Reservierte Spieler

Anders als in den USA und Japan übten beim Europastart der Playstation 3 viele Interessenten Zurückhaltung. Die Gründe sind eine mangelnde Verbreitung von „HD ready“-Fernsehern, wenig Chancen auf gewinnbringende Wiederverkäufe bei eBay und nicht zuletzt die hohen Preise für Konsole und Spiele. Dabei mangelt es der Konsole nicht an Funktionen, die zum Europastart weiter ausgebaut wurden.

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Inhaltsverzeichnis

Während sich in Japan und den USA vor Weihnachten hysterische Straßenszenen zum Start der Playstation 3 abspielten, herrschte in Europa zurückhaltende Gelassenheit. Zur Europa-Premiere in Berlin bespaßte Sony knapp 1000 Jugendliche mit Sido und Atze Schröder im Innenhof des Sony Center am Potsdamer Platz. Doch als es dann kurz nach Mitternacht zum Verkaufsteil der Show überging, zückten nur 150 bis 200 Konsolenfans ihr Portmonee und reihten sich in die Sperrgitter vor dem Sony Style Store ein, wo sie von ebenso vielen Journalisten im Blitzlichtgewitter empfangen wurden. Die meisten Kaufwilligen hatten bereits vorab ihre Konsole reserviert, die Schlange für Kunden ohne Vorbestellung blieb fast leer. Offenbar schreckten die hohen Preise ab: Sony verlangt 600 Euro für die Konsole und bot die Spiele zum Einheitspreis von 70 Euro an.

Ähnlich sah das Bild in den Elektrofachmärkten aus. Während Nintendos Wii noch immer schwierig zu bekommen ist, interessierten sich relativ wenige für die Stapel Playstation-3-Kartons. 100 000 hatte Sony zum Start nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz geliefert, nach offiziellen Angaben wurden davon 58 000 am Startwochenende verkauft.

Deutschland ist ein schwieriges Pflaster für teure Konsolen, das bekam Microsoft schon 2002 zu spüren, als der Konzern die erste Xbox für 479 Euro verkaufen wollte und wenige Wochen später den Preis auf 299 Euro senken musste. Vielleicht wird Sony nun schneller als geplant die günstigere 20-GByte-Version der PS3 in Europa starten. Amazon gibt in Großbritannien den 30. Oktober als Termin an.

Erschwerend kommt hinzu, dass in Europa hochauflösende Flachbildschirme weniger weit verbreitet sind als in den USA und Japan. An den guten alten Röhrenfernsehern kann die Playstation 3 ihre Stärken bei den Blu-ray-Filmen aber nicht ausspielen. Und auch bei eBay sind die Preise für die Konsole inzwischen eingebrochen. Wiederverkäufer, die in USA und Japan einen Großteil der ersten Kundschaft ausmachten, ließ der Europastart kalt.

Große Verunsicherung herrschte im Vorfeld wegen der Abwärtskompatibilität zu alten PS2-Spielen. Um Kosten zu sparen, hat die europäische Playstation 3 keinen PS2-Chip mehr auf ihrer Platine. Ein Software-Emulator übernimmt dessen Aufgabe. Passend zum Start hat Sony ein Firmware-Update auf Version 1.6 veröffentlicht, der die Fähigkeiten des Emulators drastisch verbessert (Soft-Link). Laut der Kompatibilitätsdatenbank laufen 1782 von 2541 PS2-Spielen, was einer Quote von 72,7 Prozent entspricht. Mit dabei sind God of War 1 und 2, die GTA-Serie, Ico, Shadow of the Colossus, We Love Katamari, Canis Canem Edit, Final Fantasy X, X-2 und XII, Okami, Pro Evolution Soccer 4, 5 und 6 sowie die Singstar-Reihe, die mit Mikrofon und EyeToy-Kamera läuft. Sony teilt die Kompatibilität in drei Stufen ein. Einige Spiele haben Probleme mit den Videosequenzen. In Final Fantasy XII werden sie nicht im Vollbild und mit Zeilensprung-Artefakten angezeigt. Bei God of War sind hingegen keine Mängel sichtbar. Die Spiele laufen in der Auflösung 576p (Vollbilder mit 720 x 576 Bildpunkten) oder im PAL-Modus, eine Skalierung auf höhere Auflösungen wird noch nicht unterstützt. Doch es gibt auch populäre Titel, die nicht auf der PS3 laufen, darunter Gran Turismo 4, Metal Gear Solid 2, die beiden Guitar-Hero-Teile, Rez und Amplitude. Sony will die Kompatibilität mit späteren Updates erhöhen.

Die Firmware 1.6 bringt noch weitere Verbesserungen mit. So können Bluetooth-Tastaturen und -Mäuse nun direkt verbunden werden. Neben MP3, ATRAC und AAC spielt die PS3 auch Musikstücke im WMA-Format ab. Die Remote-Play-Funktion für die PSP wurde erweitert, sodass eine einmal registrierte PSP nun über das Internet Kontakt zur Konsole aufnehmen und Filme und Musik von der PS3 abspielen kann. Dazu muss die Konsole allerdings in einen Remote-Play-Modus geschaltet werden, in dem sie knapp 180 Watt verbraucht. Pro Tag zahlt man also rund einen Euro Stromkosten, wenn die Playstation 3 im Bereitschaftsmodus durchläuft.

