US-Kongress legitimiert nebenbei NSA-Spionage gegen US-Bürger

Unbemerkt von vielen Volksvertretern hat der US-Gesetzgeber eine Klausel in der Etatgenehmigung der nationalen Geheimdienste abgesegnet, die das Ausspähen der eigenen Bürger ohne Richterbeschluss erlaubt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen
US-Kongress legitimiert nebenbei NSA-Spionage gegen US-Bürger

Die NSA-Reform stockt, der Ausbau der Überwachung in den USA nicht.

Lesezeit: 3 Min.

Die NSA und andere US-Geheimdienste dürfen US-Bürger künftig mit dem Segen des US-Kongresses ausforschen. Mit 325 zu 100 Stimmen hat das Repräsentantenhaus Mitte der Woche einen Gesetzentwurf zur Autorisierung der Budgets der Nachrichtendienste für 2015 verabschiedet. Was viele der Abgeordneten offenbar gar nicht mitbekamen: Der Senat hatte kurz davor ohne großes Aufsehen einstimmig einen Absatz eingefügt, der das Ausspähen US-amerikanischer Grundrechtsträger gestattet.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Dabei handelt es sich um Paragraph 309 des "Intelligence Authorization Act". Er legitimiert den "Beifang" aus der Auslandsaufklärung, also das eigentlich "unbeabsichtigte" Aufschnappen von Inhalts- oder Metadaten eigener Bürger beim Erfassen von Kommunikationsströmen etwa per Satellit, klassischer Telekommunikation oder Internet, die primär auf "Auslandsstrecken" ausgerichtet sein sollen.

Bislang stützte sich die NSA beim Sammeln und Auswerten entsprechender Informationen auf das Dekret 12333, das der frühere US-Präsident Ronald Reagan ursprünglich 1981 erlassen hatte. Es hat auch zugelassen, dass Unternehmen und andere Einrichtungen überwacht werden, solange diese eine "irgendwie geartete Beziehung zu ausländischen Organisationen oder Mitarbeitern haben". Dies kann im Fall einer US-Firma schon gelten, wenn dort ein Ausländer angestellt ist. Eine ähnliche Praxis verfolgt der Bundesnachrichtendienst (BND) unter dem Aufhänger der "Funktionsträgertheorie".

Abschnitt 309 des neuen Gesetzentwurfs stellt nun Regeln für das Aufbewahren von "beiläufig abgefangener Kommunikation" auf. Er bezieht sich unter anderem sehr allgemein auf "verdeckte" private Mitteilungen und Beziehungen, die ohne Einwilligung der Betroffenen erhoben werden oder in einem "elektronischen Speicher" wie etwa Cloud-Servern liegen. Ausdrücklich wird ausgeführt, dass es sich bei den Überwachten auch um US-Bürger handeln darf.

Für entsprechende Daten, die ohne Gerichtsbeschluss oder vergleichbare Anordnung erhoben wurden, stellt der Paragraph Verfahrensregeln auf. So sollen sie nicht mehr länger als fünf Jahre gespeichert werden dürfen. Allerdings wird diese Bestimmung durch zahlreiche Ausnahmegenehmigung durchlöchert.

Der Republikaner Justin Amash hatte seine Kollegen kurz vor dem Beschluss gewarnt, dass der Paragraph der NSA erstmals eine gesetzliche Genehmigung gebe, Kommunikation von US-Bürgern ohne rechtmäßiges Verfahren zu erfassen, zu speichern und an Dritte zu übertragen. Die eingebauten Schutzbedingungen seien viel zu schwach. Der Kongress habe ein solches Vorgehen bislang nie gebilligt. Der Abgeordnete, dem es 2013 fast gelungen war, die Befugnisse der NSA zur Massenüberwachung zu stoppen, appellierte daher an die Volksvertreter, gegen den in einer Nacht-und-Nebel-Aktion geänderten Entwurf zu stimmen.

"Viele Mitglieder des Abgeordnetenhauses waren sich nicht bewusst, dass die Bestimmung in letzter Minute eingebaut wurde", erklärte die Demokratin Zoe Lofgren gegenüber US-Medien. "Wenn wir einen Tag mehr Zeit gehabt hätten, hätten wir sie wahrscheinlich stoppen können." Sie selbst habe dagegen votiert, da die Klausel komplett im Widerspruch zu einer anderen Initiative stehe, wonach die NSA einen Gerichtsbeschluss zum Verwerten von Beifang aus der Auslandsaufklärung einholen müsste. (mho)