Netzneutralität: Beschluss des EU-Parlaments lässt viele Fragen offen

Verbraucherschützer, Bürgerrechtler und Oppositionspolitiker haben die neue EU-Verordnung fürs "offene Internet" und zu Roaming-Gebühren kritisiert, da sie Mautstraßen im Netz ermögliche. Die Internetwirtschaft ist zufrieden.

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Schatten vor Zahlen

(Bild: dpa, Ole Spata/Archiv)

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Das EU-Parlament wird viel dafür gescholten, dass es einen schalen Kompromiss zur Netzneutralität und zum weitgehenden Aus für Auslandsgebühren im Mobilfunk verabschiedet habe. Die beschlossene Verordnung, die in den Mitgliedsstaaten bald direkt in Kraft tritt, lasse "noch viele Fragen offen", monierte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die prinzipiell freigegebenen Überholspuren im Internet dürften nicht dazu führen, dass der normale Netzzugang schlechter werde.

Ein großer Teil der Verantwortung gehe auf die nationalen Regulierungsbehörden über, verlautete der vzbv. Hierzulande sei daher nun die Bundesnetzagentur gefragt, "verbraucherfreundliche Regeln" für ein offenes Internet festzulegen. Spezialdienste dürften nur angeboten werden, wenn die Provider mindestens 75 Prozent ihrer Angaben über Bandbreiten tatsächlich erfüllten. Der Verband beklagte, dass das versprochene Ende der Roaming-Gebühren unter dem Vorbehalt stehe, dass die EU-Kommission bis Juni 2017 eine neue Regel für Großhandelstarife gefunden habe.

Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wetterte über "netzpolitische Ratlosigkeit". Die Verordnung drohe, "den Motor für ein freies Internet abzuwürgen". Zero-Rating etwa sei "stark wettbewerbsverzerrend" und zementiere "marktbeherrschende Stellungen". Der netzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, nahm die Entscheidung als "mehr als bitter" auf. Nun drohe ein Zwei-Klassen-Internet, in dem derjenige, der mehr für seine Daten bezahlen könne, bevorzugt werde. Die Bundesregierung habe diesem "Ausverkauf der Netzneutralität" tatenlos zugesehen.

Der Verein Digitale Gesellschaft rügte, dass das Parlament "das freie und offene Netz in Europa den Gewinninteressen einiger weniger Telekommunikationskonzerne opfere". Damit schade es seiner eigenen Glaubwürdigkeit. Die Initiative European Digital Rights (Edri) warf den EU-Abgeordneten vor, "Entscheidungen in allen kritischen Punkten vermieden zu haben". Damit würden die Regulierungsbehörden in die Rolle eines Quasi-Gesetzgebers gedrängt.

Der eco-Verband der Internetwirtschaft begrüßte dagegen den Beschluss. Er biete den "seit Langem geforderten rechtlichen Rahmen für qualitätsgesicherte IP-Dienste", ohne dass gleichzeitig andere Anwendungen im offenen Internet diskriminiert würden. So könnten neue Geschäftsmodelle entstehen. Zudem werde Transparenz und Wettbewerb gefördert. (anw)