Sieben Thesen zum E-Auto

Autobauer fordern von der Politik mehr Einsatz für die Elektromobilität. Ist das dreist oder berechtigt?

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Autobauer fordern von der Politik mehr Einsatz für die Elektromobilität. Ist das dreist oder berechtigt?

Daimler und Porsche machen die Politik dafür verantwortlich, dass sich bei der Elektromobilität so wenig tut. Das klingt erst mal ziemlich dreist, schließlich haben beide Firmen nicht gerade einen Übereifer in Sachen Strom an den Tag gelegt. Die elektrische B-Klasse von Mercedes etwa wird komplett von Tesla-Technik angetrieben – ziemlich peinlich für einen selbsternannten Technologieführer. Und kaufwillige Kunden lässt der Konzern schon mal abblitzen: Die ARD-Dokumentation "Das Märchen von der Elektro-Mobilität" berichtet von einem Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt, der nicht mehr genügend Elektro-Smarts bekam, weil Daimler die Produktion eingestellt hat. So wird das nix mit dem Leitmarkt.

Trotzdem haben die Autobauer im Kern recht: Es gibt keinen Markt für Elektroautos, und einen solchen zu schaffen wäre Sache der Politik. Doch die geeigneten Maßnahmen dazu sehen anders aus, als es die Konzerne gerne hätten. Dazu sieben Thesen:

1. Es fehlt ein klares Ziel. Wozu brauchen wir überhaupt Elektroautos? Um den Klimawandel zu bremsen? Um die deutsche Industrie zu fördern? Um die Abhängigkeit von Ölimporten zu senken? Um die Innenstädte leiser zu machen? Erst wenn man diese Ziele klar formuliert, lässt sich entscheiden, welche Maßnahmen was bringen. Geht’s zum Beispiel ums Klima, ist Wasserstoff wegen des schlechten Gesamtwirkungsgrads keine gute Idee. Geht’s um die deutsche Industrie, machte es lange Zeit gar keinen Sinn, hierzulande überhaupt einen Markt für E-Autos aufzubauen, denn davon hätten mangels deutscher Produkte vor allem die ausländischen Wettbewerber profitiert. Das erklärt einiges.

2. Direkte Subventionen bewirken wenig. Die Bundesregierung hat schon genug Geld unters Volk geworfen, das dann meist wieder bei den üblichen Verdächtigen – den Auto- und Energiekonzernen – landete. Wo es einen Markt gibt, werden die Produkte nicht lange auf sich warten lassen, auch ohne Subventionen.

3. Der Aufbau eines Ladenetzes sollte hingegen dringend zur Chefsache der Kanzlerin werden. Die Energieversorger sind damit entweder überfordert, untermotiviert oder beides (hier Beispiele aus Hannover und dem Südwesten).

4. Elektroautos haben kein Reichweiten- sondern ein Preisproblem. Für die Stadt reichen aktuelle Akkus locker aus. Ein vollwertiger Ersatz fossiler Rennreiselimousinen können und müssen Stromer nicht sein. Sie können auch so reichlich niedrig hängende Früchte ernten. Doch als reines One Trick Pony sind sie noch zu teuer. Die gute Nachricht: Durch Massenproduktion dürften die Preise schnell fallen. Der Energiedichte von Akkus setzt die Elektrochemie hingegen enge Schranken.

5. Verbrenner werden durch Schlupflöcher begünstigt. Die Senkung des CO2-Flottenausstoßes hat tatsächlich einiges bewirkt. Allerdings sind die Schlupflöcher immer noch so groß wie ein Monster-SUV:

  • Der Neue Europäische Fahrzyklus ist ein Witz, und sein Nachfolger, der WLTP, wohl auch nur marginal besser. (Paywall)
  • Die Berechnung des Verbrauchs von Plug-in-Hybriden unterstellt hirnrissigerweise, dass bei der Stromproduktion keinerlei CO2 entsteht.
  • Bei den CO2-Angaben von Verbrennern wird die Vorkette der Spritproduktion nicht hinzugezählt – also Förderung, Transport, Verarbeitung etc. Das macht locker 10 bis 20 Gramm pro Kilometer aus. Im Gegenzug sollte der Stromverbrauch von E-Autos auch mit dem normalen deutschen Strommix veranschlagt werden.
  • Die realen Schadstoffemissionen von Diesel-Motoren sind zum Teil katastrophal. Deshalb sollten sie künftig nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch auf der Straße gemessen werden. (Paywall)
  • Jedes E-Auto dürfen sich Autobauer durch sogenannte Supercredits mehrfach auf ihren Flottenverbrauch anrechnen lassen. Dass selbst schlichte mathematische Sachverhalte wie 1=1 zur Verhandlungssache geworden sind, zeigt, wie krank es in den europäischen Gremien zugehen muss. (Paywall)
  • Die Effizienzkennzeichnung ging ebenfalls völlig in die Hose, weil schwere Autos einen Bonus bekommen. Leichtbau wird auf diese Weise bestraft. Sinnvoller wäre es, den Schattenriss eines Autos als Maßstab zu nehmen.

6. Gute alte Ordnungspolitik kostet wenig und bringt viel. Bei Haushaltsgeräten werden bestimmte Effizienz- oder Leistungsklassen einfach verboten. Das funktioniert, ohne die Grundfesten der Demokratie zu erschüttern. Bei Autos hingegen ist lediglich der maximale Schadstoffausstoß reguliert. Warum nicht auch der Verbrauch oder zumindest die Effizienz?

7. Autos kosten zu viel, wenn sie stehen, und zu wenig, wenn sie fahren. Deshalb sollte etwa die Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer umgelegt werden. Das würde auch die Motivation erhöhen, für lange Strecken den Zug zu nehmen.

All diese Maßnahmen sind eher Peitsche (für Verbrenner) als Zuckerbrot (für Stromer). Aber sie würden die Marktchancen von E-Autos verbessern, ohne den Steuerzahler allzu viel zu kosten. Dafür müssten Politiker lediglich mehr Rückgrat gegenüber der Autolobby zeigen. (grh)