Bundesregierung stellt Eckpunkte des neuen Urheberrechts vor

Justizministerin Brigitte Zypries will mit dem Zweiten Korb der Urheberrechtsrechtsreform einen Ausweg aus den ewigen Streitereien um Pauschalabgaben weisen; bei der Privatkopie und Auskunftsansprüchen gegen Rechtsverletzter wird es keine Änderungen geben

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Justizministerin Brigitte Zypries will mit dem so genannten Zweiten Korb der Urheberrechtsrechtsreform vor allem einen Ausweg aus den ewigen Streitereien um Vergütungsabgaben weisen. Hersteller von Geräten, die prinzipiell auch zur Vervielfältigung genutzt werden können, zanken sich gegenwärtig heftig mit den Verwertungsgesellschaften über die Höhe der Urheberrechtspauschalen. Vor allem geht es um die Vergütungen für Drucker, über die sich die Parteien seit sieben Jahren in den Haaren liegen. Aber auch der PC als potenzielles "Kopiergerät" ist ins Blickfeld der Verwertungsgesellschaften geraten. Hier soll im Urheberrecht künftig ein neues Verfahren greifen. Zum einen wird nach den Plänen des Justizministeriums die Vorgabe lauten: "Ein Gerät wird belastet, wenn es tatsächlich im nennenswerten Umfang zur Vervielfältigung genutzt wird". Da diese Formulierung aber nur einen sehr dehnbaren Rahmen festlegt, sollen Gerätehersteller und die Vertreter der Urheber konkrete Regelungen in einem Schlichtungsverfahren finden.

Das Justizministerium will mit diesem Ansatz zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. So hofft Zypries, die wesentliche Punkte der zweiten Stufe der Urheberrechtsreform am heutigen Donnerstag in Berlin vorstellte, dass mit der neuen Definition der vergütungspflichtigen Geräte die "juristischen Haarspaltereien" über zum Kopieren bestimmte Gebrauchsgegenstände aufhören. Stattdessen sollen die beteiligten Parteien mithilfe von Marktumfragen und Nutzungsstudien ermitteln, welche Produkte unter die getroffene Formulierung fallen. Der Gesetzgeber selbst will sich weitgehend aus dem Verfahren heraushalten. "Wir wissen, dass beispielsweise ein Brenner fürs Kopieren genutzt wird", erläuterte Zypries den Ansatz. Eine Digitalkamera dagegen so gut wie nicht. Noch einfach zu regeln sei auch, dass ein Mehrzweckgerät nur einmal belastet werden soll. Doch beim PC fange der Disput schon an, und die Regierung könne und wolle hier selbst keine Entscheidung treffen. Auch die Höhe der Vergütung soll nicht mehr bis ins Detail vom Gesetzgeber ausgewiesen werden.

Damit der Schlichtungsprozess sich nicht bis ins Endlose zieht, sieht der Entwurf für den Zweiten Korb eine Frist von sechs Monaten vor. Die Streithähne sollen fachkundige Beisitzer hinzuziehen können. Der Vorsitz wird nicht mehr beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) liegen, das heute als mehr schlechte als rechte Vermittlungsinstanz angerufen werden kann, sondern soll "unabhängig" sein. Als einzige Berufungsinstanz ist das Oberlandesgericht vorgesehen, um den Prozess weiter zu beschleunigen. Den Effekt der Mediation umschrieb Zypries zunächst mit den Worten: "Es wird eher weniger Geld für Urheber geben." Diese für die Kreativen unbefriedigende Antwort versuchte Elmar Hucko, der für Fragen des geistigen Eigentums zuständige Ministerialdirektor, rasch zu relativieren: "Pro Gerät könnte die Abgabe geringer sein, aber die Urheber können profitieren, weil die Prozesse schneller enden", stellte er klar. Am Beispiel von Druckern führte er aus, dass die Preise in diesem Bereich derart in den Keller gegangen seien, dass die vom DPMA bestimmte Pauschalsumme zu hoch ausfallen könnte. Dass die Printerfabrikanten ihren Reibach nur noch über die verkaufte Tinte machen und damit die Urheber leer ausgehen, werde im Gesetz berücksichtigt. Denn auch "gerätespezifische Verbrauchsmaterialien" sind bei der Bestimmung der Vergütung zu berücksichtigen.

Auch mit dem verstärkten Mediationsansatz werden nicht alle glücklich sein, weiß Zypries. "Gerade die Firmen mit US-Konzernmüttern wollen überhaupt keine Geräteabgabe", nahm sie die zu erwartende Kritik aus dieser Richtung vorweg. An der Grundstruktur des deutschen Urheberrechts mit dem Pauschalsystem werde aber nicht gerührt, betonte die SPD-Politikerin. Zusätzlich berücksichtigt das Gesetz zwar schon mit dem vor fast genau einem Jahr in Kraft getretenen "Ersten Korb" der Reform die individuelle Lizenzierung und Abrechnung digitaler Güter, die mit den umstrittenen Systemen zum Digital Rights Management (DRM) vor unerlaubtem Kopieren ausgestattet sind und obendrein rechtlich vor dem Umgehen geschützt werden. Doch diese beiden Ansätze sieht Zypries "wie zwei miteinander kommunizierende Röhren" nebeneinander stehen. "Wenn viel technisch geschützt wird, muss die Pauschalabgabe sinken und andersrum", konstatierte sie. Den Anteil etwa von kopiergeschützten CDs auf dem Markt lasse sich wieder einfach per Händlerbefragungen ermitteln. Musikverlage seien aber in jüngster Zeit von den wenig verbraucherfreundlichen Kopierschutztechniken abgekommen, sodass dann die Pauschalvergütung greife. Ausgeschlossen werde gesetzlich nur, dass Verwerter und Urheber zwei Mal kassieren. "Wenn Grönemeyer Kopierschutz wählt, bekommt er für den CD-Verkauf von der GEMA nichts", erklärte Hucko. Unberührt davon seien Vergütungen etwa für das Abspielen seiner Songs im Radio.

