Was ist der Unterschied zwischen einem autonomen Auto und einem autonomen Auto?

Autonome Fahrzeuge kommen mit unterschiedlichen Graden an Autonomie. Damit jeder weiß, wovon die Rede ist, muss ein Klassizifierungssystem her. Leider gibt es drei.

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Was ist der Unterschied zwischen einem autonomen Auto und einem autonomen Auto?
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Jede neue Technologie steht vor der Herausforderung, dass es noch kaum passende Begriffe gibt. Oft bedient man sich bei Vokabeln etablierter Systeme, man denke an den Flug-Hafen oder den Bus-Bahnhof. Die aufkeimende Branche für autonome Fahrzeuge macht hier keine Ausnahme: "Wie nennen wir es denn?", fragen sich etwa Ingenieure, Marketingleute oder Juristen immer wieder. Das Problem zeigt sich schon am Fundament: Was genau ist ein "autonomes Fahrzeug"?

Das Googlemobil konnten sich die meisten Taxonomen noch nicht vorstellen.

Schnell wurde klar, dass es nicht bloß eine Art autonomer Fahrzeuge gibt. Verschiedene Modelle sind in unterschiedlichem Maße autonom. Folglich brauchen wir eine weltweite Einteilung, damit zumindest ungefähr klar wird, wovon in einer Erörterung nun genau die Rede ist. Ideal wäre EIN solches Klassifizierungssystem.

Doch es gibt mindestens drei westliche Systeme. Spätestens 2010 entwickelte die deutsche Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) eine "Benennung und Klassifizierung automatisierter Fahrfunktionen" aus technischer Sicht, mit dem weisen Zusatz "nicht abschließend". Darin finden sich die fünf Stufen "Driver only" (sic), Assistiert, Teilautomatisiert, Hochautomatisiert und Vollautomatisiert.

Auch die für EU-Feldversuche eingesetzten fahrerlosen Autobusse finden im BASt-System keinen Platz.

Bei "Driver only" führt der Fahrer dauerhaft Querführung (links/rechts) und Langsführung (beschleunigen, bremsen) aus. Solche mehrspurigen Straßen-KFZ kommen in Deutschland seit über zehn Jahren nicht mehr auf den Markt. Denn zumindest ein ABS, das ja in die Längsführung eingreifen kann, ist Standard.

In die Klasse "Assistiert" fällt die weitaus überwiegende Zahl der in Mitteleuropa fahrenden KFZ: Dabei führt der Fahrer dauerhaft entweder die Quer- oder die Längsführung aus. Hier gibt es Notfallsysteme wie ABS und ESP ebenso wie Komfortdienste. Zu Letzteren gehören einfache Tempomaten ebenso wie Abstandsregeltempomaten und Parkassistenten.

"Teilautomatisiert" stellt den Übergang in eine neue Dimension dar: Hier übernimmt der Computer zeitweise Quer- UND Längsführung. Der Fahrer muss aber immer alles überwachen. Erst in "hochautomatisierten" Fahrzeugen darf der Fahrer sich dann auch anderen Dingen widmen. Das System ruft ihn aber im Fall des Falles "mit ausreichender Zeitreserve" dazu auf, wieder das Steuern zu übernehmen.

Aufgrund des unrunden Lenkrads ist dieses Modell nicht zulassungsfähig.

(Bild: Tabercil:Tabercil, Lizenz Creative Commons CC BY-SA 3.0)

"Vollautomatisiert" schließlich beschreibt Fahrzeuge, die auch dann in den "risikominimalen Systemzustand" zurückkehren können, wenn der Fahrer der Aufforderung, die Kontrolle zu übernehmen, nicht nachkommt. Der Computer könnte das Fahrzeug beispielsweise zum Stillstand bringen.

Doch an völlig autonome Autos haben die BASt-Experten 2010 noch nicht gedacht. Das aktuelle Google-Auto, das weder Lenkrad noch Pedale hat, findet in der Klassifizierung keinen Platz.

