NSA-Ausschuss: BND handhabt eigene und US-Selektoren gemeinsam

Ein BND-Referatsleiter hat eingeräumt, dass der deutsche Geheimdienst eigene Selektoren und Suchmerkmale der NSA in einem Zug aussortiert hat. Der Opposition gibt das Futter, einen weiteren Untersuchungsausschuss zu fordern.

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Daten-Überwachung soll ausgeweitet werden

(Bild: dpa, Jochen Lübke)

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Die Sonderprüfung von Zielvorgaben zur Telekommunikationsaufklärung beim Bundesnachrichtendienst (BND), die dessen Unterabteilungsleiter D. B. im August 2013 in Auftrag gab, bezog sich auf "alle Selektoren" ohne Unterschied, ob sie der Auslandsgeheimdienst selbst erstellte oder von der NSA bezog. Dies erklärte der Leiter des BND-Referats für Technische Aufklärung, der unter dem Kürzel H. K. firmierte am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Er gehe davon aus, dass in beiden einschlägigen Datenbanken illegitime Suchmerkmale auch zur gleichen Zeit "deaktiviert" worden seien.

Zuvor hatte H. K. bestätigt, dass der BND Selektoren mit Europa-, Nato- und USA-Bezug, die gegen deutsche Interessen verstießen, zur Zielerfassung freigegeben habe. Bei den gängigen Routineprüfungen bei dem Referat in der BND-Zentrale in Pullach seien die faulen Telekommunikationsmerkmal zwar aufgefallen, erklärte der Zeuge. Man habe sich aber zunächst gedacht, dass es sich nicht um anstößiges Material gehandelt habe: "Wenn Sie etwas nicht erkennen, können Sie auch nicht reagieren."

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Bei bestimmten Selektoren sei es "uns nicht so geläufig" gewesen, dass es sich überhaupt um ebensolche gehandelt habe, führte der Diplom-Ingenieur aus. Sonst wären sie schon bei den Begutachtungen aussortiert worden, die der BND-Sachbearbeiter K. M. in der Zentrale regelmäßig durchführte.

Es handelte sich laut dem Zeugen um "bestimmte Kombinationen aus Buchstaben und Zahlen", die in der Außenstelle Bad Aibling "in der Erfassung" gewesen seien, nicht jedoch in Pullach. Auf diese gestoßen sei erst der von D. B. mit der Sonderprüfung beauftragte Dr. T. Dieser sei "Mathematiker" gewesen, erläuterte H. K., und habe so offenbar einen anderen Blick auf die Selektoren gehabt. D. B. habe "manchmal das Gras wachsen" gehört und "ein gutes Gespür" gehabt, "dass er da schauen lässt". T. habe ihm erst im Anschluss informiert, dass da etwas schief läuft.

"Wir sind seit 2013 sensibler geworden", versicherte der gelernte Luft- und Raumfahrttechniker. In die Liste mit deaktivierten Zielvorgaben seien "mehr und mehr Selektoren eingepflegt" worden. Über die aktuellen Prüfverfahren könne er aber weniger sagen, da er das vergangene halbe Jahr krank gewesen sei. US-Suchmerkmale könne der BND generell nicht direkt löschen, aber "inaktiv" stellen. Dies sei dann anhand einer einschlägigen Liste erkennbar. So könne verhindert werden, dass die aussortierten erneut eingebaut oder Inhalte von Kommunikationspartner der anvisierten Personen ausgewertet würden.

H. K. beteuerte, dass aus seinem Referat keine umfangreichen Informationsmengen wie Metadaten an andere Geheimdienste weitergeleitet würden, sondern allenfalls fertige Meldungen. Es gebe aber eine "Breitbandanbindung" aus Richtung NSA, über die "Verkehre zu uns laufen". Es handle sich "fast nur um eine Einbahnstraße". Details seien nicht untersuchungsgegenständlich. Die NSA habe sich zwischenzeitlich beschwert, dass die Leitung in einem "desolaten Zustand" und nicht "Bit-transparent" gewesen sei. Dies habe man dann beim "Leitungsstab" auf die Tagesordnung gesetzt.

Die Aussagen des Zeugen haben die Opposition in ihrem Vorstoß bestärkt, die BND-Selektoren notfalls in den Mittelpunkt eines eigenen Untersuchungsausschusses zu stellen. Linke und Grüne gehen davon aus, dass die Suchmerkmale des deutschen Dienstes und des US-Partners teils identisch und insgesamt stark miteinander verzahnt seien. Die Bundesregierung und die große Koalition sperren sich bislang dagegen, die BND-Zielvorgaben im Rahmen des NSA-Ausschusses zu thematisieren. (mho)