Die größte Neuerung ist allerdings die Unterstützung für „Folding@Home“, ein Projekt zum verteilten Rechnen der Pande Group, der Chemie-Abteilung der Stanford-Universität. Berechnet werden Proteinfaltungen, um hinter das Geheimnis von Faltungsfehlern zu kommen, die zu Krankheiten wie Alzheimer, BSE, Huntington, Parkinson und vielen Krebsarten führen können.

Nach einem 50 MByte großen Download der Software rechnet auch die PS3 mit. Der Cell-Prozessor erreicht dabei eine Rechenleistung von rund 100 GFLOP/s bei einfacher Rechengenauigkeit. Nur drei Tage nachdem die Software erhältlich war, rechneten über 30 0000 Playstation-3-Konsolen am Projekt mit, wodurch sich die Rechenkapazität der Stanford-Universität von rund 250 auf 750 TFLOP/s verdreifachte. Die Software zeigt während der Berechnung eine Weltkugel an, auf der jede beteiligte Playstation 3 als gelber Lichtpunkt zu sehen ist. Die Küstenregion der USA, Japan sowie England und die Benelux-Länder leuchteten besonders hell. Die Proteinketten lassen sich als dreidimensionales Modell darstellen. Die Stromaufnahme der Konsole steigt von 180 Watt im Ruhemodus auf 203 Watt bei Volllast, was angesichts der hohen Rechenleistung recht wenig ist.

Fast ebenso langsam wie der Verkauf starteten auch die Online-Server des Playstation Store, die Bits und Bytes tröpfelten durch die Leitung. Immerhin kann die neue Firmware bis zu sechs Dateien in einer Queue sammeln und im Hintergrund laden, während man Filme schaut, Musik hört oder Spiele spielt. Zum Start standen drei Spiele zum kostenpflichtigen Download bereit: Blast Factor (5 Euro), Lemmings (5 Euro) und Gripshift (8 Euro). Hinzu kommt die kostenlose Demo „Gran Turismo HD Concept 2.0“, die erstmals auch Force Feedback für Logitech-Lenkräder unterstützt. Dies dürfte ein dezenter Hinweis darauf sein, dass zukünftige Spiele der Playstation 3 wieder Hände massieren, nachdem die Streitigkeiten mit Patentinhaber Immersion beigelegt wurden. Als Bonus verschenkt Sony die Blu-ray-Fassung des James-Bond-Films „Casino Royale“ an die ersten 500 000 Kunden, die sich im Playstation Network anmelden.

Doch Sony hat noch weitere Baustellen auf der Playstation 3, die in kommenden Firmware-Updates behoben werden müssen. Statt des PS2-Chips wurde auf das neue Mainboard der PAL-Konsole ein Chip mit der Bezeichnung „CXD2972GB” von Sony Semiconductor gelötet. Er sitzt zwischen der RSX-GPU und dem HDMI-Transmitter von Silicon Image beziehungsweise dem Sony CXM4042R. Zuvor hatte die RSX-GPU eine direkte Verbindung zum Transmitter und CXM-Chip. Größe und Position des CXD2972BG lassen vermuten, dass es sich um einen Videosignalprozessor handelt, der für Skalierungen, Deinterlacing et cetera zuständig ist. Ein Datenblatt ist bei Sony bislang allerdings nicht erhältlich. Offenbar nutzt die neue Firmware 1.6 noch nicht dessen Zusatzfunktionen. So können Blu-ray-Filme noch immer nicht in der Auflösung 720p (1280 x 720 Bildpunkte) ausgegeben werden. Für ein ruckelfreies Filmerlebnis wäre außerdem eine Wiedergabe mit 24 Vollbildern pro Sekunde (24p) wünschenswert. Das Hochskalieren von Video-DVDs wurde von Sony in eines der nächsten Firmware-Updates verschoben.

IBM hat derweil bekannt gegeben, die Cell-Prozessoren inzwischen im 65-nm-Prozess fertigen zu können. Sony will „so schnell wie möglich“ die Produktion umstellen, da die kleineren Strukturen die Herstellungskosten verringern. Einen konkreten Termin nannte der Konzern allerdings nicht. Ein positiver Nebeneffekt wäre die geringere Stromaufnahme der kleineren Chips, was besonders für den Ruhezustand zu begrüßen wäre.

Ausführliche Informationen und Details zu Sonys Spielkonsole liefert das c't special Playstation 3, das unter anderem die Linux-Distribution „Yellow Dog Linux 5.0“ für die PS3 mitbringt. Das Heft ist für 8,50 Euro im Zeitschriftenhandel erhältlich und kann versandkostenfrei unter www.heise.de/kiosk/special/ct/07/01 online bestellt werden.

Soft-Link (es)