2013 veröffentlichte die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA ein "Preliminary Statement of Policy Concerning Automated Vehicles" (etwa: Vorläufige Feststellung der Verfahrensweise betreffend automatisierter Fahrzeuge). Es kennt fünf Grade: Level 0 entspricht dem deutschen "Driver only".

Für Level 1 ist entscheidend, dass es zumindest ein automatisiertes System gibt. Mehrere sind möglich, müssen aber von einander unabhängig agieren. Der Fahrer darf nicht gleichzeitig die Hände vom Lenkrad UND die Füße von den Pedalen nehmen. Er kann die Kontrolle teilweise abgeben (wie beim Abstandsregeltempomaten), das Fahrzeuge kann in begrenzter Weise die Kontrolle übernehmen (etwa ESP) oder die beiden arbeiten zusammen (Beispiel: Bremsassistent).

Automatisierte LKW-Konvois können den Windschatten besser nutzen und Triebstoff sparen.

(Bild: Martinp1:Martin Putz, Lizenz Creative Commons CC BY-SA 3.0)

Bei Level 2 kooperieren zumindest zwei Automaten, die Primärfunktionen steuern können. Der Fahrer kann sowohl Hände vom Lenkrad als auch Füße von den Pedalen nehmen, muss aber jederzeit sofort übernehmen können. Erst ab Level 3 darf der Fahrzeugbediener die Augen von der Straße nehmen. Sein KFZ kommt in bestimmten Situationen alleine zu Recht; gelingt das nicht mehr, übergibt es mit "angemessener Übergabezeit" wieder an den Menschen.

Zu Level 4 gehört schließlich das Google-Auto. In solchen Fahrzeuge muss der Mensch nie eingreifen können. Ja, sie können sogar menschenleer umherfahren.

SAE International arbeitete ein Definitionssystem aus, das auch andere Branchenbegriffe festlegen soll. Es hat unter der Bezeichnung J3016 im Januar 2014 Geltung erlangt. SAE International ist eine Organisationen, der insbesondere Ingenieure verschiedener Transportbranchen angehören. Die Taxonomie kennt sechs Stufen, die aber nicht Fahrzeugklassen sondern Mindestanforderungen für Betriebsarten beschreiben. Ein entsprechend ausgestattetes KFZ kann also zwischen den verschiedenen SAE-Stufen wechseln.

Übersicht über den SAE-Standard J3016

(Bild: SAE / J3016)

Der sechsteilige SAE-Standard ist die jüngste Einteilung und dürfte derzeit die in Fachkreisen meistgenutzte sein. Bei Level 0 (No Automation) ist der Lenker am Wort. Er kann aber durch Warnungen oder Interventionssysteme, die nur momentan eingreifen, unterstützt werden. Soll heißen: Selbst wenn ABS, ESP und Bremskraftverstärker eingreifen, kann noch immer Level 0 vorliegen.

Übernimmt in bestimmten Betriebsarten ein Assistenzsystem entweder die Lenkung ODER die Be- und Entschleunigung, liegt Level 1 (Driver Assistance) vor. Tut es beides, haben wir SAE-Level 2 (Partial Automation). Es gibt aber stets einen Lenker, der ununterbrochen kontrollieren soll.

Beispiel für ein Fahrzeug Level 0 oder 'Driver only'.

(Bild: Flominator:Flominator, Lizenz Creative Commons CC BY-SA 3.0)

Ab Level 3 (Conditional Automation) wird der Mensch in bestimmten Fahrzeugbetriebsarten auf eine Beobachterrolle reduziert. Dann soll er nur auf Zuruf seines Bordcomputers tätig werden. Level 4 (High Automation) kennt ebenfalls bestimmte Betriebsmodi, in denen der Mensch zum Eingreifen aufgefordert wird. Reagiert er allerdings nicht, steuert sich das Auto weiter autonom.

Level 5 kann das schließlich in allen Verkehrssituationen und ist nicht mehr auf bestimmte Betriebsarten beschränkt. Der Mensch kann allerdings noch etwas tun, wenn er denn möchte. Das aktuelle Google-Auto ist in der SAE-Einteilung nicht berücksichtigt und zählt zum imaginären Level 6. (jk)