Doppel-Whopperauf dem Grill

Zweilagige Rohlinge bieten fast doppelt so viel Speicherkapazität wie einlagige und somit genügend Platz für jede Video-DVD. Philips und Mitsubishi haben ihre neueste Kreation penibel abgeschmeckt, trotzdem beißen sich manche Abspielgeräte die Zähne daran aus.

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Inhaltsverzeichnis

Wenn ein neues DVD-Format auf den Markt kommt, muss es vor allem eines: Kompatibel sein zu den zig Millionen DVD-Playern in den Wohnzimmern der Konsumenten. Dazu müssen die Ingenieure sicherstellen, dass die Scheiben den bisherigen Spezifikationen genügen und die Qualität des gebrannten Mediums stimmt. Das alleine reicht aber nicht aus: Die Player müssen auch mit dem neuen Format etwas anzufangen wissen. Entweder akzeptieren sie die für sie unbekannten Scheiben oder der Neuling muss so tun, als ob er eine ganz normale DVD-ROM sei und hoffen, dass seine Tarnung nicht auffliegt.

Zum ersten Test der neuen zweilagigen DVD+R-Rohlinge schickte uns Philips eine Vorabversion seines DVD-Brenners DVDR885P. Dessen Firmware T1.4 soll bis zum Verkaufsstart Ende Mai noch leicht überarbeitet werden. Von BenQ bekamen wir den baugleichen DW-830A, der sich allerdings als noch nicht testfähig erwies.

Mangelware sind momentan noch die zweilagigen Rohlinge. Einzig Mitsubishi Kagaku Media (MKM, die Firma hinter Verbatim) liefert derzeit kleine Stückzahlen an Hard- und Software-Hersteller zum Testen. So standen uns nur wenige handverlesene Scheiben zur Verfügung. Die Situation soll sich im Juni/Juli verbessern, wenn auch Ricoh und andere Medienhersteller zweilagige Medien anbieten. Ricoh hat eine andere Produktionsweise der Double-Layer-Discs gewählt, die eine längere Entwicklungszeit beansprucht, später aber kürzere Fertigungszeiten gegenüber der Mitsubishi-Methode verspricht.

Um Entwicklungszeit zu sparen, verzichtete Philips bei ihrem ersten Double-Layer-Brenner zunächst auf eine Schreibunterstützung des Minus-Formats - die soll im September aber gegen die Zahlung einer Lizenzgebühr von etwa 7,50 Euro per Firmware nachgerüstet werden können. Momentan beschreibt der DVDR885P zweilagige DVD+R DL (so die offizielle Abkürzung) mit 2,4X und einlagige DVD+R mit 8X. Das Speichern von 4483 MByte Daten auf eine DVD+R dauert also etwas über acht Minuten, während man für die 8152 MByte einer DVD+R DL gut 45 Minuten benötigt.

Auch die Software zum Beschreiben einer DVD+R DL muss an das neue Format angepasst werden. Philips liefert in dem Retail-Paket die OEM-Version 6.3.1.10 des Brennprogramms Nero mit, die mit DL-Medien umgehen kann. Wer sich eine günstigere Bulk-Version ohne Software besorgt, sollte auf jeden Fall darauf achten, dass seine Brennsoftware zweilagige Medien explizit unterstützt und gegebenenfalls ein Update einspielen.

Obwohl die neuen Rohlinge genügend Platz für die 1:1-Kopie einer zweilagigen Video-DVD bieten, ist diese wegen des CSS-Kopierschutzes in vielen Fällen nicht möglich. Die Laufwerks-Firmware des Plus-Brenners verhindert nämlich, dass der Bereich, in dem der CSS-Schlüssel auf dem Original abgelegt ist, beschrieben werden kann. Beim Minus-Format ist der CSS-Bereich gar auf den Rohlingen vorgebrannt, um möglichen Firmware-Manipulationen vorzubeugen. Der Gebrauch von Tools zum Umgehen des CSS-Kopierschutzes ist in Deutschland verboten.

