Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff schießt scharf gegen neue Vorratsdatenspeicherung

Der Gesetzentwurf für die Vorratsdatenspeicherung sei verfassungswidrig, wohl nicht geeignet für die Ermittler und unverhältnismäßig, moniert die Bundesdatenschützerin Andrea Voßhoff.

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Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff schießt scharf gegen neue Vorratsdatenspeicherung

Andrea Voßhoff

(Bild: dpa, Archiv)

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Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff hat zu ihrer Kritik am Regierungsentwurf zur Vorratsdatenspeicherung deutlich nachgelegt. Er sei nicht nur unverhältnismäßig, sondern belege auch nicht, dass das Instrument für die Strafverfolger überhaupt erforderlich und geeignet sei – zumal es "in besonderem Ausmaß" in die Grundrechte einschneide. Für die CDU-Rechtspolitikerin, die sonst eher zurückhaltend auftritt, ist damit klar, dass die Initiative verfassungswidrig ist.

Der Entwurf berücksichtige nicht, dass das Bundesverfassungsgericht anlassloses Speichern der Telekommunikationsverkehrsdaten nur ausnahmsweise für gerechtfertigt halte, schreibt Voßhoff in ihrer Stellungnahme. Auch die von dem Gericht geforderte "Überwachungsgesamtrechung" werde nicht beachtet. Dabei gebe es schon jetzt "weitreichende Zugriffsmöglichkeiten" etwa auf IP-Adressen für die Sicherheitsbehörden. Da es sich dabei auch um "Nutzungsdaten im Sinne des Telemediengesetzes" handle, könnten Ermittler und Geheimdienste "zumindest über mehrere Wochen das Surfverhalten der Internetnutzer äußerst detailliert überwachen". Dies belege auch die NSA-Debatte.

Vorratsdatenspeicherung

"Schlichtweg ignoriert" habe die Regierung auch Vorgaben aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, konstatiert Voßhoff. Der Entwurf erfülle so auch nicht die Anforderungen der Europäischen Grundrechtecharta.

Im Detail reibt sich Voßhoff etwa an der Klausel zur Funkzellenabfrage, mit der auch viele Unschuldige ins Visier von Ermittlern gerieten. Oft seien damit erhobene Mobilfunkdaten aber bereits ungefiltert und unreduziert aufbewahrt worden, was gewissermaßen zu einer "doppelten Vorratsdatenspeicherung" führe. Da gegen sehe der Entwurf keine ausreichenden Sperren vor.

Berufsgeheimnisträger wie Abgeordnete, Ärzte, Anwälte, Seelsorger oder Journalisten könnten nur hinreichend geschützt werden, wenn ihre Telekommunikation "erst gar nicht" erfasst werde. Das vorgesehene Verbot, Daten dieser Gruppen nur nicht abrufen und verwerten zu dürfen, sei nicht mit höchstrichterlicher Rechtsprechung vereinbar. Dazu komme, dass der geplante Paragraph zur Datenhehlerei insbesondere "Gelegenheitsjournalisten wie etwa Blogger" sowie Whistleblower strafrechtlich bedrohe, wenn diese beispielsweise Datenschutzverstöße aufdeckten.

Die geplante Vorratsdatenspeicherung erlaube es auch – im Gegensatz zur Ansicht der Regierung –, "engmaschige Bewegungsprofile" anhand der Funkzellendaten zu erstellen, warnt Voßhoff. Sie rät zudem, die vorgesehene Zugriffserlaubnis auf Vorratsdaten zur Bestandsdatenauskunft, mit der einzelne Nutzer identifiziert werden könnten, ersatzlos zu streichen. Vor allem die fehlende Richterkontrolle mache diesen Absatz untragbar.

Selbst den Titel des Gesetzentwurfs hält die Datenschützerin für "irreführend", da es nicht zu einheitlichen Höchstspeicherfristen für sämtliche Verbindungs- und Standortdaten komme. Es werde nur ein zusätzlicher Informationspool geschaffen, an dem sich ausschließlich Sicherheitsbehörden binnen der angegebenen Zeitspannen bedienen dürften. Daneben bleibe es Telekommunikationsanbietern aber gestattet, separat für betriebliche Zwecke oder zur Abwehr von Störungen die bei Ermittlern und Abmahnanwälten begehrten Verkehrsdaten teils ohne klare Frist aufzubewahren. Inakzeptabel sei auch, wie eilig das Gesetz beschlossen werden sollte. Anders als ursprünglich vorgesehen wird der Bundestag aber nun wohl erst im Herbst darüber debattieren.

Auch gemeinsam mit den Datenschutzbeauftragten der Länder weist Voßhoff noch einmal in einer aktuellen Resolution auf "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken" hin. Darin wird betont, dass die Öffentlichkeit in einem "ergebnisoffenen Verfahren" beteiligt werden müsse. Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, unterstrich: "Nach jahrelanger ergebnisloser Schwarz-Weiß-Debatte darf die Politik nicht durchzocken, was sich spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht rächen würde." Auf den Prüfstand müssten auch die "viel zu langen heute praktizierten Speicherfristen von einigen Telekommunikationsprovidern wie Vodafone und E-Plus". (anw)