Ja zum Monopol

Zunächst galt freie Software in Redmond als Krebsgeschwür, später als Virus. Doch die Popularität von Open-Source-Programmen steigt trotzdem weltweit. So rückt Microsoft nun die Ökonomie in den Vorder-grund und preist die Macht des eigenen Monopols.

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Microsoft wirkt in Deutschland als Jobmotor“, freut sich Jürgen Gallmann, Chef der deutschen Niederlassung des US-Konzerns. Der Grund seiner guten Laune ist das Ergebnis einer - von seinem Hause selbst in Auftrag gegebenen - Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des auf proprietärer Software beruhenden Geschäftsmodells des Giganten [1|#literatur]. Demnach wurden allein bei den 2500 zertifizierten Partnern Microsofts in Deutschland 76 000 Arbeitsplätze geschaffen.

Jürgen Gallmann, Chef von Microsoft Deutschland, freut sich: Eine Studie attestiert dem mit dem „Microsoft-Modell“ konkurrierenden Open-Source-Ansatz „erhebliche ökonomische Funktionsdefizite“.

Jedem Microsoft-Mitarbeiter lassen sich jeweils 51 Arbeitsplätze auf dem Markt für IT-Dienste und Software zurechnen, wenn man von den 1500 Mitarbeitern ausgeht, die das Unternehmen 2002 hierzulande beschäftigte. Etwa 50 000 der Jobs befinden sich in mittelständischen Unternehmen, hat das erst 2002 als Ableger der Uni Münster gegründete Muenster Institute of Computational Economics (MICE) herausgefunden.

Die Zahlen zur nationalen Bedeutung der Wirtschaftskraft Microsofts sind nur die Vorarbeit für Gallmanns eigentliche Trumpfkarte: Der Münsteraner Universitätsableger MICE attestiert in einer parallelen volkswirtschaftlichen Analyse dem mit dem „Microsoft-Modell“ konkurrierenden Open-Source-Ansatz „erhebliche ökonomische Funktionsdefizite“ [1|#literatur] . Die Entwicklungsmethode freier Software müsse „unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten als weder effizient noch effektiv eingeordnet werden“, heißt es in dem 105 Seiten langen Werk.

Als Hauptproblem sieht der Leiter des Forschungsprojekts, Stefan Kooths, just die bei freier Software in der Regel wegfallenden Lizenzkosten. „Ist die Software unentgeltlich verfügbar, so entstehen mit ihrer Entwicklung anders als auf dem kommerziellen Markt auch keine Erlöse, Einkommen, Arbeitsplätze und Steuern“, begründet der FDP-Mann seinen Ansatz. Mit an die Programme anknüpfenden Services könnten die Umsatzausfälle beim Softwarevertrieb nicht wieder erwirtschaftet werden.

Das Preisschild vermissen die Forscher bei freier Software vor allem, weil die „fröhlichen Ingenieure“ des offenen Quellcodes die frei modifizierbaren Programme am Bedarf und an den Nutzerbedürfnissen vorbei entwickeln würden. „Das zentrale Informationsmedium für Anbieter und Nachfrager“ fehle damit, sodass der Markt nicht funktionieren könne. Dazu kommen Argumente, die Microsoft seit langem gegen die General Public License (GPL) ins Feld führt: Die am häufigsten genutzte Lizenz für freie Software, die eine Weiterverbreitung des im Code steckenden kollektiven Wissens erfordert, sei innovationsfeindlich. Denn Firmen würden nur dann in die Entwicklung von Software investieren, „wenn sie die geistigen Eigentumsrechte an der entstandenen Software schützen können“.

Die Studie, die laut Gallmann die Debatte um Open Source versachlichen soll, basiert nach Meinung von Kritikern auf einer Reihe falscher Annahmen und verheddert sich in ihrer eigenen Ideologie. Zum einen beruht Microsofts Jobs schaffende Wirtschaftsmacht auf einem sich selbst über die Etablierung von Standards verstärkenden Monopol. Die Studie versucht diese Aushebelung des Wettbewerbs gar nicht zu kaschieren: Es könne „volkswirtschaftlich effizient sein, dass sich nur eine Plattform im Markt durchsetzt“, heißt es.

Die große Sorge des Bundeswirtschaftsministeriums und anderer Verwaltungen ist jedoch gerade, dass Microsoft nach dem Einfangen der Nutzer unberechenbare Monopolpreise verlangt. So begründete die Stadt München ihr Votum für Linux mit einem „strategischen“ Vorteil. Dieser könne nicht mit „kurzfristigen monetären Wirkungen“ wettgemacht werden.

Die Standardisierung à la Microsoft kommt zudem den Anwender teuer zu stehen, gibt Georg Greve von der Free Software Foundation Europe zu bedenken: „Zu den wesentlichen Eigenschaften des Paradigmas proprietärer Software gehört die Notwendigkeit von erzwungenen Updates.“ Dabei werde die Kompatibilität zu alten Versionen oft bewusst aufgegeben. Außerdem vergesse die Studie, dass „der Zugriff auf Software die grundlegende Voraussetzung für wesentliche Teile unserer Wirtschaft“ sei. Freie Software biete deutliche Vorteile wie den Gewinn politischer Unabhängigkeit und Handlungs- sowie Anpassungsfähigkeit.

Volkswirtschaftler rechnen zudem vor, dass die „fehlenden“ Ausgaben bei Open-Source-Produkten keineswegs dem Wirtschaftskreislauf entzogen, sondern ihm nur in Form anderer Ausgaben zugeführt würden. Die für Microsoft Office gesparten 1000 Euro könnten genauso gut etwa für Hardware oder auch für die Entwicklung freier Software unternehmerisch investiert werden.

Den Zusammenhang zwischen Innovationen und dem Schutz „geistigen Eigentums“ hält Bernd Lutterbeck, Professor für Informatik und Gesellschaft an der TU Berlin, für völlig verfehlt. Neuerungen finden seiner Meinung nach statt, „weil Konsumenten und Nutzer Produkte weiterentwickeln.“ Die Prinzipien der Open-Source-Welt seien allgemein ökonomisch gültig, wie etwa die Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Ernst Fehr und Bruno Frey belegt hätten. Ein Unternehmen, so Lutterbeck, dürfe nur noch dann auf Gewinne hoffen, wenn „der Nutzer Zugriff auf das Wissen der Firma hat“. Die bezahlten Studien können so hauptsächlich als neuer Hinweis darauf gesehen werden, wie groß Microsoft die Bedrohung durch freie Software einschätzt. (jk)

[1] Dr. Stefan Kooths, Dr. Markus Langenfurth, Dipl.-Volkswirtin Nadine Kalwey, Die Bedeutung der Microsoft Deutschland GmbH für den deutschen IT-Sektor

[2] Dr. Stefan Kooths, Dr. Markus Langenfurth, Dipl.-Volkswirtin Nadine Kalwey, Open-Source-Software - Eine volkswirtschaftliche Bewertung (jk)