10 Jahre YouTube: Ein Besuch im Zoo

Vor zehn Jahren ging die Domain Youtube.com ans Netz – Sammelbecken für Katzenvideos aller Art, Talentschmiede und Plattform für eine neue Star-Generation sowie als Informationsquelle, wenn klassische Medien passen müssen.

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10 Jahre YouTube: Ein Besuch im Zoo

One-Hit-Wonder: "Numa Numa"-Guy Gary Brolsma fand seine 15 Minuten auf Newgrounds.com – und bei YouTube zahlreiche Nachahmer.

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Wann hat ein Web-Dienst wie YouTube eigentlich Geburtstag? Am offiziellen Launch-Termin? Dann käme dieser Artikel zum runden Jubiläum um zehn Monate zu früh, denn wirklich gestartet ist YouTube erst im November 2005. Zum Beta-Start, also als die Site das erst Mal öffentlich zugänglich war? In der Tat sieht Google das als den eigentlichen Starttermin und wird, wie es heise online auf Nachfrage mitteilte, heute nicht groß feiern, sondern erst im Mai.

Der Öffentlichkeit sind solche Spitzfindigkeiten egal. Am Valentinstag vor zehn Jahren ging die Domain YouTube.com ans Netz, und dieser Termin hat sich als Geburtstag festgesetzt. Diese zehn Jahre stehen für eine beispiellose Erfolgsgeschichte: Eine Milliarde Benutzer sehen mehr als sechs Milliarden Stunden Videos pro Monat und machen den Videodienst zur drittgrößten Website der Welt. YouTube ist in Europa alleine für gut 17 Prozent des Internet-Traffics verantwortlich. Der ohnehin schon riesige Video-Fundus wächst um 100 Stunden Material – pro Minute.

Die meisten dieser Videos werden wohl nur von ihren Urhebern angeschaut. Andere klassische YouTube-Filme und -Memes dagegen sind so originell, lustig oder absurd, dass Millionen Menschen weltweit sie geteilt und zu Online-Hits gemacht haben: Star Wars Kid, Rickrolling und Katzen auf Staubsaugrobotern sind längst Ikonen der Internet-Kultur.

Den riesigen Erfolg haben sich die drei ehemaligen PayPal-Mitarbeiter Chad Hurley, Steve Chen und der aus Deutschland stammende Jawed Karim wohl kaum erträumt, als sie den Videodienst starteten. Karims Besuch im Zoo war das erste Video auf der Plattform. Dass sich ausgerechnet YouTube gegen etliche ähnliche Dienste durchsetzen konnte, liegt wohl auch daran, dass die Gründer Glück bei der Finanzierung hatten.

Zunächst schob das Risikokapitalunternehmen Sequoia Capital den Start an, Ende 2006 übernahm Google das Unternehmen für 1,65 Milliarden Dollar. Es hat aber noch etliche Jahre gedauert, bis YouTube ein finanzieller Erfolg wurde. Erst Anfang 2012 sprach Larry Page davon, dass sich die große Wette auf das Videoportal ausgezahlt hätte.

YouTube war schon sehr früh ein wichtiges journalistisches Medium. So strebte die Plattform bereits früh Kooperationen mit Medienhäusern wie NBC und CNN an. Die große Stärke von YouTube war und ist aber, dass jedermann Bilder aus Gegenden liefern kann, die Journalisten nicht bereisen können, weil es zu gefährlich ist, aktuell etwa die Ostukraine und die ISIS-Gebiete.

Politiker und Promis nutzen YouTube seit jeher als Werbekanal. Das gilt auch für Musiker, für die der Dienst zu einer Art MTV-Ersatz wurde. Das am meisten angeklickte YouTube-Video schlechthin, Gangnam Style des koreanischen Rappers Psy wurde mehr als 2 Milliarden mal aufgerufen. YouTube ist aber auch früh zu einer Talentschmiede für neue Musiker geworden, die erst durch ihre Videos zu Online-Bekanntheiten wurden und dann einen Plattenvertrag bekamen – Justin Bieber zum Beispiel.

YouTube-Phänomene (16 Bilder)

Vor Psy waren diese zwei kleinen Racker mal ganz oben. Als einzige Nicht-Popstars sind die englischen Brüder immer noch in den Top 10.

