Österreichs neue Regierung zwischen Fingerprints, Breitband-Ausbau und Bundestrojaner

Am 2. Dezember wird Österreichs neue Regierung vereidigt. Sie will laut ihrem Programm möglichst vielen Menschen die "Teilhabe an der Wissenschaft- und Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" ermöglichen.

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Die beiden stimmenstärksten Parteien Österreichs, SPÖ und ÖVP, haben sich auf die Fortsetzung der "großen Koalition" verständigt. Am 2. Dezember wird die neue Regierung vereidigt. heise online stellt Teile des Regierungsprogramms unter dem Blickwickel des in der Präambel erklärten Ziels, "möglichst vielen Menschen die Teilhabe an der Wissenschaft- und Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu ermöglichen", vor. In dem Programm finden sich Fingerabdrücke in Reisepässen, biometrische Visa, eine DNA-Offensive, der Bundestrojaner und die Erleichterung privater Videoüberwachung ebenso wie das Recht auf Privatkopie und ein Ausbau der Breitband-Infrastruktur.

Versprochen werden etwa Investitionen in den Bereichen Forschung und Entwicklung (F&E, zusätzlich je 50 Millionen Euro 2009 und 2010) sowie Infrastruktur, auch mit Hilfe privatwirtschaftlicher Geldquellen. Im Energiebereich soll der Wettbewerb gestärkt werden, wobei gesetzliche Regelungen zur Einführung von Smart Metering und Smart Grids geprüft werden sollen. Europäische Standards für energieeffiziente Geräte und Motoren sollen unterstützt werden. Ein Austauschprogramm für alte Elektrogeräte und Prämien für die Erneuerung von Fuhrparks stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt.

Im Bereich der Telekommunikation soll sich Österreich "in der Spitze der IKT-Nationen positionieren und dazu den im Jahre 2007 aktualisierten IKT-Masterplan zur Förderung von Schlüsseltechnologien umsetzen." Die "zentralen Ziele" stehen allerdings unter einem Finanzierungsvorbehalt: "Bis 2013 soll die Versorgung der Bevölkerung mit Zugängen von zumindest 25 Mb/s erreicht sein. Dabei ist der Grundsatz 'so viel Markt wie möglich, so viel öffentliche Förderung wie notwendig' anzuwenden." Zudem soll ein "IKT-Kompetenzzentrum im Regierungsauftrag" errichtet werden, zu dessen Kosten die IKT-Unternehmen beitragen dürfen.

Eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes soll die "optimalen Rahmenbedingungen für einen raschen und kosteneffizienten Breitbandausbau" schaffen, der Universaldienst soll "zeitgemäß ausgestaltet" werden. Durch E-Government wie etwa eine elektronische Meldungsabwicklung und ein einheitliches Anlagenregister sollen Verwaltungskosten reduziert werden. Geplant sind auch ein neues elektronisches Personenstandsregister sowie, unter Finanzierungsvorbehalt, ein Partnerschaftsregister für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Die Einrichtung weiterer öffentlicher E-Government-Terminals wird geprüft.

Die bislang kaum nachgefragte Bürgerkarte soll zum Schlüssel für alle neuen elektronischen Verfahren werden. Personalausweise sollen mit qualifizierten Signaturen ausgestattet werden können. Ein elektronischer Zustelldienst soll per Opt-In den Postversand von Verwaltungsstücken reduzieren. Überhaupt sollen diverse neue Techniken den Verwaltungsservice verbessern, auch mit Hinblick auf Barrierefreiheit.

Bei der inneren Sicherheit meint die neue Regierung, dass es "ohne Sicherheit keine Freiheit" gäbe und spricht von "modernen Fahndungsmethoden bei gleichzeitiger Garantie und strenger Wahrung der Grundrechte." Der Austausch von DNA-, Fingerabdruck- und KFZ-Daten soll im Rahmen des Prümer Vertrages mit allen EU-Mitgliedsstaaten intensiviert werden. In den Ländern des Westbalkans sollen "Single Points of Contacts zur Gewährleistung des Informationsflusses und des Datenaustausches" geschaffen werden. Im Zuge einer "DNA-Offensive" soll das Ergebnis eines laufenden Pilotprojekts zur flächendeckenden DNA-Auswertung die "Grundlage für weitere Anwendungsmöglichkeiten" bilden, was jedoch unter einem Finanzierungsvorbehalt steht.

Auch der Bundestrojaner findet sich im Regierungsprogramm, wenngleich ebenfalls unter Finanzierungsvorbehalt. Er soll dazu dienen "Terror an der Wurzel zu bekämpfen und verhindern". Die bloße Teilnahme ans "Terrorcamps" soll ebenso strafbar werden wie Hasspredigten auch vor wenigen Zuhörern. Spionageabwehr und Spionageprävention sollen verstärkt werden. "Die Übermittlung und der Austausch von Daten über Hooligans" zwischen Vereinen und Behörden "muss ermöglicht werden." Reisepässe und Visa sollen "mehr Sicherheit durch Biometrie" erfahren, wozu auch Fingerabdrücke in Reisepässen zählen. Zur Kostensenkung sind gemeinsame Visa- und Biometrie-Zentren mit anderen Schengenländern und die Prüfung von Outsourcing vorgesehen.

