich der Oberbürgermeister für einen Wechsel zurück zu Microsoft ausgesprochen habe. Es bleibe dabei, dass eine "ergebnisoffene" Bestandsaufnahme der gesamten IT durchgeführt werde.

Offenbar hat Reiter aber zunächst lieber mit der Presse als mit dem städtischen Dienstleister IT@M gesprochen. Dieser hat die Stadtspitze inzwischen informiert, dass der Mailserver am Freitagabend in die Knie gegangen sei. Schuld daran "war eine Mail mit einem zu langem Betreff", erklärte ein Rathaussprecher gegenüber heise online. Die Panne habe am Montagvormittag beseitigt werden können. Es habe dann bis zum Abend gedauert, bis alle aufgelaufenen Nachrichten ausgeliefert worden seien. Verlorengegangen sei nichts.

Reiter gilt nicht als LiMux-Freund. Nach seiner Amtsübernahme im Mai ließ er sich im Behördenmagazin "Stadtbild" als "Microsoft-Fan" darstellen. Der Personalrat der Stadtverwaltung hat dem OB gerade in einem "offenen Brief zur Zukunft der IT" vorgeworfen, "kontraproduktiv" zu handeln. Die zunehmend auch in die Öffentlichkeit getragenen Zweifel an LiMux "wirken alles andere als stabilisierend", schreibt die Vorsitzende Ursula Hofmann. Der "Geist der neuen IT" müsse gelebt werden und "wie ein kleines Pflänzchen wachsen und sich verfestigen". Dies brauche Zeit und vor allem Sicherheit.

Hofmann verweist darauf, dass nach aktuellen Kenntnisstand rund 20 Prozent der Stellen bei IT@M nicht besetzt seien. Auf dieser Basis sei es schwierig, "Prozesse und Veränderungen voranzutreiben". Intern sei gar eine "Flucht aus der IT" festzustellen. Ein schnell greifendes und attraktives Personalentwicklungskonzept müsse her. Generell sei es wichtig, das Thema differenzierter anzugehen und die vorhandenen Probleme "unabhängig von der Frage des Betriebssystems zu betrachten". Dazu brauche es aber keine externe Beratungsfirma, die Reiter einspannen will. Hilfe von außen sei allein beim Erstellen eines Fragebogens zum Ausloten von Schwierigkeiten der Mitarbeiter mit der IT sinnvoll.

Der Münchner Stadtrat, der bislang hinter LiMux steht, will dem Vernehmen nach die Rathausspitze auffordern, zunächst eine Beschäftigtenumfrage zur Nutzerzufriedenheit durchzuführen und auf dieser Basis eine externe Untersuchung in Auftrag zu geben. Einen Antrag darauf haben die Grünen gestellt. Für die aushäusige Studie soll nach Weihnachten ein Anforderungskatalog erstellt und mit den Ergebnissen der Nutzerbefragung zusammengeführt werden.

Die Alternative für Deutschland (AfD) im Stadtrat peilt derweil einen Beschluss an, wonach alle städtischen EDV-Eigenentwicklungen "der weltweiten Gemeinschaft als Open Source Software zur Verfügung" gestellt werden sollen. Alle neuen Entwicklungsaufträge für Drittfirmen müssten dazu führen, dass sie freier Software übergeben. So könnten andere Kommunen von den Münchner Anstrengungen besser profitieren. Noch unerledigt ist ein Antrag der Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung unter Einschluss von FDP und Piraten vom Juli, wonach die Stadt eine "umfassende Bestandsaufnahme der bisherigen Erfahrungen" mit LiMux durchführen soll. (anw)