Geheimdokumente: Berliner Polizei gibt Demo-Infos vorab an den Staatsschutz

Das Berliner LKA übermittelt eigene "Gefährdungsbewertungen" für angemeldete Demonstrationen auch an den Staatsschutz, wie Verschlusssachen zeigen. Kritiker sehen die Versammlungsfreiheit in Gefahr.

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Demonstration gegen die Überwachung

Die Berliner Polizei teilt Erkenntnisse über Demonstrationen mit dem Geheimdienst.

(Bild: dpa)

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In Berlin findet schon im Vorfeld von Protestkundgebungen ein offenbar reger Informationsaustausch zwischen Polizei und Geheimdiensten statt, was gegen das Trennungsgebot verstoßen sowie den Datenschutz und die Versammlungsfreiheit untergraben könnte. So verteilt das Landeskriminalamt (BKA) der Hauptstadt eigene "Gefährdungsbewertungen" für angekündigte Demonstrationen nicht nur intern, sondern gibt sie auch an das Landesamt für Verfassungsschutz weiter.

Mehrere entsprechende Dokumente, die als "nur für den Dienstgebrauch" und mit der Bitte um "restriktive Steuerung" gekennzeichnet sind, hat Netzpolitik.org veröffentlicht. Darauf ist im Adressatenkreis neben LKA-Stellen die "Abteilung II" in der Senatsverwaltung für Inneres genannt, die für den Staatsschutz steht.

In einem der Geheimpapiere geht es um eine für den 27. April 2013 geplante Demonstration gegen den Überwachungsstaat, mit der das "Bestandsdatenschüffelgesetz" noch gestoppt werden sollte. Der Anmelder habe in der Vergangenheit bereits mehrere Versammlungen organisiert, unter anderem gegen den alljährlich stattfindenden Polizeikongress, heißt es in der Einschätzung des LKA. Diese seien "vereinzelt unfriedlich" verlaufen. Zudem sei er 2011 als "Beschuldigter eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz festgestellt" worden, als etwa 200 Personen unangemeldet gegen Atomkraft demonstriert hätten.

Eine weitere der veröffentlichten Analysen bezieht sich auf zwei für Mitte 2012 angemeldete Kundgebungen gegen "Videoüberwachung, soziale Kontrolle und Polizeipräsenz". Der Anmelder sei auch hier bekannt, da er bereits "eine Vielzahl von Demonstrationen" etwa zu Themen wie Polizeigewalt organisiert habe und teils "staatsschutzrelevant in Erscheinung" getreten sei, hält der unterzeichnende Polizeikommissar fest.

Die Versammlungen selbst seien aber "überwiegend störungsfrei" verlaufen, sodass es auch jetzt keine anderslautenden konkreten Hinweise gebe, schreibt der Ermittler weiter. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass im Internet auf mehreren einzeln aufgeführten Webseiten teils eine "Mobilisierung" einschließlich einem angekündigten "Kameraspaziergang" feststellbar gewesen sei.

Nach Ansicht von Netzpolitik.org bleiben bei dem Transfer von Daten zu derlei öffentlichen Veranstaltungen "sowohl das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch die Versammlungsfreiheit auf der Strecke". Seien von der Weitergabe auch Vereine oder Parteien betroffen, werde zudem indirekt auch in die Vereinigungsfreiheit eingegriffen. Einige Verwaltungsgerichte hätten zumindest die Praxis der nachträglichen "Verlaufsberichte", in denen teils auch die Anwesenheit von Pressevertretern oder Abgeordneten vermerkt und an den Inlandsgeheimdienst übermittelt worden sei, bereits als rechtswidrig eingestuft.

Gegen Netzpolitik.org hatte jüngst der Generalbundesanwalt kurzzeitig wegen "Landesverrats" nach der Wiedergabe eines Papiers des Bundesamts für Verfassungsschutzes im Wortlaut ermittelt. (vbr)