"Hochautomatisiertes" Fahren bis 2020 realisierbar

Fahrzeuge sollen in fünf Jahren von Systemen weitgehend in Eigenregie auf Autobahnen gesteuert werden können, sodass der Fahrer sich anderen Dingen widmen kann.

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autonomes Auto

Eine "fahrfremde Tätigkeit".

(Bild: Volvo)

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"Hochautomatisiertes Fahren" auf Autobahnen ist bis 2020 hierzulande zumindest technisch möglich und bietet große Chancen für Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland. Davon gehen zumindest Gutachter im jetzt veröffentlichten Endbericht einer Studie aus, die das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat. Geleitet hat das zuständige Forscherkonsortium das Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).

Vom vernetzten zum autonomen Auto

Als "hochautomatisiert" bezeichnen die Wissenschaftler Fahrzeuge mit Systemen, die für "einen gewissen Zeitraum in spezifischen Situationen" die Regie übernehmen können. Der Fahrer müsse dabei die Technik nicht dauerhaft überwachen und könne sich so "mit gewissen fahrfremden Nebentätigkeiten" beschäftigen. Wenn die Person hinterm Steuer übernehmen müsse, fordere sie das System "mit ausreichender Zeitreserve" dazu auf.

Davon unterscheiden die Forscher ein "vollautomatisiertes" oder gar "autonomes" Fahren. Bei letzterem übernehme die Maschine vollständig das Fahrzeug vom Start bis zum Ziel, alle Insassen gälten als Passagiere, was sich etwa in Haftungsfragen ganz anders auswirke. Derartige Roboterfahrzeuge kämen mit "heute bestehenden Leistungsmerkmalen auf öffentlichen Straßen" wohl nicht vor 2030 auf den breiten Markt. Für Anwendungen auf privaten Arealen oder im niedrigen Geschwindigkeitsbereich könnten solche Transportsysteme aber schon früher verfügbar sein.

Die wesentlichen Techniken für hochautomatisiertes Fahren sind laut der Studie "entweder bereits heute serienreif oder in einem seriennahen Entwicklungszustand". Trotz der hohen Reife der einzelnen Komponenten gebe es jedoch einige "Entwicklungsherausforderungen auf Systemebene zu bewältigen". So müssten die Systeme etwa noch besser werden dabei, das Fahrzeug zu orten und Situationen vorherzusagen und zu analysieren. Hier sei "deutlich höheren" Qualitätsanforderungen zu genügen als bei heutigen Assistenzsystemen.

Als "kritische Themen" machen die Gutachter auch die IT-Sicherheit, die funktionale Sicherheit sowie die Testprozesse aus. Alle Unternehmen, die an der Entwicklung dieser Techniken beteiligt seien, "sind jedoch zuversichtlich, diese Aufgaben bis 2020 gelöst zu haben".

Autonomer Mercedes-Benz Actros (10 Bilder)

Mercedes-Benz Actros 1845 und Mercedes-Benz Actros 1853
(Bild: Daimler)

Auf dem Weg zur Marktreife des hochautomatisierten Fahrens müsse dringend der rechtliche Rahmen angepasst werden, meinen die Wissenschaftler. Dass internationale Verkehrsregeln eingehalten würden, sei zulassungsrechtlich sicherzustellen. Dazu müsse der Geschwindigkeitsbereich für automatisierte Lenkanlagen stark erhöht werden und die Hauptverantwortung des Fahrzeugführers während automatisierter Lenkmanöver wegfallen.

Zu bedenken ist laut den Forschern auch, dass die Haftung wohl verstärkt von Haltern auf Hersteller verlagert werde. Es müsse wohl ein "Unfalldatenspeicher" verpflichtend werden, wobei die hohen Erfordernisse zum Schutz der Privatsphäre der Fahrzeugführer zu beachten sei. Ob akzeptiert werden könnte, dass Menschen durch die "Schuld" des Systems getötet werden, bedürfe einer "ethisch-moralischen Diskussion und schließlich der Entscheidung durch die Politik".

Waymos autonome Fahrzeuge (14 Bilder)

Alphabets eigenentwickeltes Auto kurvt autonom durch Mountain View in Kalifornien.
(Bild: Google.)

Andere Länder sind der Bundesrepublik höchstens bei konkreten Zeitplänen oder "nationalen Zielsetzungen" voraus, heißt es. Deutschland sei führend in wesentlichen Technikfeldern wie Fahrerassistenz oder Radarsystemen. Der Aufbau eines leistungsstarken, lückenlosen Mobilfunknetzes entlang der Autobahnen sei wichtig, um die Entwicklung voranzutreiben. Auch müsse eine intelligente Verkehrsinfrastruktur aufgebaut werden, damit Deutschland zum Leitmarkt für automatisiertes Fahren werden könne. Staat und Wirtschaft bauen dazu ein "Digitales Testfeld Autobahn" auf der A9 in Bayern auf.

Autonomes Auto durchquert die USA (6 Bilder)

Am Sonntag ging es los.
(Bild: Delphi)

Wenn die heutigen Markt- und Standortanteile deutscher Fahrzeughersteller und Zulieferer gehalten werden könnten, dürfte die hierzulande generierte Wertschöpfung in dem untersuchten Bereich auf etwa 2,23 Milliarden Euro im Jahr 2020 und auf bis zu 8,8 Milliarden Euro fünf Jahre später steigen, erwarten die Wissenschaftler. Die Ergebnisse der Untersuchung will die Bundesregierung nutzen, um ihre "Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren" zu konkretisieren und umzusetzen.

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Im Herbst 2015 stattete Tesla sein Model S per Software-Update mit einem Autopiloten aus.
(Bild: Tesla)

(anw)