Es war YouTube immer wichtig, normale Nutzer als Inhalte-Lieferanten an sich zu binden. Jedermann kann sich bereits ab 2007 an den Werbeerlösen beteiligen lassen, die seine Videos einspielen. Im Idealfall reichen die Einnahmen sogar, um davon zu leben – dem YouTuber beschert das ein Einkommen, YouTube einen eigenen Kanal, den es nur auf dieser Plattform gibt.

Seit 2011 hat Google ein insgesamt 300 Millionen Dollar schweres Förderprogramm aufgelegt, um solche "Original Channels" zu etablieren. Mit Erfolg; die Channels tragen heute wesentlich zum Erfolg bei. Der Schwede Felix Arvid Ulf Kjellberg aka PewDiePie hat mit seinem Channel sogar 34 Millionen Abonnenten. Insbesondere die Generation U30 sieht sich lieber Let's-Play-, Comedy- oder Schminktipp-Videos auf YouTube an als klassisches Fernsehen.

Auch in Deutschland gibt es sehr erfogreiche YouTuber, darunter Ratgeber Sami Slimani, die singenden Zwillinge DieLochis, Simon Unge oder die Modebloggerin daaruum. Der beliebteste deutsche Channel, Gronkh, hat 3,5 Millionen Abonnenten.

"Youtuber sind oft Vorbilder, sind bester Kumpel, großer Bruder und Ersatzelternteil in einem", sagt Mirko Drotschmann. Der 28-Jährige erklärt in seinen Videos als MrWissen2go aktuelle Themen und hilft bei Schulaufgaben. Jugendliche fühlen sich den Youtubern näher als Popstars oder Fernsehschönheiten, sagt er. "Die Youtube-Stars sind eher Leute von nebenan, das spielt eine ganz wichtige Rolle. Die sind wie ihre Zuschauer."

So kommt es, dass die Jugendlichen ihre YouTube-Lieblinge auch um Rat im Alltag fragen. "Wir bekommen sehr viele persönliche Mails", sagt Lamiya Slimani. Sie ist die Schwester von Sami Slimani und selbst erfolgreiche Videomacherin mit mehr als einer halben Million Fans. "Das ist eine Riesen-Verantwortung."

Manche Youtuber sind so bekannt, dass sie mit ihren Videos Geld verdienen. Sie bekommen einen Teil der Einnahmen aus Werbung, die vor und während ihrer Videos angezeigt wird. Andere wollen auch den Offline-Markt erobern: Die drei Slimani-Geschwister haben etwa ein Buch auf den Markt gebracht. Andere Youtuber halten Produkte in die Kamera oder arbeiten mit Unternehmen zusammen. In Deutschland rief das bereits die Medienaufsicht auf den Plan, die in einem Fall prüfte, ob das Anpreisen als Schleichwerbung zu werten sei.

Das zeigt: 10 Jahre nach der Gründung ist Youtube auch ein Milliarden-Geschäft geworden. Unternehmen wollen über die Youtube-Stars junge Käufer erreichen und rangeln um den nächsten viralen Hit im Netz. Edeka landete so einen Treffer mit dem Supergeil-Spot, der auch Schauspieler Friedrich Liechtenstein bekannt machte. Andere Firmen versuchen, ihre Anzeige wie ein Nutzervideo aussehen zu lassen. Das geschah bei dem schwarz-weiß Video First Kiss, in dem sich Fremde zum ersten Mal küssten.

Wo viel Geld verdient wird, wollen andere mitverdienen. So liegt YouTube hierzulande seit Jahren im Dauer-Clinch mit der deutschen Musik-Verwertungsgesellschaft Gema, was zu vielen blockierten Videos führt, die im Rest der Welt zugänglich sind. Unbeliebt macht sich auch Nintendo, das an Gewinnen von Let's-Play-Videos mitverdienen will, wenn die eigenen Spiele darin vorkommen. Netzbetreiber, die ihre eigenen Online-Videotheken betreiben, würden YouTube gerne ausbremsen oder zumindest für den durchgeleiteten Traffic die Hand aufhalten.

Ein Medium, in dem jeder Bürger Missstände dokumentieren kann, ist Regierenden ein Dorn im Auge. So wird YouTube in China und Pakistan dauerhaft blockiert, aber auch in der Türkei, in Marokko, in Thailand und anderen Ländern ist es bereits zensiert worden. Woanders wird die Offenheit der Plattform für Propaganda missbraucht. Die Dschihadisten des islamischen Staats nutzen YouTube, um Kämpfer zu rekrutieren. (jo)