Telekom und Polizei für neue Vorratsdatenspeicherung

Bürgerrechtler und Verbraucherschützer kritisieren den Vorstoß für eine neue Vorratsdatenspeicherung von Justizminister Heiko Maas. In der Netzwirtschaft herrscht zumindest Skepsis. Es gibt aber auch Unterstützer.

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Telekom und Polizei für neue Vorratsdatenspeicherung
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Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat sich mit seinem Vorstoß für neue Speicherfristen von Verbindungs- und Standortdaten zwischen alle Stühle gesetzt: Die einen sehen einen "Dammbruch", der in die anlasslose Massenüberwachung führt, andere loben einen unerlässlichen Schritt zu einer effektiven Strafverfolgung im Internet.

Klar für die Initiative haben sich alle drei Polizeiverbände ausgesprochen, wenn ihnen auch die Speicherfristen von zweieinhalb Monaten bei Verbindungsdaten und einem bei Standortinformationen zu kurz erscheinen. "Endlich hat sich auch bei den politisch Verantwortlichen in Berlin die Einsicht durchgesetzt", freut sich, Oliver Malchow, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), dass das Urteil gegen die Vorratsdatenspeicherung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) "eine verfassungskonforme Regelung nicht verhindert".

Vorratsdatenspeicherung

Erleichtert zeigte sich auch der Vize-Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, dass die Argumente der Sammelbefürworter bei Maas augenscheinlich verfangen hätten. "Die linke Netzpropaganda wird sich nun wieder echauffieren und das Ende des Abendlandes heraufbeschwören", prophezeite der Strafverfolger. Der BDK sei jedoch froh darüber, dass dank der "Minimalstlösung" Ermittlungen in bestimmten Bereichen "nun überhaupt erst wieder möglich werden".

Auch bei der Deutschen Telekom kann man mit der Regelung leben. Dass der Speicherzeitraum auf maximal zehn Wochen beschränkt werde und damit deutlich kürzer ausfalle als bei der vorherigen, vom Bundesverfassungsgericht kassierten Regelung, begrüßte ein Konzernsprecher gegenüber der dpa. Die unterschiedlichen Vorgaben für Funkzellen- und Telefoniedaten verursachten aber einen erheblichen Mehraufwand. Die Kosten für die Maßnahme müsse daher der Staat tragen, der bisher nur beim Nachweis "unverhältnismäßiger" finanzieller Lasten mit "erdrosselnder" Wirkung mit öffentlichen Geldern einspringen will.

"Die Unternehmen werden die geplanten gesetzlichen Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung selbstverständlich umsetzen", versicherte der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Dieter Kempf. Letztlich sei aber eine europäische Lösung nötig. Ein nationaler Ansatz belaste nur die hiesigen Provider und sei in Zeiten grenzüberschreitender Kriminalität nur bedingt effektiv. Es sei ferner nicht nachvollziehbar, wieso den Betroffenen "die entstehenden Kosten nicht grundsätzlich erstattet werden sollen".

Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, kritisiert die Leitlinien schärfer als "faulen Kompromiss". Es bleibe bei einer verdachtsunabhängigen Überwachung der Bürger in der digitalen Welt. Angesichts unbeantworteter technischer und rechtlicher Fragen etwa zu Sicherheitsanforderungen "gehe die Unsicherheit der Unternehmen in die nächste Runde". "Sehr enttäuscht" reagierte der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) auf das Einknicken des Justizministers. Der nationale Alleingang sei angesichts eines "Verbots" der Vorratsdatenspeicherung durch Karlsruhe und den EuGH unsinnig.

Das Instrument, das die Bevölkerung unter Generalverdacht stelle, sei nicht erforderlich, befand der frühere Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar im Deutschlandfunk. Ohnehin stünden Ermittlern immer mehr elektronische Daten zur Verfügung, "weil die Digitalisierung unser Leben weiter durchdringt". Das Vorhaben widerspreche zudem dem EuGH-Beschluss. Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert hält den Kompromiss dagegen für "valide", auch wenn er "nicht begeistert" sei und noch nachgebessert werden müsse.

Eindeutig rote Linien überschritten sehen der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und die Digitale Gesellschaft. Prinzipielle Bedenken bringt auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) vor: Es sei zwar wichtig, Berufsgeheimnisträger besser zu schützen. Das Mittel an sich sei aber unverhältnismäßig und zur Abwehr konkreter Gefahren nicht nötig. (vbr)