Um das Nebeneinander des individuellen und des pauschalen Systems nicht zu gefährden, werden die Regelungen zum privaten Kopieren aus der ersten Reformstufe nicht geändert. Das heißt: Verbraucher dürfen weiterhin -- zumindest theoretisch -- nach Angaben Zypries' "zwei bis fünf Kopien fertigen, aber nicht kommerziell verwerten". Gleichzeitig ist das eingeräumte Recht aber zahnlos, weil die Nutzer es nicht gegen Kopierschutzmechanismen durchsetzen dürfen. Nur eine "redaktionelle Klarstellung" soll den Tauschbörsen-Nutzern endgültig ihr illegales Treiben vermasseln: So dürfen künftig, so Zypries, "offensichtlich widerrechtlich zum Download angebotene Werke" nicht kopiert werden. Bisher hatte der Gesetzestext allein auf ein Vervielfältigungsverbot von einer "rechtswidrig hergestellten Vorlage" abgestellt.

Bei der Ermittlung gegen Filesharing-Liebhaber wird dagegen entgegen anders lautender Ankündigungen aus dem Justizministerium alles beim alten bleiben. "Wer einen Verdacht hat, soll es der Staatsanwaltschaft anzeigen", sagte Zypries. Die von der Musik- und Filmindustrie geforderten eigenen Auskunftsansprüche gegenüber Internet-Providern sind damit zunächst vom Tisch. Alles andere würde der Ministerin zufolge zu große datenschutzrechtliche Probleme und "erhebliche Verpflichtungen" für die Netzwirtschaft nach sich ziehen. Eine vollständige Legitimierung von Tauschbörsen mithilfe einer "Kultur-Flatrate" lehnt das Justizministerium aber allein schon auf Grund der europarechtlichen Vorgaben ab.

Insgesamt sucht der Gesetzesentwurf einen Ausgleich zwischen den Interessen der Verbraucher, die möglichst kostengünstig an Songs, Filme und Informationen herankommen wollen, der Urheber, die für ihr Schaffen eine Entlohnung wünschen, und kommerziellen Verwertern und Geräteherstellern, die ebenfalls Geld verdienen wollen. Doch der Ansatz, es allen Recht machen zu wollen und möglichst wenig eigene konkrete Vorgaben zu machen, wird dem Anspruch zur Schaffung eines Urheberrechts für die Wissensgesellschaft nicht immer gerecht. Dies zeigt sich vor allem bei den geplanten Regelungen für den elektronische Versand aus Zeitungen, Zeitschriften sowie Teilen von Büchern durch Bibliotheken für den wissenschaftlichen Gebrauch. Der soll zwar als "graphische Datei" künftig ermöglicht werden -- jedoch nur, wenn die Verlage kein eigenes Angebot machen. Damit ist die Situation ähnlich wie bei der Privatkopie, denn der Informationszugang wird zwar nicht verhindert, aber zumindest deutlich teurer und damit für viele inpraktikabel: Die Wissenschaftsverlage haben pro Kopie Preise von bis zu 30 US-Dollar anvisiert für die digitale Nutzung. Über den Bibliotheksversender subito, gegen den die Buchhandelslobby momentan mit harten Bandagen vorgeht, gibt es die Ausschnitte dagegen noch für wenige Euro.

Ob der Entwurf schon der große Wurf ist, werden in den nächsten Monaten das Bundeskabinett, das Parlament und die betroffenen Interessensgruppen entscheiden. Zögerliches Lob und mahnende Worte kommen unter anderem bereits vom Branchenverband Bitkom. Er freut sich vor allem darüber, "dass die Wirtschaft ermächtigt wird, Technologien zum Kopierschutz und digitalen Rechtemanagement einzusetzen." Dass mehr digitale Geräte von Vergütungspauschalen betroffen sein dürften, lehnt die Wirtschaftsvereinigung dagegen entrüstet ab. Die Grüne Jugend und das Netzwerk Neue Medien beklagen dagegen in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass den Verbrauchern "ein auf Papier geschriebenes Recht wenig nützt, wenn gleichzeitig die Umgehung des Kopierschutz von so genannten UN-CDs verboten bleibt." Trotz der auch weiter zu erwartenden Kritik hofft Zypries, die Reform bis zur zweiten Hälfte 2005 unter Dach und Fach zu haben.

Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch: (jk)