"Moderne grund- und menschenrechtliche Standards" erforderten eine Neufassung des Versammlungsgesetzes. Versammlungen sollen nicht mehr lange im Voraus angemeldet werden können; und die "Interessen unbeteiligter Dritter" sollen bei der Anmeldung Berücksichtigung finden. Damit könnten etwa Demonstrationen auf vielbefahrenen Straßen untersagt werden.

Für private Videoüberwachungen sollen größtenteils keine individuellen Genehmigungsverfahren mehr erforderlich sein. Dies soll durch die Schaffung von "Standardanwendungen für gleich gelagerte Fälle (Trafiken, Juweliere, etc.)" erfolgen. Im Datenschutzgesetz soll zudem klargestellt werden, dass der Datenschutzkommission im Bereich Strafrechtspflege der Kriminalpolizei keine Zuständigkeit zukommt. Die Justiz soll "Maßnahmen zur Geheimhaltung von Informationen in besonders sensiblen Verfahren" treffen, wofür "Systeme qualifizierter Geheimhaltung" einzurichten seien. Das Amtsgeheimnis soll strafrechtlich stärker geschützt werden. Ein Informationsfreiheitsgesetz findet sich nicht im Regierungsprogramm.

Durch eine Reform des Versicherungsvertragsrechts sollen Erleichterungen durch "verstärkte Nutzung elektronischer Abwicklungen" geprüft werden. "Dabei sind neben datenschutzrechtlichen Fragestellungen auch die ausreichende Information und Beweissicherung für die Versicherungsnehmer zu berücksichtigen", heißt es weiter. "Abfragen von Gesundheitsdaten durch Krankenversicherer bei Krankenanstalten müssen strengen datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen."

"Die digitalen Rechte der Konsumenten sind zu verbessern", heißt es auf Seite 115. Das Verhältnis "Freie Werknutzung – technische Schutzmaßnahmen" soll geklärt, das Recht auf Privatkopie digitaler Datenträger sichergestellt werden. Der Missbrauch von Inkassokosten soll bekämpft, der Schutz vor Internetkriminalität verstärkt werden. Das Schließen von Verträgen durch unerbetene Werbeanrufe soll erschwert oder verunmöglicht werden.

Im Kapitel Jugend wird die elektronische Kommunikation als Mittel zur Demokratieerziehung erwähnt. Die Bundesstelle für Positivprädikatisierung von Computer-Konsolenspielen (BuPP) soll ausgebaut werden, um Eltern "bezüglich Gewaltdarstellung in Computerspielen" zu sensibilisieren. Darüber hinaus sollen die "Teilhabechancen der älteren Generation an modernen Informationstechnologien" und der Wissensgesellschaft forciert werden. Für einkommensschwache Personen soll es finanzielle Förderungen unter anderem "bei der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien" geben.

Auf Seite 184 geht es um Gesundheit: "Zur Überbrückung von Versorgungsschnittstellen hat die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (e-health) im Gesundheitswesen hohe gesundheitspolitische Priorität. Große Bedeutung kommt dabei unter strenger Einhaltung des Datenschutzes der elektronischen Patientenakte (ELGA) und der Kontrolle der Vereinbarkeit von Arzneimittelverordnungen (z.B. e-Medikation, Arzneimittelsicherheitsgurt) zu, die im Interesse der Patienten rasch verwirklicht werden müssen."

Ein "'Aktionsplan für Nanotechnologien' wird Risken und Chancen insbesondere von nanotechnologischen Verfahren und von Nanomaterialien erforschen sowie Anwendungsbereiche und eine nationale Umsetzungsstrategie für diese Schlüsseltechnologie erarbeiten", heißt es im Abschnitt Konsumentenschutz und Verbrauchergesundheit, wo auch ein Bekenntnis zur Gentechnikfreiheit von Lebens- und Futtermitteln abgegeben wird.

"Die Bundesregierung bekennt sich zur zentralen demokratie- und gesellschaftspolitischen Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks", doch soll der ORF seine Finanzprobleme vorrangig selbst lösen. Die Auswahl der Publikumsräte durch die absurde Faxwahl soll ebenso "überdacht" werden, wie Nominierungen durch die Bundesregierung. Die Presse- und Publizistikförderung soll modernisiert werden, wobei dann auch digitale Medien gefördert werden könnten. Ein weiteres Ziel ist die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für digitales Radio.

Geplant ist schließlich eine "nationale Digitalisierungsstrategie" zur Digitalisierung der Bestände von Bundesmuseen , Nationalbibliothek und Artothek. Bestehende Datenbanken sollen an die Europeana angeschlossen werden. (anw)