Zum Test kopierten wir deshalb eine nicht geschützte randvolle Video-DVD mit insgesamt 8005 MByte Speicherplatz. Der komplette Kopiervorgang mit Lesen und Schreiben dauert etwas über eine Stunde. In vielen Fällen könnte man den Film schneller transkodieren und in verminderter Qualität auf einen einlagigen Rohling brennen.

Der Brennvorgang startet zunächst im Innenbereich der unteren Speicherschicht (Layer 0). Am Außenrand wechselt er dann auf den zweiten Layer (Layer 1) und endet dort wieder am Innenring. Damit der Layer-Wechsel an der richtigen Stelle erfolgt, übernimmt Nero die Wechsel-Information der originalen Disc. Bei selbst erstellten Filmen setzt die mitgelieferte Authoring-Software Nero Vision Express den IFO-Eintrag für den Layer-Wechsel immer in die Mitte des Films. Würde man hingegen den Wechsel bei kürzeren Filmen an das Ende von Layer 0 setzen, so bliebe am Innenrand des Layer 1 ein unbeschriebener Bereich zurück. Dadurch könnten jedoch Abspielgeräte irritiert werden, wenn sie beim Versuch, das Lead-in im Innenbereich zu lesen, irrtümlich auf dem leeren zweiten Layer landen.

Während Video-DVDs außer beim DVD+VR-Format nur als Single-Session in einem Rutsch gebrannt werden können, kann man Daten-DVDs auch in Multi-Sessions erstellen. Dabei ist anfangs allerdings unklar, wie viel Daten insgesamt geschrieben werden, weshalb der Layer-Wechsel nicht in der Mitte erfolgen kann. Wegen der oben genannten Mount-Probleme schreibt der Brenner deshalb bei der ersten Session automatisch im Innenbereich der zweiten Schicht einen 7 mm breiten Ring mit einem 515 MByte großen „extended partial Lead-out“. Dadurch stehen aber bei einer Multi-Session-DVD insgesamt nur 7637 MByte Speicherplatz zur Verfügung.

Die bespielten Scheiben schickten wir ins Testlabor von Audiodev, die die Medien auf ihre Schreibqualität und Spezifikationskonformität hin untersuchten. Derzeit feilt Audiodev zwar noch für Philips an den offiziellen Kalibrierungs-DVDs für DVD+R DL, die Ergebnisse der für uns relevanten Parameter sind aber schon jetzt hinreichend genau.

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Die Hauptursache der Inkompatibilitäten liegt jedoch darin, dass Laufwerke die Disc einfach nicht erkennen, weil bei ihrer Herstellung das Format noch nicht existierte. Um welchen Typ es sich bei der eingelegten Scheibe handelt, erkennen die Abspielgeräte an dem so genannten Book-Type-Field. Eigentlich sollte sich eine DVD+R DL auch mit demselbigen Eintrag melden. Aus Kompatibilitätsgründen schreibt der Philips-Brenner von Haus aus jedoch die wohl bekannte Kennung „DVD-ROM“ vorbespielter DVDs. Man kann den Book-Type-Eintrag jedoch auch manuell mit einer mitgelieferten Software vor dem Brennvorgang ändern.

Wie wichtig dieser Buchungstrick ist, zeigt unser Kompatibilitätstest, bei dem wir über 80 ältere und neuere Laufwerke testeten, darunter DVD-Player, DVD-Video-Recorder, DVD-Brenner sowie DVD-ROM- und Combo-Laufwerke. Sie mussten jeweils eine mit einem Video-Film bespielte DVD+R DL mit dem Book-Type-Field „DVD+R DL“ und eine mit dem Book-Type-Field „DVD-ROM“ abspielen. Dabei achteten wir darauf, ob die Laufwerke tatsächlich beide Layer korrekt erkannten.

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[1] Hartmut Gieselmann, Doppel-Whopper, Zweilagige DVD-Rohlinge mit 8,5 GByte Speicherkapazität, c't 1/04, S. 111 (es)