BND/NSA-Skandal: Deutsche Telekom leitete Transitverkehr-Daten an den BND

2004 hat die T-Com einen Vertrag mit dem BND geschlossen: Das Unternehmen liefert demnach den Spionen allen Netzverkehr, den es auftreiben kann, soweit die Daten weder Ursprung noch Ziel in Deutschland haben.

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Bündel von 50-Euro-Scheinen

Mehr billig als recht: Für 6.500 Silberlinge monatlich besorgt(e) die Deutsche Telekom bestimmte Geschäfte für den BND.

(Bild: TaxRebate.org.uk CC-BY 2.0)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Deutsche Telekom (DT) beschafft zumindest seit 2004 aktiv Daten aus eigenen und fremden Netzen für den Bundesnachrichtendienst (BND). Das soll ein zwischen BND und Telekom geschlossener "Geschäftsbesorgungsvertrag 'Transit'" belegen, den der österreichische Parlamentsabgeordnete Peter Pilz (Die Grünen) publik gemacht hat. Die in Wien herausgegebene Neue Kronen Zeitung hat ein Faksimile online gestellt.

Peter Pilz tritt am Dienstag in Berlin an die Öffentlichkeit.

(Bild: Parlamentsdirektion/Wilke)

In dem Vertrag verpflichtet sich die damalige Konzernabteilung T-Com, dem BND allen elektronischen Verkehr zuzuleiten, der in Deutschland weder Ursprung noch Ziel hat: den sogenannten Transitverkehr. Betroffen waren sowohl leitungs- als auch paketvermittelter Verkehr. Neben Daten im engeren Sinn geht es also etwa auch um Faxe und Telefonate.

Einerseits sollte die Telekom Informationen aus "allgemein zugänglichen und internen Quellen" beschaffen. Damit dürfte Aufklärung gemeint sein, wie diverse Quellen am besten anzuzapfen sind. Und dann sollte das Unternehmen dort auch zugreifen, was im Vertrag verklausulierend als "planungsmäßige Umsetzung von auftragsrelevanten Intentionen in technisch realisierbare Anwendungen" bezeichnet wird. Betroffen dürften also nicht nur Kunden des DT-Konzerns sein.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Außerdem verpflichtete sich die Telekom, die deutschen Spione zu beraten und fortzubilden. Dazu kam noch ein Schweigegelübde für "mindestens zehn Jahre" über das Vertragsende hinaus. Die Zusammenarbeit begann offenbar schon, bevor der Vertrag aufgesetzt war; er gilt ausdrücklich rückwirkend zum 1. Februar 2004.

Als Entgelt sind lediglich 6.500 Euro monatlich vereinbart. Dieser Betrag konnte jährlich angepasst werden. Zusätzlich sollten aus deutschen Steuerkassen notwendige Baumaßnahmen sowie die Anschaffung von Fernmeldegeräten abgegolten werden. Das könnte erheblich höhere Kosten verursacht haben.

Inhaltliche Einschränkungen gibt es in dem Geschäftsbesorgungsvertrag nur zwei: Die Telekom möchte dem BND keine Angaben über den Aufbau ihrer Netze liefern, soweit das den Konzerninteressen zuwider läuft. Die Überwachung selbst schränkt diese Klausel aber nicht ein.

Und der BND sollte die aus der Überwachung gewonnenen Erkenntnisse nicht den Konkurrenten der Telekom zur Verfügung stellen. Den Kunden der Telekom und anderer Netzbetreiber zu schaden, wird dem BND hingegen nicht untersagt.

"Das ist ein absolut gesetzwidriger Vertrag zwischen einem Geheimdienst und einer Telekomfirma zur Aushebelung des geltenden Fernmeldegesetzes", sagte Pilz zur Kronenzeitung. Seiner Information nach seien die riesigen Datenmengen zunächst vom BND im bayrischen Pullach gespeichert und dann zur "Joint Signal Activity Group" im gut 40 Kilometer entfernten Bad Aibling weitergeleitet worden. In dieser Einrichtung würden BND und NSA zusammenarbeiten.

Pilz möchte die ihm zugetragenen Informationen am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Berlin präsentieren. Laut Kronen Zeitung sollen Ausfertigungen des Vertrages nicht nur beim BND und der Deutschen Telekom, sondern auch im deutschen Bundeskanzleramt verwahrt worden sein. Dort amtierte 2004 Gerhard Schröder (SPD).

[Update 19.05.2015 – 11:20 Uhr] Inzwischen hat die Deutsche Telekom gegenüber heise online Stellung zu den Vorwürfen bezogen. Das Unternehmen verweist darauf, "wie alle anderen Telekommunikationsnetzbetreiber in Deutschland" zur Zusammenarbeit mit dem BND verpflichtet zu sein. Der veröffentlichte Vertrag sei nur die Umsetzung dieser rechtlichen Verpflichtung, für die es eine Aufwandserstattung gegeben habe. Man halte sich streng an die rechtlichen Grundlagen. Den Vorwurf, sich nicht gesetzeskonform verhalten zu haben, weist das Unternehmen zurück. Mit ausländischen Diensten kooperiere man nicht und über die BND-Kooperation mit der NSA "war uns nichts bekannt". (ds)