Landwirtschaft 3.5: Bauer sucht Cloud

Die heutigen Anforderungen an einen Bauernhof ließen sich nur mit der Digitalisierung bewerkstelligen, meint Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Auf dem vernetzten Acker dürfe es aber nicht zu Monopolen wie Google kommen.

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Landwirtschaft 3.5: Bauer sucht Cloud

Maximilian von Löbbecke, Moderator Cherno Jobatey (Moderator der Veranstaltung) und Christian Schmidt (v.l.)

(Bild: heise online, Stefan Krempl)

Lesezeit: 4 Min.
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Ackerbau und Viehzucht sollten stärker digitalisiert werden, meint Christian Schmidt, Minister für Landwirtschaft und Ernährung. "Wir verlangen viel von der Landwirtschaft", erklärte der CSU-Vize am Dienstag auf dem "UdL Digital Talk" von Telefonica in Berlin. Diese müsse "Bio" sein, den Tieren habe es gut zu gehen und die Erzeugnisse sollten mit möglichst wenig Energiebedarf hergestellt werden. Zudem werde die Landwirtschaft von voraussichtlich neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 nicht ernähren können, wenn sie nicht effizienter werde. Das könne nur mit einer gut vernetzten Struktur erreicht werden.

Die Landwirtschaft könne präziser und "smart" gemacht, Ressourcen schonender verwendet und erzeugt werden. Dies fange an beim Messen: "Was saufen, fressen die Tiere?" Viele Ideen für den vernetzten Bauernhof entstünden aus der Praxis heraus. So gehe es etwa um die Frage: "Wohin mit dem Dünger?" Zu viel des Guten schaffe hier schließlich "ein Nitratproblem mit dem Grundwasser". An der Analyse von Daten zum Fressverhalten von Schweinen in einzelnen "Wohngruppen" ließen sich Krankheiten der Tiere frühzeitig erkennen, habe ihm ein Mäster jüngst aufgeklärt, berichtete Schmidt. "Früher konnte man das nur mit Augenmaß."

Inspirationen für digitale Anwendungen auf dem Feld hat sich Schmidt nach eigenen Angaben nicht nur im stark vernetzten Estland geholt, sondern etwa auch in Sambia: Dort könnten sich Farmer über eine App die Preise für ihre Erzeugnisse auf den Märkten in der näheren Umgebung kalkulieren lassen. So könnten sie berechnen, ob sich der oft mühsame kilometerlange Weg in die umliegenden Dörfer und Städte über schlechte Straßen lohne.

In Deutschland sieht der Minister die Landwirtschaft zwar noch nicht auf dem für die Industrie angestrebten Level 4.0, aber immerhin auf 3.5. "Der Bauer von heute sucht Frau oder Mann, weiß aber auch, mit der Cloud umzugehen". Wie überall wisse die Generation, die mit dem iPad aufgewachsen sei, IT-Einsatzmöglichkeiten in der Regel besser einzuschätzen als die Älteren. Er räumte aber ein, dass die Breitbandversorgung gerade im ländlichen Bereich oft noch unzureichend sei.

Der Bauer müsse bei Produktionsinformationen "Herr der Daten sein und bleiben". Wenn dieser bereit sei, seine Daten mit anderen zu teilen, müsse deren Nutzen etwa durch Erkenntnisse aus Big-Data-Analysen auch an ihn zurückfließen. Der Minister plädierte daher für dezentrale, spezielle Lösungen zur Datenverarbeitung, um der Gefahr entgegenzuwirken, "die Landwirtschaft zu vergoogeln". Monopole bei Plattformen, die wie im Fall des US-Agrarriesen Monsanto eine "vertikale Einflussnahme" von Samen über Pflanzenschutz bis zu Maschinen erlaubten, "wollen wir verhindern".

International hätten er und seine Kollegen aus anderen Ländern gerade auf einem Treffen in Istanbul bekräftigt, ein "weltweites System der Agrarinformation" aufbauen zu wollen, führte Schmidt aus. Darüber solle ausgelotet werden, ob und wie die jährlichen Ernten "funktionieren", ob die Preise dafür schwanken oder wie "der Klimawandel da noch mit reinschießt". National fördere die Bundesregierung etwa mit dem Schwerpunkt "Bioökonomie" im Rahmen der neuen Hightech-Strategie Startups und andere findige Unternehmen mit insgesamt 2,5 Milliarden Euro.

Für Gründer seien die Bedingungen hierzulande aber noch nicht optimal, gab Maximilian von Löbbecke, Geschäftsführer von 365FarmNet zu bedenken. Er vermisse nicht nur eine "Kultur des Scheiterns", sondern auch an Durchstarter angepasste Regeln für den Arbeitnehmerschutz oder im Steuergesetz. In der Schweiz, wo er bislang hauptsächlich Firmen ins Leben rufe, schaffe seine Assistentin die Steuererklärung in zwei Tagen.

Auf einem Bauernhof gehen laut dem Anbieter einer Farm-Management-Software 60 Prozent der Ausgaben für "Düngemittel und Ähnliches" drauf. 20 bis 30 Prozent davon könne einsparen, wer ein vernetztes System einsetze. 85 Prozent der hiesigen Landwirte nutzten derlei Offerten aber noch nicht. (anw)