Neue Weltordnung?

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Neue Weltordnung?

Wir können uns doch glücklich schätzen, daß es im Softwaremarkt Sittenwächter wie den Branchenprimus gibt. Microsoft echauffierte sich unlängst über Sun: Der Java-Erfinder habe das neue Java Development Kit 1.1 inkompatibel zum Internet Explorer gestaltet. Es geht ja auch wirklich nicht an, daß eine Firma ihre Monopolstellung so schamlos ausnutzt und einen Konkurrenten sowie dessen Kunden von der zukünftigen Entwicklung ausschließt.

Ausgerechnet Microsoft. Der Herrscher über Betriebssysteme und Standardanwendungen hat sich nie viel aus bestehenden und sinnvollen Standards gemacht und immer versucht, mit seiner Marktstellung die eigenen Techniken durchzusetzen. Diese Politik setzt Microsoft mit dem Internet fort.

Einer der Hauptgründe für die hohen Erwartungen in das Inter-/Intranet liegt in der Hoffnung, hiermit bestehende Systeme verbinden zu können. Daher ist auch Suns plattformübergreifende Programmiersprache Java im Begriff, sich zu etablieren. Selbst Microsoft hat das Idiom lizenziert und entsprechend Java-Support in seinen Internet Explorer eingebaut.

Doch der Platzhirsch hat eigene Vorstellungen, wie Internet-Programme auszusehen haben. Eine Schlüsselrolle spielt dabei ActiveX. Man kann so schnell gar nicht mitschreiben, wie Microsoft neue kostenlose Server- und Browser-Versionen, ActiveX-Entwicklungskits und natürlich -Komponenten auf dem Markt verstreut. Und die Saat geht auf: Sowohl der Internet Information Server als auch der Internet Explorer werden gern genommen - nicht zuletzt, weil inzwischen viele Webmaster ihre Server mit schnuckligen ActiveX-Ornamenten verschnörkeln.

Auch Java will Microsoft für seine Zwecke vereinnahmen: So hat der Softwareriese eine neue Standardbibliothek für die Sprache angekündigt. Außerdem wird Microsoft nicht müde, auf die ActiveX-Fähigkeiten seiner Java-Entwicklungsumgebung hinzuweisen. Das Ziel ist klar: Entwickler wie Anwender sollen sich an Komponenten gewöhnen, die nur unter Windows laufen und sie an diese Plattform fesseln.

Um seine Sprache von Fremdeinflüssen freizuhalten, reagierte Sun zunächst nur mit einer Marketing-Initiative: "100% pure Java". Mit der neuen Version des JDK demonstrierte Sun jetzt aber, wer das Sagen hat: damit erstellte Java-Programme sind inkompatibel zum Internet Explorer.

Sun hat jedoch nichts anderes gemacht, als seinen eigenen Standard zu erweitern. Java ist halt - wie Windows - kein offenes System: Wer es lizenziert, muß Änderungen hinnehmen - eine Verhaltensweise, die Microsoft offensichtlich bisher nur aus der entgegengesetzten Perspektive kennengelernt hat. Daß Bill Gates verstimmt ist, kann den Java-Erfindern jedenfalls herzlich schnuppe sein.

Mir auch. Ich trinke zwar gerne und viel guten Kaffee. Auf das genmanipulierte Gewächs aus Redmond kann ich aber verzichten.

Jo Bager (jo)