Berliner Ideenskizze: Urheberrecht ohne "geistiges Eigentum"

Eine Expertengruppe möchte mit einem "Gedankenexperiment" das Urheberrecht für die digitale Welt "neu ordnen" und trennen von Ansprüchen von Verwertern, Nutzern und Vermittlern, die "gleich bedeutend" sein sollen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 202 Kommentare lesen
Keine Haftung bei illegalem Filesharing

(Bild: dpa, Peer Grimm)

Lesezeit: 3 Min.

Till Kreutzer vom Projekt irights.info hat am Wochenende auf der Sommerkonferenz des Online-Portals Telemedicus ein "Berliner Gedankenexperiment" vorgestellt, mit dem eine Expertengruppe das Urheberrecht im Lichte des Internets "neu ordnen" will. Kern der Überlegungen ist es, das komplexe Urheberrecht aufzuteilen auf gesonderte Schutzansprüche der eigentlichen Kreativen, von Verwertern, Nutzern und Vermittlern wie Anbietern von Suchmaschinen.

Die als 16-seitiges Papier veröffentlichte Skizze fußt auf den "Leitlinien für ein Regelungssystem für kreative informationelle Güter", die die von Google ins Leben gerufene Denkfabrik Collaboratory 2011 erarbeitet hatte. Die Verfasser sind weitgehend identisch, dabei sind neben Kreutzer etwa erneut der Wirtschaftsprofessor Per Christiansen sowie Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin sowie dem Alexander von Humboldt Institut für Internet & Gesellschaft, das Google mitfinanziert.

Über die Vorstudie hinausgehend machen die Autoren diesmal konkrete Vorschläge, wie die einzelnen Schutzrechte der vier Interessengruppen ausgestaltet werden könnten. Beschnitten werden dabei vor allem die derzeit sehr weitgehenden und in der Regel exklusiv geltenden Ansprüche der Verwerter. Heutzutage tritt beispielsweise ein Komponist die Nutzungsrechte an seinem Stück für die Dauer des Urheberrechts an einen Musikkonzern ab. Für die nächsten hundert oder mehr Jahre je nach Lebensdauer des Autors ist das Werk damit prinzipiell für Verwertungen durch Dritte blockiert. Auch konkrete Aufnahmen der Komposition sind geschützt und können von dem Label exklusiv vermarktet werden.

Nach dem neuen Konzept soll der Verwerter nur noch eine Art Leistungsschutzrecht an seiner "Konfektion" des Werkes, also etwa der von ihm produzierten Ausgabe oder Aufnahme erhalten. Es werde kein "geistiges Eigentum" mehr geschützt, betonte Kreutzer im Sinne eines angemessenen Interessenausgleichs. Der Autor könne dem Unternehmen dabei auch für einen begrenzten Zeitraum wie fünf Jahre ein Exklusivitätsversprechen einräumen. Dessen Anfangsinvestitionen in ein marktfähiges Produkt sollen damit geschützt werden. Während dieser Zeit könnte der Verwerter etwa gegen Trittbrettfahrer vorgehen.

Im Anschluss stünde es dem Urheber aber frei, die Verwertung einer anderen Firma zu überlassen oder sie selbst zu übernehmen. Der zunächst vertraglich begünstigte Konzern müsste sich mit seinen Produktionen dann gegebenenfalls im Wettbewerb behaupten. Der Autor selbst soll dabei nach Vorstellung der Teilnehmer an dem Experiment von allen Publikationen über vertraglich vereinbarte Vergütungen und gesetzlich Beteiligungsansprüche, die Allgemeinheit vom freien Spiel der Marktkräfte profitieren.

Die "Investitionsrechte" sollen Kreutzer zufolge genauso wie die Urheberrechte "so lang wie nötig und so kurz wie möglich" gehalten werden. Denkbar sei es, den gewerblichen Schutzanspruch kostenpflichtig registrieren und verlängern zu können. Die Gebühren dafür sollten aber hoch sein, ständig weiter ansteigen und "für kulturelle Zwecke" verwendet werden.

Urheber brauchen laut der Skizze auch künftig zunächst exklusive Rechte an ihren Werken, um vor allem ungenehmigte Veröffentlichungen verhindern und sich finanzielle Beteiligungen sichern zu können. Nach deren Ablauf sollen "länger währende wirtschaftliche Beteiligungsansprüche" greifen. Parallel stehen starke Persönlichkeitsrechte etwa auf Nennung des Namens des Werkschaffenden. (axk)