Schweiz: Vorerst keine gesetzliche Netzneutralität

Im Gegensatz zum Nationalrat will der Ständerat, die kleine Kammer des Schweizer Parlaments, die Netzneutralität nicht gesetzlich verankern. Für künftige Entscheidungen will man aber auch beobachten, wie die Angelegenheit im Ausland geregelt werde.

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Schweiz: Vorerst keine gesetzliche Netzneutralität
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Von
  • Tom Sperlich

Keinen Handlungsbedarf bei der Frage einer Netzneutralität – also der Gleichbehandlung aller Arten von Daten beim Transport im Internet – sieht der Ständerat, die zweite Kammer des Schweizer Parlaments. Dies ergab eine Debatte mit abschließender Abstimmung am Montag. Ein Antrag des Nationalrats der Grünen Partei, Balthasar Glättli, die Netzneutralität bei der geplanten Teilrevision des Fernmeldegesetzes gesetzlich zu verankern, erhielt lediglich 17 Ja-Stimmen. 26 stimmten dagegen, bei 0 Enthaltungen.

Netzneutralität

Netzneutralität bedeutet, dass Inhalte im Internet gleichberechtigt ihren Weg finden. Vor allem Provider und Carrier wollen aber beispielsweise für Videos extra zu bezahlende Überholspuren einbauen. Für User entstünde ohne Netzneutralität ein Zweiklassen-Internet.

In der großen Kammer, dem Nationalrat, war Glättli, dem dortigen Fraktionschef der Grünen, mehr Erfolg beschieden. Dort war Mitte vergangenen Jahres sein parlamentarischer Vorstoß angenommen worden: Transparente und diskriminierungsfreie Datenübertragung soll als wesentliche Basis der Informations- und Meinungsfreiheit bei der Revision des Fernmeldegesetzes festgehalten werden. Die Kontrolle über den Empfang, den Versand und eine eventuelle Bevorzugung gewisser Daten müsse beim Konsumenten liegen. Und dies solle sowohl für das Festnetz als auch das Mobilfunknetz gelten, heißt es in der Motion.

Der Ständerat teilte nun diese Meinung nicht, oder zumindest nicht ganz: Der Rat folgte im Grundsatz seiner vorberatenden Kommission. Diese fand, dass die Netzneutralität in der Schweiz nicht verletzt werde und es keinen dringenden Handlungsbedarf gebe. Die Mehrheit der Kommission und der Bundesrat meinen , jedoch, "dass weitere Vorschriften auf formell-gesetzlicher Stufe bei Bedarf allenfalls in einer späteren Phase erlassen werden können". Man wolle "die internationale Entwicklung im Bereich Netzneutralität weiterverfolgen, bevor eine verpflichtende Regulierung ins Auge gefasst wird".

Vorerst genügten aber die Maßnahmen, die die Regierung bei der Revision des Fernmeldegesetzes vorgesehen habe. Sie setzt außerdem auf einen Verhaltenskodex, den die Telekommunikationsbranche Ende 2014 ausgearbeitet hat. Die vier großen Schweizer Anbieter wollen nach eigenen Aussagen mit ihrer Selbstverpflichtung unter anderem gewährleisten, keine "Internetdienste und Anwendungen (zu) sperren und weder die Informations- noch die Meinungsäusserungsfreiheit beschränken". Dies schließe aber "Verkehrsmanagementtechniken eines Netzbetreibers in seinem eigenen Netz nicht aus".

Die zuständige Kommunikationsministerin Doris Leuthard wiederholte im Ständerat ihre Aussage, dass Netzneutralität "wichtig, aber extrem schwierig" sei. Zahlreiche Staaten suchten derzeit nach geeigneten Lösungen. In den USA hatte sich sogar Präsident Obama in die Diskussion eingeschaltet. In vielen Staaten wurde noch keine Lösung gefunden, immer müsse man sich dem Markt anpassen, so "dass auch die EU ihre Regeln, welche erst knapp fünfjährig sind, schon wieder revidieren muss, weil es nicht funktioniert." Ministerin Leuthard konstatiert "einen klassischen Interessenkonflikt: Auf der einen Seite haben Netzbetreiber selbstverständlich ein Interesse daran, ihre Investitionen durch Erträge zu kommerzialisieren, auf der anderen Seite ist es der Internetnutzer natürlich gewohnt, frei zu wählen". (mho)