"Wir dachten, Deutschland würde mehr Aktivität entfalten"

Pat Mooney von der kanadischen Umweltorganisation ETC Group über die Notwendigkeit eines Gefahrensymbols für Nanomaterialien, den Stand der Nanorisikodebatte und nützliche Anwendungen von Nanotechtnik.

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Von
  • Niels Boeing
Inhaltsverzeichnis

Vor vier Jahren sorgte die kanadische ETC Group (kurz für „Action Group on Erosion, Technology and Concentration“) mit der Forderung für Aufsehen, die nanotechnische Forschung weltweit für einige Zeit auszusetzen, um erst einmal den Umgang mit den Risiken der Nanotechnik zu klären. Damit war sie die erste Umweltorganisation, die sich im gerade einsetzenden Nano-Hype des Themas annahm. Die Nanotech-Gemeinde reagierte verschnupft – die Forderung sei maßlos, die Gefahren seien rein hypothetisch.

Seitdem haben Toxikologen erste Studien vorgelegt, dass manche Nanomaterialien unter Umständen Organismen schädigen könnten. Inzwischen ist in den in der Nanoforschung führenden Ländern eine Debatte über eine mögliche Regulierung von Nanomaterialien in Gang gekommen. Die ETC Group hat nun kürzlich einen Wettbewerb für ein Nano-Gefahrensymbol ausgeschrieben, das analog zu den bekannten Symbolen etwa für Radioaktivität Problembereiche kennzeichnen soll. Auf dem Weltsozialforum in Nairobi sind nun von den fast 500 Einsendungen drei Kandidaten ausgewählt (diese und einige andere sind in der Bilderstrecke zu sehen).

Technology Review sprach mit Pat Mooney, dem leitenden Direktor der ETC Group, über Sinn und Notwendigkeit eines solchen Symbols sowie über den Stand der Nanorisikodebatte.

Technology Review: Herr Mooney, warum brauchen wir ein Nano-Gefahrensymbol?

Pat Mooney: Weil es bislang so gut wie keine Regulierung gibt, die den Umgang mit Nanotechnologien regelt. Auf der anderen Seite sind bereits viele Nano-Produkte auf dem Markt. Bis wir absolut sicher sind, dass ihre Sicherheit kontrolliert wird, sollte es ein solches Symbol auf Nano-Produkten geben, die mit der Haut in Berührung kommen, die wir einatmen oder in die Umwelt freisetzen können.

TR: Das bedeutet, dass das Symbol in erster Linie für Produkte gedacht ist?

Mooney: Ja, wir sorgen uns nicht so sehr um Nanomaterialien im Computer oder im Auto.

TR: Wie groß sind die Chancen, dass eins der drei ausgewählten Symbole von Regulierungsbehörden aufgegriffen wird?

Mooney: Wir werden sie auf jeden Fall auffordern, eins auszuwählen. Die andere Frage ist: Werden sie das tun? Wenn wir ehrlich sind, erwarten wir das nicht. Ich glaube eher, dass die Behörden ihr Bestes tun werden, unsere drei Empfehlungen zu ignorieren.

TR: Wie hat sich die Nanotechnik entwickelt, seit die ETC Group vor vier Jahren ein globales Moratorium forderte?

Mooney: Die Situation hat sich zum Teil verbessert. Die Reaktion auf den Wettbewerb für das Nano-Gefahrensymbol war bemerkenswert. Wir hatten wirklich nicht damit gerechnet, dass er so viel Aufmerksamkeit bekommen würde. Wir waren überrascht, dass sogar die Washington Post und andere Medien das aufgegriffen haben. Das hilft unserer Sache, denn man muss allmählich anerkennen, dass es ein Problem gibt. Gerade die Anstrengungen anderer Nichtregierungsorganisationen, das zu lösen, besonders in der EU, finden wir ermutigend. Inzwischen wird wenigstens darüber geredet.

TR: Halten Sie an dem Moratorium immer noch fest?

Mooney: Auf jeden Fall. Das Problem ist ja immer noch da. Wir haben das Moratorium anfangs vor allem aus Sorge um Labormitarbeiter vorgeschlagen, weil es keine Sicherheitsstandards für sie gab. Das erschien uns unfair. Wir haben allerdings nie im Sinn gehabt, dass es lange dauern sollte, vielleicht ein paar Wochen. Alles, was wir wollten, war, dass Wissenschaft und Regierungen miteinander darüber sprechen, wie man die Sicherheit im Umgang mit Nanomaterialien überwachen und Regeln für eine gute Praxis etablieren könnte, wenn die Forschung dann wieder weitergeht.

TR: Welche Aspekte der Nanotechnik beschäftigen die ETC Group jetzt, 2007?

Mooney: Uns ging es bei unserer Arbeit immer um die Fragen, wem Technik gehört, wer sie kontrolliert und wie sie genutzt wird. Umwelt, Gesundheit und Sicherheit haben eigentlich nie so sehr im Vordergrund gestanden. Der einzige Grund, weshalb wir uns damit befasst haben, bestand darin, dass es in krasser Weise offensichtlich war, dass etwas getan werden musste, aber sich niemand darum kümmerte. Ich halte die Probleme von Nanomaterialien für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit in hohem Maße für lösbar. Unsere Sorgen hinsichtlich Eigentum an und Kontrolle von Technik haben sich hingegen nicht geändert.

TR: Wie beurteilen Sie die Debatte über Nanorisiken, seitdem die britische Royal Society 2004 in ihrem Technikfolgenabschätzungsbericht einige Warnungen ausgesprochen hat?