US-Regulierer FCC verabschiedet starke Regeln zur Netzneutralität

Die neuen Vorgaben der US-Regulierungsbehörde FCC untersagen Internetprovidern das Blockieren oder Verlangsamen legaler Inhalte und Dienste sowie das Einrichten von "Überholspuren". Bürgerrechtler feiern einen historischen Sieg.

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US-Regulierer verabschiedet starke Regeln zur Netzneutralität
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Die Federal Communications Commission (FCC) hat sich am Donnerstag nachdrücklich gegen ein Zwei-Klassen-Internet ausgesprochen. Die US-Regulierungsbehörde hat ein neues Rahmenwerk verabschiedet, das die Netzneutralität für das leitungsgebundene und das mobile Breitband-Internet festschreibt. Providern wird es damit untersagt, legale Inhalte, Anwendungen oder Dienste zu blockieren oder auszubremsen. Zudem dürfen sie keine Mautstellen auf der Datenautobahn einrichten, ab denen Internetverkehr gegen Entgelt quasi auf einer Schnellspur bevorzugt weitergeleitet würde.

Die Regeln verordnen Zugangsanbietern auch mehr Transparenz. So müssen Breitbandanbieter künftig in einem einheitlichen Format Auskunft geben über anfängliche Werbepreise, Gebühren, Aufschläge und Bandbreitenbegrenzungen. Zudem müssen sie den Verlust von Datenpaketen bekannt geben, damit die Leistungsfähigkeit ihres Netzwerks mess- und vergleichbar wird. Kleinere Provider mit weniger als 100.000 Kunden sollen von diesen Transparenzauflagen für eine begrenzte Zeit ausgenommen werden.

Netzneutralität

Netzneutralität bedeutet, dass Inhalte im Internet gleichberechtigt ihren Weg finden. Vor allem Provider und Carrier wollen aber beispielsweise für Videos extra zu bezahlende Überholspuren einbauen. Für User entstünde ohne Netzneutralität ein Zweiklassen-Internet.

"Angemessenes Netzwerkmanagement" bleibt erlaubt. Es soll Zugangsanbietern helfen, die besten Möglichkeiten aus den eingesetzten Verbindungstechniken herauszuholen. Reine Geschäftszwecke dürfen damit nicht verfolgt werden; ein Provider darf sich also etwa nicht auf Erfordernisse des Verkehrsmanagements berufen, wenn er sein Versprechen einer "unbegrenzten" Daten-Flatrate nicht einhalten will oder kann.

Den ausführlichen Text der neuen Bestimmungen will die Kommission nach dem Einarbeiten der Stellungnahmen ihrer Mitglieder veröffentlichen. Die bisher verfügbaren Erläuterungen streifen das besonders umstrittene Thema der Spezialdienste nur kurz. So heißt es, dass einige Datendienste nicht über das öffentliche Internet laufen und so nicht als Angebote von Breitband-Zugangsanbietern verstanden werden könnten. Als Beispiele nennt die FCC Internet-Telefonie, die über ein spezielles Kabelsystem abgewickelt wird, oder spezielle Tele-Gesundheitsdienste etwa zum Beobachten der Herztätigkeit.

Die Anordnung stelle sicher, dass derlei Sonderdienste "nicht die Effektivität der Regeln für das offene Internet" gefährdeten, betont die Behörde dazu ohne Preisgabe von Details. Zudem gälten die Transparenzauflagen auch für derlei Services, sodass die FCC ein waches Auge auf die Anbieter werfen könne. Erstmals erhalte man zudem die Kompetenz, Beschwerden über den Austausch von Datenverkehr zwischen Providern entgegenzunehmen und einzuschreiten, wenn "Interconnection"-Aktivitäten nicht gerechtfertigt seien.

Wie die Behörde betont, beruhen die Netzneutralitätsprinzipien auf der "stärksten möglichen Rechtsbasis". So werden Breitbandanbieter erstmals genauso eingestuft wie klassische Telekommunikationsdienste unter der sogenannten Bestimmung 2 des US-Kommunikationsgesetzes. Damit werden unangemessene Praktiken und Diskriminierung generell untersagt. Zudem gelten so verschärfte Datenschutz- und spezielle Zugangsbestimmungen für Menschen mit Behinderungen.

Alle Anforderungen aus der einschlägigen Rechtsnorm sollen aber entgegen früherer Ankündigungen nicht auf Breitbandprovider ausgedehnt werden, was 2010 schon einmal zur Debatte stand. Im Gegensatz etwa zu Stromversorgern würden ihnen etwa keine Tarife vorgeschrieben, unterstreicht die FCC. Auch eine Pflicht, Wettbewerbern den Zugang zur "letzten Meile" zu eröffnen, gebe es nicht. Breitbandanbieter müssten zudem vorerst nicht in den Universaldienst-Fonds einzahlen, da für den Erhalt dieses Programms zum Anschluss aller ans Netz separat nach Lösungen gesucht werde. Als weitere Basis wird Abschnitt 706 des US-Telekommunikationsgesetzes angeführt.

Für den Plan stimmten die drei Demokraten im FCC-Vorstand, die beiden Republikaner waren dagegen. Letztere beklagten eine Überregulierung, die einen innovativen Markt abzuwürgen drohe. Die gewählte Rechtsform werde auch als "nukleare Option" bezeichnet, da vor allem Kabelgesellschaften bereits den "3. Weltkrieg" angedroht hätten, falls sich die Kommission darauf berufen sollte.

FCC-Chef Tom Wheeler hielt dagegen, dass sich bei einer Konsultation rund vier Millionen Nutzer für eine derart starke Verankerung des offenen Internets ausgesprochen hätten. Es gehe nicht um einen "Geheimplan", um das Netz zu regulieren. Andernfalls müsste man auch den 1. Verfassungszusatz zur Meinungsfreiheit als Vorstoß zum Regulieren der freien Rede bezeichnen. Beide Ansätze stünden für die gleichen Konzepte der Offenheit und der Ausdrucksfreiheit. Sie seien eine Absage an Schleusenwärter, die bestimmen wollten, was Leute tun oder denken können. Insgesamt schütze die Verordnung die Innovation im Internet und stimuliere Investitionen in Breitbandnetze.

Bei der Initiative handelt es sich um den dritten Anlauf der FCC, die Netzneutralität zu verankern. Gegen den jüngsten Vorstoß hatte unter anderem Verizon geklagt. Das zuständige US-Berufungsgericht erklärte die Auflagen daraufhin Anfang 2014 für rechtswidrig, da die rechtlichen Grundlagen nicht ausreichten. Der Chefjustiziar von AT&T, Jim Cicconi, ließ nun durchblicken, dass der Konzern eine Klage wieder für aussichtsreich halte. Es mache keinen Sinn, einen Regulierungsrahmen aus den 1930ern den neuen Vernetzungstechnologien überzustülpen.

Die US-Organisation Free Press begrüßte dagegen die Entscheidung, die "echte Netzneutralität" schütze und den "größten Sieg für das öffentliche Interesse in der Geschichte der Agentur" darstelle. Auch der hiesige Bürgerrechtsverein Digitale Gesellschaft spricht von einer "historischen Entscheidung für die Freiheit, Offenheit und Innovationskraft des Netzes". Europa müsse nun "mit den USA gleichziehen und das Internet als öffentliches Gut anerkennen, statt weiter ein Zwei-Klassen-Netz zu befördern". (mho)