Schleswig-Holstein: Datenschützerin rügt Handy-Rasterfahndung

Die schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Marit Hansen wirft der Polizei Schlampereien bei der sensiblen Funkzellenabfrage vor. Es werde oft nicht nachgewiesen, ob sie nötig sei.

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Funknetz
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Schleswig-holsteinische Datenschützer kritisieren die Behördenpraixs bei der Funkzellenabfrage. Im Kieler Landtag hat Barbara Körffer, Vize-Leiterin des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD), am Mittwoch Korrekturen bei der Nutzung der Funkzellenabfrage durch Polizei und Staatsanwaltschaft gefordert. Es werde vor allem nicht hinreichend dargelegt, inwiefern die Abfragen überhaupt nötig und verhältnismäßig seien, sagte Körffer im Rechtsausschuss und mahnte auch mehr Transparenz an.

Körffer hat im Landtag den ULD-Prüfbericht zu Funkzellenabfragen aus den Jahren 2009 bis 2012 vorgelegt. Die Datenschützer haben eine weitgehend zufällige Stichprobe von zehn Funkzellenabfragen unter die Lupe genommen. Bei der umfangreichsten davon sind allein rund 7000 Datensätze auf einen Schlag erhoben worden.

Eine Funkzellenabfrage erzeugt dem ULD zufolge generell "in besonderem Maße eine Gefahr für Unbeteiligte, in die Ermittlungen einbezogen zu werden". Körffer führte aus, dass die Polizei damit Informationen bekomme über den Ort eines Telefongesprächs, verschickte und eingehende SMS sowie Internetverbindungen. Dies allein bringe aber noch keinen großen Erkenntnisgewinn, sodass in der Regel Abgleiche mit ähnlichen Abfragen von anderen Tatorten oder weiteren Daten etwa über das Polizeisystem Artus durchgeführt würden.

Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Handy-Rasterung sind laut Körffer recht hoch gehängt. Es müsse eine Straftat von "erheblicher Bedeutung" vorliegen, was bei den geprüften Fällen zugetroffen habe. Das Instrument dürfe aber erst genutzt werden, wenn Ermittlungen auf andere Weise wenig aussichtsreich seien. Diese Voraussetzung sei nicht immer erfüllt gewesen.

Teils hätten die Fahnder keine Idee gehabt, was sie mit dem Ergebnis anstellen sollten, monierte die Datenschützerin. Es seien "vorsorglich Funkzellendaten gesichert" worden. Zudem müssten die Daten speziell gekennzeichnet werden, was auch "nicht immer erkennbar war". Betroffene seien zudem in den meisten Fällen nicht benachrichtigt worden, nachdem ihre Bestandsdaten ermittelt worden seien. Die erhobenen Informationen seien anschließend teils auch gar nicht gelöscht worden.

Körffer plädierte dafür, die Daten zu entsorgen, wenn diese "gegenwärtig" nicht mehr gebraucht würden. Zudem sollte der Gesetzgeber ein "Quick Freeze" einführen: Bei dem Verfahren werden die begehrten Informationen beim Provider eingefroren und zu einem späteren Zeitpunkt abgefragt werden, wenn dies erforderlich sei. Auch die vom Bundestag jüngst beschlossene vierwöchige Vorratsspeicherung von Standortdaten helfe in dieser Hinsicht nicht viel und sei kein Ersatz für ein solches gezieltes Vorgehen.

Der Landtag hatte die Analyse in Auftrag gegeben, nachdem eine Anfrage der Piratenfraktion 2013 ergeben hatte, dass nicht einmal jede 20. Funkzellenabfrage zu einer Verurteilung geführt hat. Parallel werden immer mehr Handynutzern in Schleswig-Holstein mithilfe des Instruments überwacht: Während 2012 noch 256 Funkzellenabfragen erfolgten, waren es 2013 schon 441. 2014 schnellte die Zahl auf 569 weiter hoch.

Ein Vertreter des Landesinnenministeriums erklärte: "Wir sind in der Polizei unzufrieden mit dem Prüfbericht." Alle Abfragen seien gerichtlich angeordnet worden. Zudem habe das ULD eine Handlungsweisung aus dem ersten Halbjahr 2014 nicht berücksichtigt, mit der Schwachstellen abgestellt worden seien. Körffer erwiderte, dass dieser Erlass nur die Datenverarbeitung der Polizei betreffe und den Hinweis auf die Kennzeichnungspflicht aufgegriffen habe. Die anderen Punkte würden nicht erfasst. Es sei allgemein schwierig, den Erfolg von Funkzellenabfragen zu messen, da diese in der Regel in einem Bündel mit anderen Instrumenten eingesetzt würden. (anw)